Als Kiparis seinen Kopf zu uns wendete, zuckte ich erschrocken zusammen und meinte hysterisch: "Passen Sie bitte auf Ihr Pferd auf!" Ich erschrak sogleich über meine eigene Bemerkung. Man konnte doch keiner Reitlehrerin sagen, wie sie mit dem Pferd umgehen sollte. "Entschuldigung", murmelte ich deshalb, während ich rot wurde. Julie hielt den Kopf hoch und die Ohren gespitzt.

Ich erschrak etwas, als Jacqueline lauter wurde. Oda tänzelte etwas, ging aber nicht durch oder so. beruhigend klopfte ich der Stute den Hals.

"Ich hätte Kiparis nicht mit auf einen gemeinsamen Ausritt genommen, wenn ich ihn nicht einschätzen könnte", erwiderte ich bestimmt. "Natürlich kann immer etwas Unvorhergesehens passieren, aber das genauso gut mit einem lammfrommen Pferd. Also konzentrier dich jetzt lieber mal auf Julie. Schultern locker zurückfallen lassen, Hände ruhiger halten. Gib Julie mehr Zügelfreiheit, du engst sie ja komplett ein." Kip hatte sich zum Glück von Jacquelines Geschrei nicht erschrecken lassen, er drehte nur die Ohren neugierig in alle Richtungen.

"Okay", meinte ich kleinlaut und versuchte die Forderungen umzusetzen. Vorsichtig ließ ich den zügel länger. Frau Chevaliers Worte ängstigten mich, aber ich bemühte mich trotzdem, die Schultern locker zu lassen.

Oda beruhigte sich nach einer Weile wieder ganz, worüber ich sehr erleichtert war. Ich wüsste nicht, was ich tun sollte, wenn mir die Stute durchgehen würde.

"Und das nächste Mal schreie hier nicht so rum, das solltest du inzwischen wissen. Du machst damit nur die Pferde scheu", fuhr ich fort, als Jacqueline einigermaßen korrekt auf ihrem Pferd saß. "Und zum Thema Zügel zu kurz nehmen, da du das ja auch so gerne machst: Der Zug am Zügel muss immer mit treibenden Hilfen ausgeglichen werden, sonst zieht das Pferd den Hals nur zusammen und tritt nicht mehr über den Rücken. Die Hinterhand geht verloren und kann nicht mehr energisch genug untertreten. Geht ein Pferd längerfristig hinter dem Zügel, kann das auch gesundheitliche Folgen haben. Das Nackenband wird überdehnt und die Schleimbeutel darunter können sich entzünden." Dieser Vortrag war wohl schon längst fällig gewesen, denn es störte mich schon seit Anfang an, dass Jacqueline ständig am Zügel zerrte.

"Es tut mir leid", wiederholte ich und sah meine Reitlehrerin auf ihren Vortrag hin nur geschockt an. Ich wusste es, das Reiten konnte ja nicht gesund fürs Pferd sein.

Bei Frau Chevaliers Worten kontrollierte ich sofort meine Zügelhaltung und ließ sie zur Sicherheit noch ein Stückchen länger. Ich wollte nicht die gleichen Probleme wie Jacqueline kriegen. Die tat mir inzwischen einfach nur noch Leid, unsere Reitlehrerin nahm sie ja voll hart ran.

"Bei mir musst du dich nicht entschuldigen, weder fürs eine, noch fürs andere", erwiderte ich ernsthaft. "Meine Ohren halten deine laute Stimme ganz gut aus, auch wenn ich nicht taub bin. Es geht hier um die Pferde. Entschuldigen müsstest du dich also bei Julie. Für sie ist es schließlich unangenehm, wenn du ihr im Maul herumreißt." Kiparis fing nun an, nach vorne zu drängen. Ich sah mich um und bemerkte, dass wir mittlerweile schon in die Nähe des Strandes gelangt waren. "Wollen wir traben?", fragte ich also die beiden Mädchen.

"Und wie?", fragte ich ernst und höflich, "Ich meine, wie soll ich mich entschuldigen." Die Stute unter mir lief am etwas längeren Zügel jetzt eigentlich ganz entspannt.

"Für mich wäre Traben okay", rief ich von hinten und hoffte, dass es auch für Jacqueline in Ordnung war. Oda wollte auf jeden Fall auch schneller weiter, das merkte man deutlich.

Ich seufzte innerlich und dachte mir, wann Jacqueline es endlich kapieren würde. "Am besten ist es, wenn du aus deinen Fehlern endlich lernen würdest und sie in Zukunft vermeidest. Was hilft es Julie, wenn du sie gesundheitlich schädigst und dich danach entschuldigen würdest? Mir wurde übrigens mal gesagt: Pferde vergeben alles, aber sie vergessen nichts", antwortete ich und wartete immer noch auf ihre Antwort bezüglich des Antrabens.

Am liebsten wäre ich abgestiegen und zu Fuß nach Hause gegangen, aber erstens hätte ich mich das nicht gewagt auszusprechen und zweitens wollte ich Feli nicht den Spaß verderben, falls sie welchen hatte. Ich sagte nur noch schüchtern: "Traben wäre für mich auch okay."

Ich fühlte direkt mit Jacqueline mit, als Frau Chevalier sie so runter machte. Nur leider konnte ich ihr auch nicht helfen. Also wartete ich nur ab, ob wir doch noch traben würden.

Ich schüttelte leicht den Kopf. Bei diesem Mädchen musste ich wirklich meinen ganzen Optimismus zusammennehmen, um nicht aufzugeben. "Gut, dann antraben", forderte ich die Mädchen auf und hob die Hand. Kiparis freute sich sichtlich über die schnellere Gangart und ich ließ ihm den Freiraum, den er benötigte. Allerdings beobachtete ich weiterhin Julie und Jacqueline, sodass ich es sofort bemerken würde, wenn sie wieder am Zügel zerrte. Wahrscheinlich war auch das der Grund dafür gewesen, dass Julie vorhin so unregelmäßig gelaufen war.

Ich versuchte mich zusammen zu reißen und konzentriert eine schöne Hilfe zum Antraben zu geben. Julie trabte gleich los und fiel sogar etwas hinter Kiparis. Ich hoffte inständig, dass das für Frau Chevalier okay war, ich wollte nicht schon wieder verbale Prügel erhalten.

Ich trabte ebenfalls an. Oda war zum Glück folgsam wie immer.

"Bleib ruhig weiter neben mir, falls du wieder Schwierigkeiten bekommen solltest", forderte ich Jacqueline sogleich auf, verlangsamte Kips Tempo allerdings nicht. Der Wallach wollte endlich einmal laufen, das spürte man deutlich. der Weg fiel nun leicht abwärts und eigentlich könnte man hier gut galoppieren.

Ich hatte es fast geahnt. Verzweifelt trieb ich Julie etwas an. Sie schlug einmal ein wenig mit dem Kopf, was mir fast das Herz brach. Die arme wollte doch gar nicht laufen, oder? Allerdings trabte sie nun etwas schneller.

Nun wollte auch Oda einen schnelleren Gang einlegen. Anscheinend war sie es gewohnt, an dieser Stelle zu galoppieren, denn sie sprang von selbst in den Galopp. Sie suchte sich einen Weg an Julie außen vorbei. Ich war erstmal ziemlich erschrocken und handlungsunfähig, weshalb ich sie noch nicht zurücknahm.

Ich wollte gerade erneut Jacquelines Sitz und Zügelführung korrigieren, als plötzlich Oda mit Felicitas an uns vorbeigaloppierte. Kiparis sah das als eine gute Gelegenheit, ebenfalls die höhere Gangart zu wählen. "Felicitas, pariere sofort wieder zum Trab durch!", rief ich der Schülerin zu, während ich selbst mich bemühte, Kip wieder langsamer zu bekommen. Das war gar nicht so einfach, er wollte schließlich nicht hinter "seinen" Stuten zurückfallen.

Ich erschrak zu Tode, als Feli auf ihrem Pferd vorbeigaloppierte. Auch meine Julie galoppierte nach einem weiteren Kopfschlagen an. Ich krallte mich in die Mähne, um ja nicht runterzufallen. Ich hatte panische Angst davor, wieder zu stürzen. Trotzdem versuchte ich das Bein an das Pferd festzuklemmen und so einen Halt zu finden. Steigbügel hatte ich bereits beide verloren, dennoch schaffte ich es, aufrecht zu sitzen und dachte genau im richtigen Moment an meine Bodenarbeit. Bemüht ruhig sprach ich: "Trab." Trotz jeglicher Zügelführung, meine Hände hatte ich ja in Julies Mähne gegraben und in den Händen hielt ich die Zügel, verfiel meine Fjordstute in den Trab. "Brav", vergaß ich nicht zu loben und ließ eine Hand los, um Julie zu streicheln. Ich nahm die Steigbügel wieder auf, bevor ich Julie, mit Unterstützung der Stimme und dem Sitz, zum Schritt durchparierte und schließlich anhielt. Erst jetzt sah ich mich nach meinen Mitreiterinnen um. Ob die schon in irgendwelchen Gräben lagen? Ich konnte doch gar keine Erste Hilfe leisten! Aber ein Handy hatte ich dabei, falls ich es brauchen würde. War aber auch der Wahnsinn, mit zwei solchen Biestern wie Oda und Kiparis auszureiten!

Ich saß noch immer ordentlich auf Oda, trotzdem dauerte es eine Weile, bis ich sie durchparieren konnte. Wir waren fast schon am Ende der Wegstrecke angelangt, als Oda endlich in den Trab fiel. Ich hatte nun etwas Angst vor Frau Chevaliers Reaktion, die würde mich jetzt sicher ohne Zweifel anschreien.

Auch Julie fiel in den Galopp, doch zum Glück bekam Jacqueline ihre Stute schnell in Griff. Erst später schaltete auch Oda wieder einen Gang zurück. Daraufhin ließ sich Kiparis ebenfalls wieder leicht regulieren und durchparieren. Trotz des kurzen Zwischenfalls war niemanden etwas passiert. "Wir reiten im Schritt weiter", bestimmte ich. "Am Strand können wir zu dritt nebeneinander reiten. Und zu dir, Felicitas: Das nächste Mal zeigst du Oda deutlicher, wer hier das Sagen hat. Auch wenn das hier eine gewohnte Galoppstrecke für die Pferde ist, müssen sie stets kontrollierbar bleiben, falls der Reiter eine andere Gangart möchte."

Ich war anfangs etwas erleichtert, dass keinem was passiert war und lobte Julie nun noch einmal. Doch im zweiten Moment dachte ich daran, dass wir nun weiterreiten sollten. Am liebsten wäre ich heimgegangen. Ich sah Feli an. Ob sie nun auch Angst hatte? Ich reihte mich hinter Frau Chevalier ein.