Ich unterdrückte ein Auflachen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Gizella über ihren Reiter hinwegtrampeln würde. Möglichst ernsthaft versuchte ich die besorgte Mutter weiter zu beruhigen: "Unsere Schüler lernen hier auch, wie sie richtig vom Pferd fallen und dann möglichst schnell außer Reichweite der Hufe kommen. Somit ist schon mal für mehr Sicherheit gesorgt." Ich überlegte kurz, bevor ich weiersprach: "Und ja, ich habe einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Aber wir wollen ja nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen ... Ihr Sohn ist bisher jedenfalls noch nie vom Pferd gestürzt."

Mein Vater schüttelte nur den Kopf und grinste: "Ach Samuel ..." Ich lächelte zu Jacqueline. "Ich freu mich schon, wenn ich dir mein Zuhause zeigen kann", meinte ich. Dann blickte ich zu meiner Mutter. Grinsend wendete ich mich wieder zu meinem Vater und meiner Freundin: "Vorausgesetzt ich muss das Land nicht verlassen"

"Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn ihm auch nur das kleinste bisschen zustoßen könnte", meinte Frau Travers ernst und besorgt. Sie blickte zu Samuel. Ihr Blick war eine Mischung aus Liebe und absoluter Besorgnis. "Sie sollten wirklich auf seine Allergiemittel achten", fügte sie hinzu.

Am Zaun stoppte Jaline. Sie sah den Wallach. kurz überlegte, ob sie auf die Weide gehen sollte, aber dann unterließ sie es. Herr Meier mochte es sicherlich nicht, wenn einfach Leute auf die Weide spazierten. Sie ging hinüber zur Aula. Vor der Tür blieb sie stehen und atmete tief durch

Ich sah zu dem Lehrertisch rüber und sah dann wieder vor mich. "Ich geh mal eben raus zu Golden!", sagte ich zu meinen Freundinnen und machte mich schnell auf den Weg in den Stall. Diese Feier war ja wohl mal ziemlich unnötig

Herr Meier unterhielt sich noch mit Hannas Eltern, die wohl genauso wenig an guten Leistungen interessiert waren wie die Tochter. "Das Abi, dass packt die schon", erklärte mir Hannas Vater, "ist ja auch meine Tochter." Herr Meier meinte ruhig: "Wenn sie was lernt, dann sicher."

Ich lehnte mich wieder an Sam. "Ach, Sam", lächelte ich ihn an. Das beruhigte mich etwas.

Ich folgte dem Blick von Samuels Mutter und meinte schließlich, um eine Auflockerung der Stimmung bemüht: "Ach, ich glaube, Ihr Sohn schlägt sich hier ganz gut alleine durch und kann auf sich aufpassen. Sonst hat er immer noch seine Freundin, die ihm sicherlich gerne seine Medikamente nachtragen würde." Ich lächelte sie freundlich an.

Ich schnappte mir noch ein paar Plätzchen von meinem Teller. Frau Chevalier lächelte, was mich ein wenig beruhigte.

Frau Travers war ein wenig verwirrt. "Warum sollte seine Freundin seine Medikamente hinterhertragen? Also ich finde nicht dass eine 15 oder 16j. für das Wohl meines Sohnes achten sollte, wenn ich in die Obhut eines teuren Internates mit vielen Lehrern gebe."

Jaline stand immer noch vor der Tür, als ein kleines, aber nicht wenig jüngeres Mädchen herauskam. Sie erinnerte sich an sie. "Hallo", meinte Jaline, "Ist die Party so schrecklich?"

"Hi. Was machst du denn hier?", fragte ich Jaline. "Geht. Ist eigentlich ok. Aber alle reden nur davon was sie zu Hause machen und so...und ich muss hier bleiben..." Plapperte ich einfach drauf los. Hatte ich ihr nicht schonmal von meinem ganzen Stress mit Herrn Meier erzählt?

Herr Meier unterhielt sich nicht lange mit Hannas Eltern, sondern ging bald wieder weiter. Er erblickte Nina, die den Raum gerade verließ.

"Ich freue mich schon so auf die Ferien mit dir", flüsterte ich in Sams Ohr.

"Wenn man verliebt ist, macht man doch gerne was für den anderen", erklärte ich, noch immer ein Lächeln im Gesicht. "Aber wirklich. Samuel kann ganz gut alleine für sich und seine Gesundheit sorgen. Es ist ja auch wirklich noch nie etwas passiert." Im Stille dachte ich, was mein Schüler wohl dazu sagen würde, wenn ich ihn ständig wegen seiner Allergiemittel kontrollieren würde.

Ich strahlte das Mädchen an und gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange. Mein Vater beobachtete uns schweigend. "Fährst du dann heute alleine nach Hause?", fragte ich.

"Samuel überschätzt sich gerne", warf Frau Travers ein. Sie fand die Reitlehrerin ein wenig verantwortungslos.

Jaline war ein wenig mit allem überfordert und ließ das Mädchen einfach reden. "Ich wollte mit Herrn Meier reden", beantwortete sie nur leise ihre Frage

"Achso...der ist drinnen. Dann halte ich dich nickt weiter auf", sagte ich. Mein Blick wurde sofort wieder unglücklicher. Immerhin war an der Weide jetzt niemand und ich konnte mit Golden alleine sein

Herr Meier gesellte sich zu Heinz, der alleine rumstand. Er mochte Menschen, die viel redeten, da brauchte er selbst nicht so viel sagen.

"Klar", antwortete ich und fügte lächelnd hinzu: "Ich pass auch ganz gut auf mich auf. Meine Fähre geht um 19:00 Uhr."

"Das wäre mir noch nicht aufgefallen", entgegnete ich. "Im Umgang mit Pferden ist er sehr verantwortungsbewusst und befolgt meine Anweisungen auch immer. Da gibt's bei weitenm Schlimmere als ihn." Ich lachte kurz auf. Ich musste gerade an Chantal, unsere kleine Rebellin, denken. Das Mädchen kannte keine Regeln und besaß ein große Klappe, da hatte selbst ich manchmal Schwierigkeiten.

Mein Vater stand schließlich auf und ging zu meiner Mutter und Frau Chevalier hinüber. Ich zog Jacqueline an mich. "Versprochen?", meinte ich. Mir war nicht wohl dabei, das Mädchen alleine fahren zu lassen. "Rufst du mich an, wenn du daheim bist?"

Herr Travers gesellte sich zu den beiden Frauen, wobei er sich hinter seine Frau stellte. "Guten Tag die Damen! Liebling, worum geht es gerade? Darüber dass Samuel erstaunliche Fortschritte macht?" Dabei sah er Frau Chevalier an und lächelte. Frau Travers seufzte. SIe fand die Reitlehrerin fast schon unmöglich.

Jaline lächelte kurz. "Gehst du zu deinem Pony?", fragte sie lächelnd. Sie überlegte, ob sie mitgehen konnte und dabei Pfeffer besuchen. Andererseits wollte sie ihre Anliegen auch zügig hinter sich bringen. Jaline runzelte leicht die Stirn und seufzte

"Ja...der redet immerhin nicht von Ferien zu Hause...", murmelte ich unglücklich. Mich nervte es so und es machte Mich traurig dass niemand Rücksicht auf mich nahm

Heinz wies Herrn Meier auf Travers hin, die doch berühmt berüchtigt im Lehrerzimmer waren. "Die sollen mal bei Samuel härter durchgreifen", kommentierte der Rektor nur.

"He", meinte ich zu Sam beruhigend, "was soll mir denn passieren? Aber natürlich ruf ich dich an, auf der Fähre schon, wenn du willst." Ich fürchtete mich selbst schon auch ein bisschen vor der Dunkelheit am Abend. Ich habe ja schon daran gedacht, einen Lehrer zu bitten, dass er mich zum Hafen fährt, aber welchen?

Ein Herr kam zu uns herüber. Durch seine Worte nahm ich an, dass es Samuels Vater war. "Guten Tag! Wollen Sie sich zu uns setzen?", begrüßte ich ihn freundlich. "Dann kann ich Ihnen auch gerne von Samuls Fortschritten beim Reiten berichten."

Ich lächelte. "Ach Jacqueline. Du bist so süß, dich würde jederzeit jemand entführern", meinte ich etwas grinsend. "Ich mach mir nur Sorgen", gab ich zu.

Herr Travers setzte sich und meinte dann: "Dann schießen Sie mal los! Wie oft ist er schon vom Pferd gefallen?" Er lachte ein wenig. Frau Travers verzog das Gesicht und sah ihren Mann bitterböse an. "Ach Liebling, du kennst doch meine Scherze", meinte er entschuldigend. "Nur zu gut", zischte seine Frau.

Jaline lächelte und meinte dann etwas traurig: "Immerhin hast du dein Pony noch"

Ich nickte nur. "Tut mir Leid wegen Pfeffer...", sagte ich leise. Die Geschichte hatten hier auf demninternat alle mitbekommen. "Ich bin in einem halben Jahr auch fertig...", fügte ich noch hinzu

"Ach, lass den Jungen doch", lachte Heinz Herrn Meier an, "du warst doch auch mal jung." Herr Meier lächelte Heinz an und fing an zu erzählen.

"Soll ich jemanden bitten, dass er mich zum Hafen fährt?", fragte ich Sam liebevoll.

Ich ignorierte die kurze Missstimmung zwischen Samuels Eltern und fing locker an zu erzählen: "Nein, Samuel ist noch nie von seiner Gizella gefallen, soweit ich mich erinnern kann. Er und seine Herzensdame sind mittlerweile ein eingespieltes Team und kommen super miteinander klar." Ich erwähnte lieber nicht, wie frech die Stute manchmal sein konnte. "Er reitet ja erst seit zwei Jahren, oder? Dafür macht er seine Sache ziemlich gut. Und er gibt sich wahrlich Mühe, zum Beispiel, um seinen Sitz noch weiter zu perfektionieren."

"Herr Meier würde dich sicher fahren. Du wirst ja auch nen schweren Koffer haben, oder?", fragte ich. "Ansonsten frag ich meine Eltern, ob wir noch so lange warten können" Ich strahlte das Mädchen an.

Herr Travers hörte aufmerksam zu. Die kurze Zwischenfrage bejahte er. Als Frau Chevalier zu Ende kam, meinte er nur lächelnd: "Das hört sich doch gut an."

Jaline lächelte kurz zu Nina. "Deswegen bin ich hier. Ich möchte nochmal fragen, ob ich Pfeffer kaufen kann"

"Glaube ich...ich hoffe du schaffst es Herrn Meier umzustimmen!", sagte ich. "Ich kann mir auch noch nicht vorstellen Golden im Sommer verlassen zu müssen..."

"Meinst du, dass würde er machen?", fragte ich Sam, "Ich meine Herr Meier. Ich trau mich irgendwie nicht, ihn zu fragen." Wieder einmal wurde ich rot.

Herr Schmitt konnte sich ein Grinsen kaum verbergen. Bei Herrn Meiers Erzählungen!

Ich nickte bestätigend. "Wir waren auch schon im Gelände und auch hier läuft alles bestens", fügte ich noch hinzu. Ich überlegte kurz. "Vielleicht wollen Sie Samuels Pflegepferd ja auch mal kennen lernen, dann sehen Sie, dass es wirklich nicht gefährlich ist. Fragen Sie Samuel doch einfach mal", schlug ich schließlich lächelnd vor.