"Ja, bitte", stotterte ich schluchzend. Ich setzte mich langsam auf, um mit den Augen die Halle nach Sam abzusuchen. Ich erschrak. So am Boden sitzend war ich ganz schön klein gegen die ganzen Pferde. Ich zitterte, trotzdem versuchte ich mit Sam Blickkontakt aufzubauen.

Ich blickte weiterhin zu Jacqueline. Kurz versuchte ich mich an einem Lächeln, aber ich war immer noch ein wenig geschockt.

"Na dann komm", meinte ich und half der Schülerin auf die Beine. Ich beobachtete sie dabei genau, anscheinend hatte sie wirklich keine Schmerzen. Sie war wohl nur ziemlich erschrocken. Aber sie war doch sicherlich nicht das erste Mal vom Pferd gefallen? "Solltest du die nächsten Tage irgendwelche Schmerzen haben, gib sofort Bescheid", sagte ich eindringlich zu Jacqueline. "Und sonst kannst du ja jetzt wieder aufs Pferd. Guck mal, Oda wartet schon auf dich. Wenn du Glück hast, verzeiht sie dir auch noch einmal, dass du ihr so wild im Maul rumgerissen hast. Ohne Grund durftest du nämlich nicht den Boden küssen, das wird dir aber wohl auch selbst bewusst sein." Ich ging zu Samuel und nahm ihm Oda ab. Ich klopfte der Stute kurz den Hals und brachte sie zu ihrer Reiterin hinüber.

"Ja, OK", antwortete ich nur weinend. Als Frau Chevalier mit dem Pferd auf mich zu kam, wich ich erschrocken einen Schritt zurück und wäre fast wieder hingefallen. Wieder suchte ich mit den Augen nach Sam. Ich versuchte ihm durch Blickkontakt klar zu machen, dass ich Angst hatte und hoffte, er könne mir helfen.

Ich lächelte Jacqueline zu. Noch immer hatte ich mich nicht vom Fleck gerührt

"Du musst nicht vor mir weglaufen", meinte ich zu Jacqueline. "Ich denke, du hast schon mal gehört, dass man gleich wieder aufs Pferd steigt, wenn man heruntergefallen ist?" Es war mehr eine rhetorische Frage, ich erwartete jedenfalls keine Antwort. Ohne große Umschweife drückte ich der Schülerin Odas Zügel in die Hand.

"Ja, habe ich", antwortete ich verängstigt. Sie gab mir jetzt nicht ernsthaft das Pferd einfach so in die Hand? Ich sah die Reitlehrerin erschrocken an. Aber plötzlich hatte ich einfach den Zügel von dem Vieh in der Hand. Und das kam auch noch mit seinem Kopf näher. "Nicht beißen!", sagte ich erschrocken und nicht ganz leise. Im Moment war es mir egal. Ich ließ den Zügel fallen, um mich ein paar Riesenschritte von der Stute weg zu bewegen. Am liebsten hätte ich mich tief im Hallenboden vergraben, damit mich das Pferd nicht findet. Hoffentlich folgte es mir jetzt nicht. Ich drehte mich um. Das Pferd sah mich an, bewegte sich aber nicht.

Ich betrachtete das Spektakel leicht schockiert. "Jacqueline?", fragte ich schließlich.

Ich wollte gerade etwas sagen, als Jacqueline die Zügel einfach fallen ließ. Zum Glück konnte ich schnell reagieren und die Zügel wieder in meine Hand nehmen. Ich holte einmal tief Luft, um nicht laut loszuschreien. Das Mädchen hatte ja nicht mehr alle Tassen im Schrank! "Mann, du kannst nicht einfach die Zügel wegschmeißen", fing ich nun an, das Mädchen zu beschimpfen. "Ist dir eigentlich klar, was da alles passieren kann? Wenn sich Oda da drin verheddert oder was sonst noch..." Ich bemühte mich, eine angemessene Lautstärke zu bewahren, was mir mehr oder weniger gelang. Wenn es um Pferde ging, komme ich nun mal schnell in Rage.

Das hatte ich nicht bedacht. Aber die Reitlehrerin schien scheinbar nicht zu bedenken, was war, wenn mich das Pferd biss. Mich wunderte es sowieso, dass sie selbst nicht Angst hatte. An ihrer Stelle hätte ich die Panik schlechthin, wen mir das Tier so nahe kam wie Frau Chevalier jetzt. Die Stute rieb nämlich den Kopf an der Reitlehrerin. Aber was sollte ich nun tun? Ich blickte zur Hallentür. Weglaufen konnte ich nicht, das würde den Ärger meines Lebens geben. Also blieb ich zitternd stehen. Und schon wieder kamen mir die Tränen. Langsam wurde es mir wirklich peinlich.

Die Aufmerksamkeit von allen lag bei Jacqueline. Ich lies Gizella ein paar Schritte zu Jacqueline trotten. "Jacqueline? Steig wieder auf", ich versuchte sie durch mein Lächeln aufzumuntern

Als ich meinen Ärger etwas freien Lauf gelassen hatte, fuhr ich nun ruhiger fort: "Übrigens, Pferde beißen nicht, das solltest du aber auch schon wissen. Abgesehen daavon, dass Oda jetzt gar keinen Grund dazu hätte, dich zu verletzen, sind Pferde Fluchttiere. Zuerst versuchen sie immer wegzurennen, bevor sie Gewalt anwenden würden. Und bevor sie das tun würden, würden sie dir mit Drohgebärden zu verstehen geben, dass es ernst wird. Aber wie gesagt: Oda hat momentan wirklich alles andere im Sinn, als dir was anzutun. Ganz im Gegenteil."

"Ich kann das mit diesem hypersensiblen Pferd nicht", versuchte ich gefolgt von einem Schluchzer zu argumentieren. War ja wohl auch die Wahrheit. Automatisch trat ich näher zu Sam, der einzige Schutz hier in dieser Halle.

Ich blickte zwischen Frau Chevalier und Jacqueline hin und her. Was sie jetzt wohl tun würde?

"Also ganz ehrlich", gab ich ungerührt zurück, "das lief bis jetzt doch gar nicht mal so schlecht. Natürlich ist Oda sehr sensibel, aber das war ja auch so beabsichtigt von mir. Jeder Reiter sollte im Laufe der Zeit verschiedenste Pferde unter sich haben und sich auf sie einstellen können. Bist du denn von Julie noch nie heruntergefallen? Und was glaubst du, wie oft ich schon die Welt von unten erkunden durfte." Ich warf ihr ein aufmunterndes Lächeln zu.

"Doch schon", meinte ich schüchtern, "aber da war das etwas Andres. Das kam nicht so plötzlich." Ängstlich griff ich nach Sams freier Hand.

Ich versuchte nun auch Jacqueline aufzumuntern. "Komm schon Jacqueline, steig ncohmal auf und zeig Oda, dass du gerne slebst bestimmst, wann du absteigst", meinte ich lächelnd

"Ein Pferd kann sich immer mal wieder plötzlich und je nach Gelassenheit erschrecken, darauf musst du dich einstellen", meinte ich. "Und jetzt komm und steig wieder auf. Wenn du schon nicht mir glaubst, dann wenigstens deinem Freund." Streng guckte ich das Mädchen an und reichte ihr erneut die Zügel. "Und nicht wieder fallen lassen", kommentierte ich warnend.

Ich verstand Sam nicht und ließ ihn los. Ich fühlte mich einsam und unverstanden. Ängstlich griff ich die Zügel und hielt mich am Vorderzwiesel fest. Ich stand bereit zum Aufsteigen.

Ich lächelte Jacqueline zu und machte mich dann selbst wieder auf mein Pferd

"Gut, dann wäre das also auch geklärt", stellte ich fest. "Alle wieder aufsteigen und weiterreiten. Viel Zeit bleibt uns sowieso nicht mehr." Ich begab mich wieder in die Mitte der Reithalle, um alles gut im Blick zu haben.

Ich sah Sams Lächeln nur am Rande. Ängstlich stieg ich auf mein Mördervieh und klammerte mich mit den Knien fest, worauf die Stute steif antrat.

Ich blickte nochmal zu Jacqueline und begann dann im Schritt wieder mit Gizella

"Okay, Jacqueline. Ich hoffe, du hast inzwischen nicht wieder vergessen, was ich dir vorhin so alles gesagt habe. Entspann dich mal ein bisschen", fuhr ich nun wieder ganz in meinem Element mit meiner Reitstunde fort. "Chantal und Leonie, ihr hört auch auf zu reden und konzentriert euch lieber auf eure Pferde."

Die Frau war gut. Entspannen, wenn man weiß, dass man bald einen Genickbruch erleiden könnte! Ängstlich lenkte ich das Pferd auf den Hufschlag.