Höchst motiviert kam ich aus der Theoriestunde mit der elften Klasse. Nun sollte ich der zehnten wieder einmal etwas in Dressur beibringen. Ich ging zum Putzplatz rüber, wo die Pferde schon angebunden warteten. Dies waren Domingo, Wildrose, Virginia, Larissa, Gizella und - Oda. Nein, John hatte keinen Fehler gemacht und unsere bieden Fjordstuen verwechselt. Ich hatte ihn vorher informiert, dass Jacqueline heute auf Oda und nicht auf Julie reiten würde. Kurz strich ich der Stute über den Hals und murmelte ihr zu: "Mach's gut heute und sei lieb mit deiner Reiterin." Schließlich kamen die Schüler des Weges, ich wollte direkt Jacqueline ansprechen.

Ich ging neben Sam her zum Putzplatz. "Dressur nach Sport ist ja der größte Witz überhaupt", murrte ich unmotiviert. Ich hasste das Reiten mit all seinen Fazetten. Sport lag mir da zwar eher, aber ich war ausgepowert. "Scheißtag", fluchte ich, "ich hasse Montage." Wir waren schon ganz nah am Putzplatz. Ich wurde rot, denn gerade kam Frau Chevalier auf uns zu. Ob sie das gehört hatte?

Ich musste leise lachen. "Ach Liebste, dann schläfst du heute Abend wenigstens richtig gut." Ich legte lachend den Arm um sie. Ich freute mich aufs Reiten, aber Jacqueline konnte ich bisher trotzdem noch nicht dafür begeistern. Als ich Frau Chevalier auf uns zukommen sah, wurde ich aber still. Ob etwas mit Gizella war? Ich runzelte die Stirn

"Na, alles gut?", begrüßte ich meine Schüler fröhlich, fixierte dabei aber besonders Jacqueline. Sie schien wohl ziemlich missmuig zu sein, keine gue Voraussetzung für mein Vorhaben. Nun gut, sie hatte meistens keine gute Laune beim Reiten. Warum sie dann auf einem Reitinternat war, hatte ich bis heute nicht verstanden.

(Tja, das ist ihr dunklstes Geheimnis... xD)

Bei Sams Berührung musste ich gleich wieder lächeln und entgegnete die Halbwahrheit: "Ja." Noch, fügte ich in Gedanken hinzu. Da fiel mir auf, dass mein Pferd gar nicht bereit stand. Durfte ich heute etwa aussetzen? Der Gedanke war so schön, dass ich lächeln musste, es aber eigentlich gar nicht zu hoffen wagte.

"Ja, und bei Ihnen?", fragte ich, fügte aber gleich meine andere Sorge hinzu: "Ist etwas mit Gizella?" Ich schielte zu der Stute hinüber.

"Ja natürlich. Ich freue mich schon darauf, euch in der Reitstunde ordentlich zu quälen", antwortete ich Samuel lachend und fügte etwas ernsthafter hinzu: "Gizella geht's blendend, sie ist fit wie eh und je. Ihr könnt auch schon mal anfangen, eure Pferde fertig zu machen. Jacqueline, wie du vielleicht eben gemerkt hast, wirst du heute Oda reiten. Ich weiß, du bist bisher nur Julie geritten und es wird eine ziemliche Umstellung für dich sein, aber das machst du schon. Oda ist zwar ganz anders als Julie, aber mindesens genauso brav." Zuversichtlich blickte ich in die Runde.

Erschrocken blickte ich meine Reitlehrerin an. Ich hatte doch so gehofft, dass ich nicht reiten musste. "Okay", stotterte ich. Ich verstand nicht, was Frau Chevalier mit anders meinte, also lächelte ich Sam noch einmal an, bevor ich zu der Stute ging. Ich kannte sie ja vom Sommer her. Ob Frau Chevalier es mir übel nahm, dass ich sie nie geritten bin? Ich verstand nicht, wie Sam mit dieser Frau so einen Spaß haben konnte.

Ich grinste kurz zurück. Als Jacqueline losging, ging auch ich den Rest zum Putzplatz. "Na Herzensdame?", begrüßte ich Gizella kurz. Dann machte ich mich auf den Weg in die Sattelkammer, um die Putzsachen zu holen. Dabei sah ich mich nach Jacqueline um

Ich warf dem Mädchen einen aufmunternden Blick zu. Man merkte es ihr an, dass sie damit nicht gerechnet hatte. Ich war jedenfalls gespannt, wie die Stunde heute laufen würde. Ich wollte mir diesmal besonders Zeit für Jacqueline nehmen und die anderen mehr frei reiten lassen. Ihre Mischüler waren schließlich schon alle viel weiter als sie. Da waren die beiden Ehrgeizigen - Leonie und Monique, die bemühte Mandy und auch Chantal und Samuel machten große Fortschritte.

Was der Blick von Frau Chevalier wohl sagen sollte? Ich folgte Sam schnell in die Sattelkammer, um ihm zuzuflüstern: "Was meinte Frau Chevalier mit anders?" Ich hoffte, dass Sam die Zeit blieb, mir zu antworten.

"Ich weiß nicht, cih kenne Oda ja nicht. Vielleicht ist die fauler", meinte ich. beim Gedanken an Julie fügte ich hinzu. "Oder weniger faul" Ich hoffte Frau Chevalier wusste was sie tat und Jacqueline kam mit Oda klar

Ich blieb erstmal alleine mit den Pferden zurück, als die Schüler im Stall verschwanden. Ich beobachtete sie etwas, alle schienen zufrieden und gesund zu sein. An Oda blieb mein Blick etwas länger hängen. Hoffentlich wusste Jacqueline ihre Chance zu nutzen, mehr Erfahrung sammeln zu dürfen. Eigentlich müsste sie sich ja darüber freuen, auch mal andere Pferde kennen zu lernen.

Als ich bemerkte, dass uns Frau Chevalier nicht gefolgt war, lächelte ich Sam an und bedankte mich bei ihm. Dazu gab ich ihm noch einen Kuss auf die Wange. Ich musste daran denken, wie oft Sam mir schon versucht hatte zu erklären, dass nicht alle Pferde gleich waren.

Ich zog das Mädchen nochmal lachend an mich und küsste sie. Dann meinte ich: "So jetzt aber hurtig, sonst schimpft Frau Chevalier noch." Dann machte ich mich wieder auf den Weg zu Gizella

Meine Schützlinge kehren zurück und ich fing ein paar verwunderte Blicke auf. Die fragten sich wahrscheinlich, weshalb Jacqueline diesmal ein anderes Pferd reiten durfte. Ich hatte mir schon längere Zeit über Gedanken darüber gemacht, ob ich nicht alle Schüler mal für die eine oder andere Reitstunde auf andere Pferde setzen sollte. Der Zeitpunkt war ideal, mein Vorhaben jetzt offen auszusprechen. "Übrigens", fing ich also an. "Ich finde, ihr alle solltet auch demnächst mal die Gelegenheit haben, ein anderes Pferd auszuprobieren. Dadurch lernt ihr, mit den verschiedenen Eigenheiten der Vierbeiner auszukommen und könnt einiges an neuer Erfahrung dazugewinnen."

"Jaja, du vorbildlicher Schüler", gab ich lachend zurück, folgte meinem Freund aber. Sofort wurde ich wieder ernst, als ich bei meinem Pferd angekommen war. Und ich war wohl das Versuchskaninchen für Frau Chevaliers Vorhaben? Na super! Dieses Pferd hier war wenigstens nicht so groß wie so manch anderes Riesenross.

"Oh nein Frau Chevalier", meinte ich gespielt dramatisch, "dann müssen Sie sich aber um Gizellas gebrochenes Herz kümmern." Ich lachte und begann damit meine Stute zu striegeln. Ich sah immer wieder zu Jacqueline, um ihr notfalls helfen zu können

Gut gelaunt ging ich auf Samuel ein. "Ich werde mich bemühen", gab ich lachend zurück. "Aber vielleicht freut sie sich einfach nur, wenn sie dich nicht ständig umhertragen muss." Trotzdem ich mich mit Samuel unterhielt, behielt ich den Rest im Auge. Vor allem interessierte es mich natürlich, ob Jacqueline zurecht kam.

Ich ging konzentriert an die Arbeit, sodass ich Sams Blicke gar nicht merkte. Bei den Pferden war ich in letzter Zeit immer besonders aufmerksam, um ja schnell genug auf die Seite zu springen können, falls mal eines ausschlug oder biss. Mein Pferd stand allerdings derzeit noch ganz ruhig da und ich putzte es. Die Stute war sowieso fast sauber.

"Pfft, Frau Chevalier behauptet du trägst mich nicht gern rum", meinte ich zu meiner Stute. Bald griff ich zur Kardätsche. Das Putzen ging heute eigentlich bei allen recht schnell von der Hand. Die Pferde wollten sich wohl heute alle nicht im Dreck wälzen

Ich lachte Sam noch einmal kurz an, bevor ich zu Oda und Jacqueline ging. Die standen ja direkt neben Gizella und Samuel. "Na, kommst du klar?", erkundigte ich mich freundlich bei dem Mädchen.

Ich zuckte leicht erschrocken zusammen. Seit wann war Frau Chevalier so freundlich? Lag es etwa am Pferd? Dann sollte sie mir immer das hier geben. "Ich denke schon", meinte ich etwas unsicher, putzte aber weiter, da ich doch noch auf eine Streicheleinheit von Sam hoffte, bevor es ans eigentliche Reiten ging.

Gizella genoss wie immer die Putzeinheit. Dadurch kam cih recht schnell voran. Bald schon griff ich zum Hufkratzer. Dennoch blickte ich immer wieder zu Jacqueline, ob sie Hilfe benötigte

"Das ist gut", sagte ich daraufhin zu der Schülerin. Sie putzte Oda auch wirklich ziemlich routiniert, es ging ihr wohl schon recht leicht von der Hand. Ich sah also ganz positiv auf die kommende Reitstunde. Natürlich erwartete ich nicht, dass es perfekt werden würde, eher im Gegenteil. Aber wenigstens schien sich Jacqueline Mühe zu geben, das war erstmal das Wichtigste.