"Sicher nicht, sonst würden Clément und ich nicht zusammen sein", meinte ich, während ich Kardätsche und Striegel zur Seite legte. Ich griff nach dem Hufkratzer. "Aber dadurch, dass wir unterschiedliche Hobbys haben, müssen wir unsere Zeit sehr gut einteilen, sonst würden wir ja nur nebeneinander her leben", fuhr ich fort

"Das stimmt", nickte ich, "Und bei gleichen Hobbys lebst du nebeneinander her und merkst es nicht mal." Anja begann, am Strick zu kauen, ich nahm ihn ihr energisch wegg.

Ich hielt in meiner Arbeit inne. Den ersten Huf hatte ich gerade ausgekratzt. Kurz blickte ich mich um, ob jemand in der Nähe war, aber alles war ruhig. "Ist bei euch alles in Ordnung?", fragte ich nun doch besorgt. Ich sprach leise, das ganze gehörte schließlich nicht in alle Ohren.

"Wir haben uns getrennt", erzählte ich frei heraus. Erstens war um diese Uhrzeit kaum jemand hier und zweitens ist es kein Verbrechen, sich zu trennen, "Also habe ich diese Probleme nicht mehr." Ich lächelte leicht. Ganz kalt ließ mich die Trennung schließlich auch nicht, ich mag John schließlich.

"Oh", meinte ich zunächst etwas sprachlos. Schließlich fasste ich mich: "Das tut mir sehr leid. Und ich schwärme dir auch noch von Clément vor. Wie geht es dir damit?" Ich machte nun mit Pfeffers Hufen weiter.

"Naja", erklärte ich unbestimmt, "Das passte eben nicht. John hat sich doch öfter beschwert, dass ich zu wenig Zeit für ihn habe." Ich hatte es Jaline gegenüber einmal nebenbei erwähnt, weil ich dem selbst keine allzu große Bedeutung beigemessen habe.

Schweigend machte ich die Hufe fertig und dachte nach. "Ich kann das nicht so ganz verstehen. Ich mein ihm war doch klar, dass du hier viel arbeiten musst. Und in der Frezeit konntet ihr doch gemeinsam bei den Pferden sein", dachte ich laut.

"Wir arbeiten viel gemeinsam", erklärte ich, "aber das ist bei Arbeitskollegen ja üblich. Und außerhalb der gemeinsamen Arbeit habe ich Pferde weitergebildet." Ich strahlte: "Nikita geht eine saubere M-Dressur und mit Lotte und der Kutsche war ich selbst jetzt schon öfter im Gelände. Neulich waren John und Michael mit ihr draußen und es gab keine Probleme. Und dann war da noch Julie. Die könnte glatt erfolgreich in einer E-Military starten. Ich sag's dir, Jaline, bombensicher das Pferd. Die springt die gruseligsten Hindernisse und erschrickt vor keinem bunten Ding. Ein paar ihre Stallgenossen können sich von ihr eine Scheibe abschneiden. Zum Beispiel Alex, der entspricht jedem Vorurteil, das du über einen Araber haben kannst. Springt fast jede Höhe, aber sicher nicht, wenn ein gefährlicher Blumentopf davor steht. Alex' neuer Pfleger, ein Neuntklässler, macht das mit ihm aber hervorragend. Ich hatte beim Jubiläumsturnier ja nicht so viel Glück mit Alex."

Ich lachte: "Du hast vermutlich doch zu viel Arbeit im Kopf"

"Das waren jetzt ja nur ein paar Pferde", entgegnete ich, "Ich bin aber froh, dass ich den Bürokram nicht übernehmen muss. Der liegt mir wirklich nicht. Samstag- und Sonntagvormittage sind vorerst aber auch mal verplant. Wir haben nämlich eine neue Schülerin, die erst hier mit dem Reiten angefangen hat. Ich verstehe die Eltern nicht, die ihre Kinder hier das erste Mal auf ein Pferd loslassen. Wer weiß schon, ob denen das überhaupt Spaß macht?" Jetzt musste ich noch die Hufe auskratzen.

"Jacqui hat mir glaube ich von ihr erzählt", überlegte ich, "Macht es ihr wenigstens Spaß?" Ich war bereits fertig, wartete aber noch auf Anna

"Klar", meinte ich energisch, "Mir macht der Reitunterricht immer Spaß." Ich grinste: "Zumindest fast immer. Ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich Anjas Mähne nicht hundertprozentig hinbekomme, dann können wir nämlich los." Ich ging in die Sattelkammer, um das Sattelzeug von Anja zu holen.

"Ich meinte eher, ob es der Reitschülerin Spaß macht", meinte ich grinsend, während zur zur Sattelkammer liefen

"So etwas fällt wohl unters Berufsgeheimnis", gab ich lächelnd zur Antwort, "aber du kennst Jacqueline ja ziemlich gut und das von Anfang an, oder?" Ich griff mir Anjas Sattelzeug. "An diese ordentliche Sattelkammer werde ich mich nie gewöhnen", lachte ich.

Ich nahm Pfeffers Sachen, außerdem lud ich mir noch meine restlichen Sachen auf. Ich nickte: "Ja Jacqui kenne ich nun schon ziemlich lange"

"Dann weißt du ja wahrscheinlich, wie es für sie am Anfang war", entgegnete ich seufzend, "Von früher bin ich mir gewohnt, dass nur die Leute zu einer Reitstunde kommen, die mich als Reitlehrerin mögen. Hier am Internat bin ich eben auch verhasste Lehrerin." Ich musste ein wenig lachen. Ich folgte Jaline nach draußen und sattelte und zäumte Anja auf. Dann zog ich mir Helm und Handschuhe an. "Es kann losgehen, oder?", wollte ich mit Blick zu Jaline wissen.

Ich war wtas langsamer als Anna. Pfeffer war wieder erwacht, als ich mit dem Sattelzeug kam und spitze aufmerksam die Ohren. Ich nickte. "Wir sind so weit", bestätigte ich. Ich führte Pfeffer vom Putzplatz. "Anfangs war es mit Jacqui echt schwierig", meinte ich, "Aber inzwischen ist auch sie den Pferden verfallen. Zumindest Julie!" Ich lächelte.

Als wir vom Hof gingen, legte Anja gleich ein ordentliches Tempo vor. Ich bremste sie ein wenig. "Fast alle Schüler lieben ihr Pflegepferd", erklärte ich, "Warst du schon mal an einem letzten Schultag im Stall?"

Ich seufzte etwas traurig: "Ich erinnere mich vor allem an meinen eigenen letzten Schultag." Pfeffer ging war etwas zügig, aber da Anja doch etwas größer war als er, konnten wir so gut Schritt halten.

"Aber nur wenige kommen auf die Idee, ihr Pferd zu kaufen", meinte ich, "Zumindest habe ich es nur zweimal mitbekommen, aber das wüsste ich, wenn mehrere Leute ihr Pferd kaufen wollen würden."

"Nun ich denke, dass auch nicht jeder ein Pferd möchte. Man lernt hier ja auch, dass es schon ordentlich viel Arbeit ist", sagte ich.

"Das ist wohl der Segen", entgegnete ich, "Viele fangen mit einem Studium in der Ferne an und das wissen vermutlich alle, dass kein Pferd vom Hof gehen wird, aber das wurde ich schon ein paar Mal gefragt. Also ob man sein Pflegepferd kaufen und mitnehmen darf."

Ich lachte: "Wobei wenn man den Gerüchten im Stall so glaubt, dann denken wohl viele Schüler auch, dass es gar nicht möglich ist Herrn Meier dazu zu überreden, ein Pferd zu verkaufen. Außer man ist die Herr-Meier-Flüsterin"

"Er verkauft seine Pferde sicher nicht reihenweise", entgegnete ich, "Das wissen die Schüler und das schürt solche Gerüchte." Ich lachte: "Aber apropos Gerüchte: Ich kenne keinen Stall, in denen es so viele davon gibt wie hier am Reitinternat."

"Das ist wahr", meinte ich lachend, "Wobei es vermutlich normal ist, wenn man wirklich jeden Tag hier ist. Man kann kaum ein Geheimnis für sich behalten, das meiste kommt irgendwann zum Vorschein"