Ich erfreute mich an der herrlich warmen Herbstsonne, als ich aus dem Auto stieg. Der Tag lud gerade zu zu einem schönen gemütlichen Ausritt, wie ich ihn geplant hatte, ein. Nachdem ich meine Schuhe gegen die Reitstiefel gewechselt hatte, holte ich Pfeffers Halfter aus dem Stall. Fröhlich lief ich damit zur Wallachkoppel, wo mein Pony schon auf mich wartete. Nach dem Mittagessen wollten wohl viele Schüler den freien Sonntagnachmittag nutzen und mit ihren Pflegepferden Zeit verbringen. Nach dem aufhalftern bekam der Fuchs wie üblich seine Möhre von mir, die er stupsend einforderte. Dann führte ich das Pony zum Putzplatz, der sich inzwischen schon wieder geleert hatte. Direkt nach dem Mittagessen war er nämlich meist rappelvoll. Ich band Pfeffer an und holte sienen Putzkasten.

Ich hatte mal wieder getrödelt und war einer der Letzten, die den Speisesaal verließen. Doch um die anderen kümmerte ich mich nicht, ich hatte noch immer kaum etwas mit denen aus meiner Klasse zu tun. Es war auch neu, dass ich am Wochenende überhaupt hier war. Bis jetzt war ich immer zu meinen Eltern gefahren, war ja nicht weit. Kürzlich hatte ich jedoch die Erlaubnis von der Reitlehrerin bekommen, auch ins Gelände reiten zu dürfen. Ich war neugierig darauf, die Gegend hier zu erkunden, die kannte ich nämlich noch gar nicht. Der heutige Tag eignete sich wunderbar dafür einen Ausritt zu starten, also machte ich mich gleich auf den Weg zur Weide, um dort Sunshine abzuholen. Mit der Stute hatte ich mich ganz gut zusammengerauft in der kurzen Zeit, sie stellte sich im Umgang total unkompliziert heraus. Ich sammelte Sunshine also ein und steuerte den Putzplatz an, wo ich sie festmachte. Ich war stark in Gedanken versunken, denn ich überlegte mir, wohin ich den überhaupt reiten sollte, wo ich doch keine Ahnung vom Gelände hatte.

"Hallo", begrüßte ich den Neuankömmling fröhlich, da ich gerade wieder auf den Putzplatz kam. Ich kannte den Jungen nur grob vom Sehen, er war erst dieses Jahr aufs Internat gekommen. Irgendwann hatte man schließlich jeden auf dem Internat mal gesehen. Seine Pflegestute war Sunshine, die ich vor zwei Jahren beim Caprilli geritten war. Ich trat zu meinem Pony, das den Kopf neugierig zu Sunshine reckte. "Na gefällt sie dir, Pfeffer?", fragte ich lachend und stellte den Putzkasten ab.

Verwirrt sah ich auf. Ich war doch tatsächlich ein Weilchen bei meinem Pferd stehen geblieben, ohne weiter zu handeln. "Äh, hallo", grüßte ich nicht besonders geistreich, sammelte mich aber schnell wieder. Nun sah ich mir die Person, die mich angesprochen hatte, genauer an. Möglicherweise hatte ich die junge Frau hier schon einaml gesehen, aber kennen tat ich sie nicht. Sollte ich das etwa? Lehrerin war sie in diesem Laden definitiv nicht, das müsste ich eigentlich wissen. Aber für eine Schülerin erschien sie mir dann doch etwas zu alt. Sie musste mindestens zwanzig sein. So ratterten meine Gedanken dahin, bis ich endlich auf die Idee kam, sie einfach zu fragen. Ich wandte mich ihr also richtig zu und wollte wissen: "Wer sind Sie denn?" Möglicherweise etwas sehr direkt, aber nicht unfreundlich.

Für das Sie fühlte ich mich nun doch etwas zu jung. Ich musste etwas schmunzeln. "Ich bin Jaline", stellte ich mich dann lächelnd vor, "Und du?" Pfeffer schubberte nun seinen Kopf an mir. "Und das ist Pfeffer, mein Pony", fügte ich plaudernd dazu, "Und du bist also der neue Pfleger von Sunshine? Ich bin sie vor zwei Jahren mal bei einem Turnier geritten. Beim Caprilli. Tolle Stute, auch wenn wir nicht so gut miteinander klar kamen." Ich öffnete nun den Putzkasten und griff nach dem Striegel, um mir der Arbeit zu beginnen.

Also doch eine Schülerin. 12. Klasse, schätzte ich. Irgendwie textete sie mich ganz schön zu, darauf hatte ich gar keine große Lust. "Ich bin Richard, 9. Klasse", stellte ich mich dennoch vor. Mehr Konversation wollte ich vorerst nicht betreiben. Als diese Jaline mit dem Putzen begann, fiel mir erst auf, dass ich hier die ganze Zeit blöd rumstand. "Ich hol mal mein Putzzeug", erklärte ich schulterzuckend und verschwand um die Ecke.

(Bin dann mal weg. Morgen habe ich auch nicht so lange Schule, dann kann ich früher online kommen.)

Ich striegelte Pfeffer nun schweigend, als Richard verschwand. Ich arbeitete ordentlich, aber halbwegs zügig, schließlich hatte ich vor, heute zum Strand zu reiten.

Schnell schnappte ich mir den Putzkasten und machte mich auf den Weg zurück zum Putzplatz. Dabei fiel mir ein, dass mir die Reitlehrerin noch gesagt hatte, dass ich gar nicht alleine ausreiten dürfe. Nur in Begleitung von anderen Schülern oder Lehrern. "Blöde Vorschrift!", murmelte ich vor mich hin. Ich war früher zwar auch nie alleine ausgeritten, aber hier kannte ich absolut niemanden, mit dem ich gerne ausreiten würde. Aber deswegen am Hof bleiben wollte ich eigentlich auch nicht. Schwungvoll stellte ich das Putzzeug neben Sunshine ab und griff nach dem Striegel. "Was hast du heute vor?", fragte ich in die Richtung des Mädchens von vorhin. Sie wäre meine einzige Chance, doch noch zu einem Ausritt zu kommen. Obwohl ich mich dann wohl die ganze Zeit zuquatschen lassen müsste.

Ich war gerade mit Pfeffer und dem Striegel beschäftigt, als die Frage kam. Ich hielt nun in der Arbeit inne, was mich dazu brachte, dass es nun sowieso Zeit für die Kardätsche wurde. "Wir werden heute zum Strand reiten. Nach der arbeitsreichen Woche tut uns ein gemütlicher Ausritt ganz gut", antwortete ich lächelnd. Ich griff in den Putzkasten, um die gewünschte Bürste zu holen. "Warst du schon mal am Strand?", fragte ich.

Ich setzte nun ebenfalls ein freundliches Lächeln auf, schließlich verfolgte ich ein Ziel. "Hier war ich noch nicht am Stand, ich kenne mich in der Gegend nicht besonders aus", erzählte ich. "Aber ich wohne auf Korsika und war schon auf anderen Stränden auf der Insel. Kann man denn hier direkt zum Strand reiten?" Auf meinem alten Reiternhof war das nicht möglich gewesen. Dort hatten die Touristen immer Vorrang gehabt, Reiter waren eigentlich nie gerne gesehen gewesen. Während ich sprach, fing ich an, mich um Sunshines goldenes Fell zu kümmern. An einem so schönen Tag wie heute war es nicht sehr verdreckt und ich kam gut vorwärts.

"Das Internat hat sogar einen eigenen Strandabschnitt", begann ich zu erzählen, während ich nun Pfeffers Fell bürstete. Der Wallach döste nun entspannt. "Wir gehen sogar manchmal ins Wasser. Am See dürfen die Pferde übrigens auch schwimmen gehen, zumindest im markierten Abschnitt", plauderte ich munter weiter, "Am See ist man auch deutlich schneller. Der Strand ist nur etwas, wenn man genug Zeit mitbringt."

(Bin dann heute Abend ab jetzt leider unterwegs)

"Das klingt ja richtig cool", musste ich dann doch eingestehen, ich war nämlich wirklich begeistert. Wenigstens wusste ich jetzt, wie ich meine Zeit hier verbringen konnte. Das Ausreitgelände voll und ganz auskosten. "Ich wollte heute eigentlich auch ausreiten, aber alleine darf ich nicht. Würdest du mich vielleicht mitnehmen? Du kennst dich hier ja scheinbar super aus ..."

Ich zögerte nun kurz, als der Junge die Bitte an mich richtete. Nicht, dass es mich stören würde, in Gesellschaft auszureiten, aber der Junge war dadurch gezwungen bei mir zu bleiben, was es immer schwer machte, sollten wir uns aus irgendwelchen Gründen nicht verstehen. Ich rief mir kurz den Namen ins Gedächtnis. Als Richard hatte er sich vorgestellt. Ich seufzte kurz, weil meine gesellige Ader sowieso schon lange entschieden hatte, außerdem wäre der Arme ansonsten dazu verbannt, heir zu bleiben, was an diesem herrlichen Tag wirklich schade wäre. Ich lächelte ihn an: "Klar, komm mit! Wenn du kein Problem mit ausgedehnteren Trabstrecken hast, können wir auf dem Rückweg noch einen Abstecher zum See machen, dann hast du ihn gesehen und zeitlich geht sich das problemlos mit dem Abendessen aus. Da solltest du nämlich pünktlich sein!" Ich grinste nun. "Aber das hast du sicherlich sowieso schon rausgefunden", fügte ich an.

Ich wusste nicht, ob ich nach dieser Antwort erleichtert sein sollte. Natürlich freute ich mich einerseits, endlich mal mit meinem Pferd rauszukommen. Andererseits hatte ich keine große Lust, mich mit ihr jetzt ständig zu unterhalten. Ich könnte den Ausritt nutzen, um sie etwas über das Internat auszufragen, überlegte ich mir. Immerhin kam ich kaum dazu, wo ich doch mit meinen Mitschülern kaum Kontakt hatte. "Sehr nett von dir", antwortete ich also, während ich weiter an Sunshines Fell herumputzte. "Ausgedehnte Ausritte machen uns nichts aus." Ich deutete auf meine Quarter Stute. Schließlich fügte ich hinzu: "Das mit dem Pünktlichsein habe ich schon rausgefunden, ja. Gab schon mal mächtig Ärger deswegen. Und alles nur wegen ein paar Minuten." Tatsächlich bemühte ich mich, hier nicht großartig aufzufallen, aber es konnte schon mal passieren, dass ich vollkommen die Zeit vergaß.

"Man ist erst richtig hier angekommen, wenn man die Hausordnung einmal wegen Zuspätkommens abgeschrieben hat", meinte ich lachend. Ich war da ja immer noch ganz gut drumrum gekommen, allerdings war ich auch nicht von der 9. Klasse an im Internat. Andere Leute aus meiner Klasse oder auch Jacqueline, mussten die Hausordnung ja etliche Male abschreiben. "Reitest du schon lange?", fragte ich neugierig, während ich nun die Seite wechselte.

Ich zuckte mich den Schultern. Obwohl ich die Hausordnung auch schon mal abschreiben musste, konnte ich nicht behaupten, hier schon richtig angekommen zu sein. Den einzigen Bezug am Internat hatte ich zu Sunshine, die auch jetzt ruhig vor sich hindöste und meine Putzaktion genoss. Nur ihr Schweif pendelte heftig hin und her, um ein paar lästige Fliegen zu vertreiben. Das schöne Wetter hatte die Quälgeister doch noch mal aus ihren Ecken hervorgelockt. "Ja, schon einige Jahre", antwortete ich brav auf ihre Frage bezüglich des Reitens. "Mein Reitstall ist nicht weit von hier, ich komme nämlich von Korsika." Ich ließ extra das Wörtchen "ehemaliger" weg.

"Korsika ist traumhaft", schwärmte ich, "Ich bin wirklich froh, nun in Porto zu wohnen. Sind jetzt auch schon über zweieinhalb Jahre." Ich hatte Pfeffers Fell nun fertig geputzt und widmete mich nun den Hufen. Ich warf einen Blick in Richtung Richard, um mich dem Tempo anzupassen.

Ich war verwirrt und hielt in der Putzbewegung inne. Warum wohnte sie nicht im Internat, wie alle anderen Schüler auch? Auf die Gefahr hin, mich vollkommen zu blamieren, fragte ich zögernd: "Du wohnst nicht hier am Internat?"

Ich lachte und kratzte den ersten Huf aus. "Nein, das fehlt ja gerade noch, dass Herr Meier mir ein Zimmer hier anbietet", meinte ich amüsiert, "Ich habe 2013 meinen Abschluss hier gemacht. Ein halbes Jahr später hat Herr Meier mir Pfeffer verkauft, der mein ehemaliges Pflegepony war. Pfeffer durfte hier im Stall bleiben, ich bin aber nach Porto gezogen." Während ich erzählte kratzte ich Pfeffers Hufe aus.

Meine Überraschung war mir deutlich anzumerken, aber ich beschloss, das Ganze von der lustigen Seite zu nehmen. "Achso, und ich dachte, du wärst auch Schülerin hier", meinte ich grinsend. Es war ja das Naheliegendste gewesen. Nun nahm ich meine Arbeit wieder auf und begann ebenfalls mit dem Hufeauskratzen. Dazu musste ich erstmal Sunshine aufwecken, damit sie ihre Beine anhob. Doch die Stute war gut erzogen und machte mir keine Schwierigkeiten. "Und wie ist es so, als Ehemalige hier rumzulaufen?", fragte ich schließlich nach. Irgendwie konnte ich mir das nicht so gut vorstellen.

Ich kümmerte mich nun noch um Pfeffers Mähne, aus der ich Strohhalme zupfte. Zudem ordnete ich sie etwas. Mit meiner Antwort ließ ich mir etwas Zeit, denn ich musste nachdenken. "Manchmal ist es schon komisch, seinen ehemaligen Lehrern so oft zu begegnen. Aber andererseits ist der Hof hier echt schön, das Ausreitgelände wirklich top und Pfeffer musste sich nicht in eine Herde eingliedern. Außerdem kann ich ja immer fahren, wenn es mir zu viel wird", sprach ich schließlich. Beim letzten Satz musste ich schließlich auch noch etwas grinsen.

"Hm, schon irgendwie nachvollziehbar, dass du mit deinem Pony hiergeblieben bist", gestand ich ein. "Du musst ja mit den anderen auch nichts mehr zu tun haben, wenn du nicht willst und kannst tun und lassen, was du möchtest." Diese Freiheiten hätte ich auch gerne. Kein Pünktlichsein mehr und Ausritte, wann immer ich wollte. Etwas abweisend kümmerte ich mich weiter um die Hufe meiner Stute.

"Das schönste ist", scherzte ich nun, "Vormittags unter der Woche sind alle im Klassenzimmer. Ich habe also entweder eine freie Reithalle oder einen freien Platz." Nachdem auch noch aus dem Schweif die letzten Halme gezupft waren, schloss ich den Putzkasten. "Brauchst du noch lange?", fragte ich und wandte mich zur Sattelkammer.

"So viel Platz hätte ich auch gerne mal", seufzte ich und dachte daran, wie überfüllt die Halle oft war. Oder sie war wegen des Reitunterrichts komplett besetzt. "Mit Sunshine bin ich gleich fertig, nur noch Mähne und Schweif", beeilte ich mich hinzuzufügen und fing rasch an, mich ums Langhaar zu kümmern. Aufhalten wollte ich Jaline nun auch wieder nicht, eigentlich schien sie ganz nett zu sein.

(Muss jetzt weg.)

Ich ging nun zunächst zur Sattelkammer, bevor ich antwortete. Dort räumte ich den Putzkasten ordentlich auf und lud mir sowohl meine Sachen als auch Pfeffers auf. Das war immer ein Balanceakt, weshalb ich nun schwer beladen langsam zum Putzplatz zurücklief. Dort angekommen, lud ich langsam alles ab und meinte nebenbei: "Ja, es ist sehr angenehm, wenn man so viel Platz zum Arbeiten hat. Und auch die Ruhe ist gut für Pfeffers und meien Konzentration."