Ich lächelte: "Gibt es hier viele Jungs?" Ich interessierte mich zwar nicht so sehr dafür, aber meistens konnte man damit immer gut von sich selbst ablenken. Wobei Jacqueline schon merkwürdig war. Bisher hatte sie weder nach der Herkunft meines Namens gefragt, noch nach keiner Herkunft. Und sie hatte mich auch noch nicht ausgelacht. Ich trank einen Schluck. Verwirrt

"Es geht so", meinte ich, "Dafür, dass wir ein Reitinternat sind, gibt es viele, glaube ich. Bis jetzt drei. Sam, Viktor und Simon. Viktor glaubt, dass er der größte ist." Ich lachte. "Dabei überragst du ihn zumindest bei der Körpergröße um einiges und dann gibt es noch Simon. Eigentlich ganz ein netter, ein Streber ist er, aber er nervt wenigstens nicht."

Ich lächelte verlegen. "Ist er wirklich kleienr als ich?", fragte ich erstaunt

"Ich denke schon", lachte ich, "allerdings habe ich auch noch nicht nachgemessen. Und? Was machst du sonst so? In deiner Freizeit."

"Ich lese viel. Und ich bin gerne in der Natur. Und früher hab ich Jiu Jitsu gemacht", erzählte ich, "Und du?"

"Ich lese auch gerne", meinte ich begeistert, "Unsere Schulbibliothek ist da echt toll. Und spazieren gehe ich auch gerne. Mit meinem Pflegepferd. In der Nähe gibt es einen total schönen See, den kann ich dir mal zeigen. Sonst gehe ich noch gerne skaten oder auch mal shoppen in die Stadt."

"Den See würde ich gerne sehen", lächelte ich schüchtern, "Wäre schön, wenn du ihn mir zeigen würdest"

"Klar, die Ferien dauern ja noch", entgegnete ich. Ich dachte nach und fragte dann ungeschickt: "Was ist das Jizu-Dings?"

"Japanische Kampfkunst", erzählte ich nun begeistert, "Ich habe irgendwann beschlossen, dass es gut ist, sich selbst verteidigen zu können und dann hab ich das gelernt"

"Sich selbst verteidigen macht sicher Sinn", meinte ich, "Vor allem, wenn man mit Pferden zu tun hat. Also, stell dir mal vor, so ein Pferd attackiert dich." >Ich wurde rot. Auf einem Reitinternat war es wohl ein Fettnäpfchen, Angst vor den großen Tieren zu haben. "Also, ich meine...", stotterte ich, "auch so generell."

"Pferde attackieren Menschen?", fragte ich nun schon etwas ängstlich, "In den Pferdebüchern stand davon nie etwas"

"Stimmt, das steht nie in den Pferdebüchern", gab ich zu, "Also, ich hab auch schon einige davon gelesen. Pferde sind ja Fluchttiere, die rennen wohl eher weg, aber man weiß ja nie. Wenn sie zum Beispiel in der Box stehen, können sie ja nicht wegrennen."

Ich nickte nun. "Ich hoffe, mir passiert nichts. Aber ich denke mit Jiu Jitsu kann ich gegen mein großes Pferd auch nichts ausrichten", meinte ich nun. Jetzt hatte ich Angst vor den Pferden

"Stimmt, wahrscheinlich nicht mal gegen ein kleines", entgegnete ich, "Wobei, ich muss sagen, ich bin schon fast zwei Jahre hier und fast täglich beim Pferd und mir ist noch nie was Ernsthaftes passiert. Runterfallen ist schrecklich, deswegen gehe ich auch lieber spazieren. Da kann ich notfalls den Strick loslassen, bevor mir was passiert."

"Vielleicht sind die Pferde hier ja brav?", fragte ich überlegend. Ich entspannte mich langsam etwas, blieb aber auf der Hut

"Nicht alle", meinte ich, "aber ich sag dir was." Ich fülte mich etwas sicherer, da Apple-May selbst noch nicht ritt. "Ich hatte oft Probleme damit, wenn ich zugegeben habe, dass ich Angst habe oder unsicher bei den Pferden bin", erzählte ich, "Gerade die Reitlehrerin hat dann oft mit mir geschimpft. Also so richtige Reiter streiten es sicher ab, dass Pferde gefährlich sind. Und der Lieblingssatz ist dann immer: 'Andere Sportarten sind auch gefährlich.'"

Ich nickte und wollte das Thema nun lieber sein lassen, denn es verängstigte mich. Und heute Abend sollte ich diese Reitlehrerin kennen lernen. Vermutlich musste ich dann morgen schon reiten. Komisch wie schnell die erste Freude umschlagen konnte. "Warum bist du in den Ferien hier?", fragte ich dann

"Weil es mir hier gefällt", meinte ich schnell. Thema Familie und zuhause, oder wie man das auch nannte, war für mich Tabu. "Auch wegen Sam", fügte ich dennoch hinzu, "Du bist ja auch schon hier."

"Meine Eltern wollten mir genug Zeit geben, um mich einzugewöhnen", sagte ich, den einstudierten Satz.

Das hörte sich nett an, fand ich. "Wäre für mich vielleicht auch besser gewesen", meinte ich, "Ich bin einen Tag vor Schulbeginn gekommen. War ziemlich mühsam. Vor allem an die Tatsache, in meiner eigentlichen Freizeit ein Pferd zu putzen, habe ich mich lange nicht gewöhnt, aber mittlerweile, du wirst mich vielleicht auslachen, finde ich es ganz schön. Am Anfang dachte ich mir immer, was die alle daran so schön finden, mittlerweile verstehe ich es."

Darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Eigentlich war ich mehr oder weniger damit beschäftigt gewesen, überhaupt hierher zu kommen. Eigentlich tat ich überhaupt nicht so viel in meiner Freizeit. Meistens verkroch ich mich zuhause, dort konnte mich die Presse nicht finden. "Das mit diesem Geschicklichkeitsparcour ...", begann ich nun

"Bodenarbeit sagt man dazu", erklärte ich begeistert und wollte gerade weitersprechen, unterbrach mich aber selber, indem ich von meiner Cola trank. Apple-May wollte sicher etwas fragen.

"Ist das schwer?", fragte ich neugierig.

Ich dachte kurz nach. "Leichter als reiten", erklärte ich, "und es macht viel mehr Spaß. Es geht im Prinzip darum, deinem Pferd beizubringen, gewisse Hindernisse zu umrunden. Den Pferden macht es auch Spaß, glaube ich."

"Lernt man das auch hier?", fragte ich weiter