Ich kam zittrig auf dem Hof an. Meine Fähre hatte Verspätung gehabt, wodurch ich den Bus nicht emhr erwischen konnte, mit dem ich 40 Minuten zu früh gekommen wäre. Nun war ich 20 Minuten zu spät. Ich zog meine beiden Koffer hinter mir her, hatte mir die beiden Reisetaschen rechts und links umgehängt und auf meinem Rücken war ein riesiger Wanderrucksack. Das ganze machte mein Erscheinungsbild noch merkwürdiger. Ich war fast 1,80 groß, sehr ungewöhnlich für mein Alter. Meine Mutter hatte mich in ein graues Kostüm gezwungen, nur das war mir an den Ärmeln deutlich zu kurz und auch der Rock passte nicht. Im Internatsgebäude war das Direktoriat, wo ich melden sollte ausgeschildert. Ängstlich klopfte ich an der Tür, wohl wissend, dass es sicherlich eine Katastrophe war, dass ich zu spät war.

(Na ihre Eltern hätten das ja wohl niemals akzeptiert)

Zittrig öffnete ich die Tür. Auf Englisch begann mit einer Entschuldigung, bevor mir einfiel, dass wir hier in Frankreich waren. Wieder begann ich, dieses Mal in der richtigen Sprache, allerdings fiel es mir schwer und man hörte mir einen deutlichen Akzent an: "Verzeihung, Sir, ..." Meine Stimme schwankte zittrig. Ich senkte den Blick

Als der Rektor aufstand, zuckte ich in der Erwartung einer Ohrfeige zusammen und zitterte noch mehr. "Meine Fähre ... kam ... hatte Verspätung", brachte ich hervor, "Verzeihung Sir. Ich hätte eine frühere Fähre nehmen sollen" Als er mir die Hand hinstreckte, griff ich danach. "Freut mich Sie kennen zu lernen. Mein Name ist Apple-May Melody Summer Winterbottom", stellte ich mich vor. Noch immer hatte ich Angst. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es ohne Konsequenzen blieb. Meine Eltern hätten mir vermutlich 4 Wochen Hausarrest gegeben. Ob der Rektor meine Mutter kannte, die Schauspielerin? Oder meinen Vater den Rugbyspieler bzw inzwischen Trainer? Zuhause war ich bekannt wie ein bunter Hund.

Ich nickte. Meine Eltern würden vermutlich die Krise bekommen, aber die meisten Leute waren dazu übergegangen. "Ja, das ist in Ordnung", fügte ich dann noch hinzu. Als ich die Aufforderung zum Hinsetzen bekam, stellte ich nun auch die beiden Reisetaschen ab und nahm den Rucksatz hinunter. Ich ging zu dem Stuhl, dabei zupfte ich an dem Rock, in dem ich mich absolut unwohl fühlte. Eigentlich wäre ich mit Jeans und T-Shirt zufriedener gewesen.

Ich hatte mit der Sprache Mühe, obwohl ich letztes Schuljahr in Frankreich als Auslandsjahr war. Kurz musste ich überlegen. "Nur, wenn es Ihnen keine Umstände macht. Dann ist ein Wasser ausreichend", brachte ich stockend hervor. Eigentlich durfte ich ältere Menschen nicht darum bitte, mich zu bedienen. Ich versuchte nun die Ärmel länger zu zupfen. Natürlich ein unmögliches Unterfangen. Ob es hier auch eine Schuluniform gab? Gekauft hatte Mutter mir keine.

"Vielen Dank, Sir", bedankte ich mich und hatte Mühe nicht gierig nach dem Glas zu greifen. Das wäre nicht fein. Ich zwang mich nur einen Schluck zu trinken und blickte den Rektor an. Durfte ich ihn überhaupt direkt ansehen?

"Gibt es eine Schuluniform?", fragte ich vorsichtig, "Meine Mutter hatte mir keine gekauft, aber vielleicht bekomme ich sie erst hier" In allen meinen bisherigen Schulen musste ich bisher eine tragen. Pferde. Ich war noch nie geritten. Ob er das wusste? Das Französisch strengte mich an nach der langen Reise, weshalb ich immer häufiger Fehler machte. Ob es normal war, dass die Schüler ohne Eltern hier ankamen? Mir ging vieles durch den Kopf, aber ich traute mich nicht zu fragen.

Ich musste es einfach fragen. "Sir?", begann ich, mit schwankender Stimme, "Welche Strafe bekomme ich?"

"Das ist sehr freundlich von ihnen", fragte ich nun ehrlich überrascht, "Ich werde es nie wieder vorkommen lassen" Wieder zupfte ich an den Ärmeln des Blazers. Er passte einfach nicht. Wie kam Mutter nur darauf, dass ich damit edel wirkte.

"Sie haben es mir extra geholt, ich möchte es nicht stehen lassen", sagte ich dankbar. Ich nahm das Glas und trank es in kleinen Schlucken leer.

"Ich wäre nun fertig", sagte ich, nachdem es leer getrunken war. Ein wenig gespannt war ich nun doch. Ich stand auf.

Auch hier rang ich wieder mit mir. Darum zu bitten war eigentlich unhöflich, aber ich wusste nicht, ob ich es schaffte noch einmal alles zu nehmen. "Ich möchte mich nicht aufdrängen ...", sagte ich deswegen unbestimmt. Meine Hände hielten krampfhaft den Folder fest und ich blickte ein wenig verzweifelt zu all meinen Besitztümern. Vor allem der schwarze Koffer enthielt einige Bücher.