Heute war es endlich soweit, ich würde endlich aufs Reitinternat kommen. Mein Vater nahm sich ausnahmsweise mal Zeit für mich, um mich dorthin zu fahren. Unsere Anreise dauerte nicht lange, schließlich wohnten wir in Ajaccio, der Hauptstadt Korsikas. Porto, wo sich das Reitinternat ganz in der Nähe befand, kannte ich schon flüchtig, eines von Papas Hotel hatte dort ebenfalls seinen Standort. Als Hotelmanager leitete er eine bekannte Hotelkette auf Korsika.
Irgendwie war ich schon ein bisschen aufgeregt, als wir auf dem Internatsgelände ankamen. Neugierig sah ich mich um, es war doch schon einiges los hier. "Hoffentlich sind wir nicht zu spät dran?", fragte ich meinen Papa etwas besorgt. "Nein, Süße, wir haben erst um halb zwei einen Termin beim Rektor", beruhigte er mich. gemeinsam stiegen wir aus und erkundigten uns bei einem vorbeilaufenden Jungen nach dem Rektorzimmer. Er gab uns ausführlich Auskunft, sodass wir den Raum rasch fanden. Mein Papa klopfte energisch an die Tür und wir warteten geduldig ab.

Wir traten ein und standen gleich direkt gegenüber des Rektors, den wir höflich grüßten. "Guten Tag! Paul Fontaine mein Name", sagte mein Papa. Wenigstens ließ er diesmal seine Hotelkette aus dem Spiel, das wäre sonst ein wenig peinlich geworden. Die Fontaine-Kette - bestehend aus einigen 5-Sterne-Hotels - kannte man schließlich sowieso, wenn man einige Zeit hier lebte. "Guten Tag, ich heiße Michelle", stellte ich mich ebenfalls vor.

Wir folgten Herrn Meiers Aufforderung und nahmen Platz. "Ich bin leider etwas in Eile, sonst hätte ich das Angebot gerne angenommen", lehnte mein Vater höflich dankend ab. Ich verneinte ebenfalls, denn ich wollte schnellstmöglich das Internat erkunden und kein Kaffeekränzchen mit meinem zukünftigen Rektor veranstalten. Strahlend blickte ich ihm entgegen.

Jetzt begann also der förmliche Kram. Der Folder interessierte mich erstmal wenig, ich schob ihn gleich meinen Vater zu, der darin blätterte. "Danke, sehr nett von Ihnen", meinte er noch, bevor er sich vollends dem Prospekt widmete. Ich wandte mich lieber Herrn Meier zu: "Pferdezuteilung wäre schon mal ein interessantes Thema für mich. Aber die lernt man schließlich schlecht über ein Heft kennen. Ich möchte mich bei meinem Pflegepferd schon gerne persönlich vorstellen." Weiterhin lächelte ich freundlich.

Sirocco hieß mein zukünftiges Pflegepferd also. Klang ja wie ein heißer Wüstensturm. Das konnte auf jeden Fall noch spannend werden. Der Rektor tat ebenfalls gerade so, als könnte es Probleme geben. "Klar, ich würde gerne alles kennen lernen", stimmte ich begeistert zu. Mein Vater sah vom Folder auf. "Das Gepäck ist noch draußen im Auto", erklärte er. "Das könnte ich dann gleich mit in dein Zimmer nehmen, Michelle. Dein neues Prachtross würde ich aber auch gerne sehen." "Die haben hier aber bestimmt keine Rennpferde, und wenn doch, dann geben sie es sicherlich nicht mir", meinte ich grinsend zu ihm. Mein Papa war öfters auf der Rennbahn zu finden, deshalb sein - wenn auch mäßiges - Interesse an Pferden.

Wir standen auf. Ich hatte kein Interesse an Herrn Meiers Ausführungen, das war doch sowieso nur Blabla. Ich wollte alles kennen lernen und vor allem endlich Sirocco sehen. "So viel Kram hat Michelle nun auch wieder nicht, ich denke, dass schaffen wir zwei ganz gut alleine", antwortete mein Papa lächelnd. "Aber wenn Sie uns ihr Zimmer zeigen könnten, wäre das schon sehr hilfreich." Ich zuckte nur mit den Schultern, ich fand das Ganze ziemlich langweilig.

Schweigend gingen wir zu unserem Auto, wo mein Vater den großen Koffer und ich die kleine Tasche nahmen. Den Folder hatte er im Rektorzimmer liegen lassen, doch daran dachten wir jetzt nicht. Vor allem ich hatte andere Dinge im Kopf. "Werde ich auch Zimmerkolleginnen haben?", fragte ich Herrn Meier neugierig, als wir zurück ins Gebäude gingen.

Oh, ich hätte mir gewünscht, mit Leuten aus meiner Klasse in einem Zimmer zu sein. Doch ich kam nicht mehr dazu, das laut zu sagen, denn der Rektor zeigte uns schon den Aufenthaltsraum. Dort saßen ein paar Schüler, bei denen ich mich gleich vorstellte. Ich wollte später mit ihnen mehr sprechen, wenn Herr Meier mit seinem Rundgang fertig war.

Neugierig betraten wir das Zimmer, ich sah mich erstmal genau um. Meine neuen Mitbewohnerinnen waren leider nicht da, die würde ich wohl erst später kennen lernen. "Schön ist es hier", stellte ich lächelnd fest, mein Papa nickte zustimmend. Wir stellten das Gepäck ab und drehten uns erwartungsvoll zu Herrn Meier um. "Und jetzt Sirocco", sagte ich, natürlich hatte ich den Namen meines neuen Pflegepferdes nicht vergessen.

"Wirklich, darf ich? Dann würde ich das gerne machen", stimmte ich begeistert zu und hoffte, so endlich den Rektor loszuwerden. Mit seiner übertrieben höflichen und korrekten Art nervte er mich schon langsam. Wir verließen also gemeinsam das Zimmer, während mein Vater noch sagte: "So lange kann ich dann aber nicht mehr bleiben. Ich sehe mir dein Pferd an, danach muss ich mich leider verabschieden."

So schlimm klang seine Beschreibung von Sirocco gar nicht, vorhin sprach er davon ja noch etwas anders. "Dann werde ich dafür sorgen, dass wir erstmal nicht zu viel alleine unterwegs sind", meinte ich eifrig und ließ mir Siroccos Box zeigen. Dort schnappte mich mir das sich dort befindete Halfter und schon ging es weiter zu den Weiden. Wir begegneten ein paar Schülern, die mich neugierig beobachteten.

Er sprach oft von der Reitlehrerin, aber wann wurde sie mir endlich vorgestellt? Egal, jetzt war sowieso nur Sirocco wichtig. Voller Vorfreude betrat ich die Koppel, während ich noch meinen Papa im Hintergrund sagen hörte: "Schickes Pferd hast du da abbekommen, mit dem hast du sicherlich viel Spaß. Aber ich bleibe lieber mal draußen." Mit einem kritischen Blick auf seinen Anzug trat er einen Schritt zurück.