Ich sah Apple-May stirnrunzelnd an. "Ich wollte dich nicht verschrecken", meinte ich unsicher, "und du kannst ja auch hier bleiben..."

"Du redest von deinem Freund fast so als wäre er ein Gott oder so", sagte ich schüchtern

"Gott würde ich es nicht nennen", lächelte ich, "aber er ist halt so süß. Und so hübsch. Willst du mal sehen? Ich hab Fotos am Handy."

"Ähm. ...Ich seh ihn doch nachher", wehrte ich ab. Diese Verliebten fand ich etwas suspekt

"Das heißt, du kommst mit?", fragte ich begeistert.

"Ja. Ich wüsste nicht, was ich sonst machen sollte", gab ich leise zu. Außer vielleicht auspacken. Aber dazu schien ich ja noch mehr als genug Zeit zu haben

Mir tat Apple-May leid. Schließlich war ich selbst auch mal den ersten Tag hier am Internat. "Wir mussten alle mal unseren ersten Tag hier überstehen", meinte ich vorsichtig, "Ich fand den ersten Tag doof."

Dachte Jacqueline, dass ich Heimweh hatte? Gott bewahre! Höchstens Sehnsucht nach dem schnuckligen Haus an der Grenze in Schottland, wo ich oft stundenlang spazieren gegangen war. Aber nicht nach meinen Eltern. Und nach London auch nur bedingt. "Es ist einfach sehr anstrengend. Allein diese fürchterliche Sprache", sagte ich also

"Das stimmt, das kommt bei dir ja noch dazu", nickte ich, "Ich fand das mit dem Pferd ja am anstrengendsten." Ich leerte mein Colaglas nun halb.

Ich hatte das Wasser bereits leer getrunken, als Jacqueline mit ihrem Freund geschrieben hatte. Als ich Jacqueline beobachtete, sagte ich: "Mutter hat mir immer beigebracht, dass man als Dame Gläser in kleinen langsamen Schlucken leert. Weil das eleganter wirkt. Scarlett-Rose hat das aber immer viel besser gemacht als ich"

Scarlet, so hießen Pferde manchmal. Aber ein Pferd war damit wohl nicht gemeint. "Für meine Alten war ich so auch nie gut genug", rutschte es mir heraus. Beschämt blickte ich in mein Colaglas und trank.

Jacqueline schien sich nicht zu bemühen das von mir Gesagte umzusetzen. Aber vielleicht war das in anderen Familien nicht üblich, dass man das beigebracht bekam.

Schnell leerte ich mein Glas. Ich nahm beide Gläser und die Flaschen. Die Gläser kamen in den Geschirrspüler, die Flaschen in den Kühlschrank. "Dann mal los", meinte ich motiviert.

Ich stand auf, um Jacqueline zu folgen. "Sagst du zu deinen Eltern wirklich 'Meine Alten'?", fragte ich neugierig, wünschte mir aber sogleich, ich hätte diese Frage nicht gestellt

Erschrocken hielt ich inne. "Nein, eigentlich nicht", meinte ich beschämt, "Es ist mir nur so rausgerutscht." Ich öffnete die Tür ins Freie.

"Ich war nur verwundert, weil ich mich das niemals trauen würde", erklärte ich lächelnd, während ich Jacqueline folgte

"In ihrer Anwesenheit ich sicher auch nicht", lachte ich etwas bitter und schloss die Tür hinter Apple. Ich ging los Richtung Haltestelle.

Ich lief zunächst schweigend hinter Jacqueline her. Dann wollte ich sie wieder fröhlicher sehen. "Wegen dieser Bodenarbeit", begann ich, "Meinst du ich darf dir und deinem Pferd da nächste Woche mal zuschauen?"

"Wie gesagt, jederzeit", lächelte ich, "Wir könnten uns ja einen Termin ausmachen."

"Vermutlich fange ich noch in den Ferien das Reiten an. Aber das muss ich heute Abend mit der Reitlehrerin ausmachen. Ansonsten hab ich Zeit", meinte ich lächelnd.

"Ich auch", lächelte ich, "Ich bin den Rest der Ferien hier. Zuhause war ich schon." Wir kamen an der Haltestelle an.

"Unternimmst du nicht so viel mit deinem Freund?", fargte ich schüchtern

"Auch, aber nicht nur", entgegnete ich, "Er war jetzt zum Beispiel mit seiner Band proben."

Ich nickte und biss auf meine Lippe. Da ich den Bus kommen sah, wurde ich wieder nervös.

Sam schulterte seine Gitarre, als der Bus fast beim Internat war und nahm den Stapel mit Notenblättern, um zur Tür zu gehen

Als der Bus näher rollte, lächelte ich. Ich freute mich, Sam endlich wieder zu sehen.