"Bei Pferden weiß man ja nie", meinte ich zittrig, "aber so etwas ist mir bis jetzt Gott sei Dank nie passiert. Ich habe das dumme Gefühl, dass das mit dem Ausritt keine gute Idee war." Ich nahm Julies Putzkasten und wartete Felis Antwort ab, schließlich konnte man neben Frau Chevalier ja so etwas nicht besprechen.

"Ich weiß nicht. Die Pferde, die ich kenne, waren bis jetzt alle lieb. Zum Glück ist Oda nicht so", antwortete ich und schnappte mir ebenfalls den Putzkasten aus dem Regal. "Ich hoffe nur, dass Frau Chevalier das Pferd während des Ausrittes unter Kontrolle hat."

Ich war nun ganz auf Kiparis konzentriert, sodass ich nicht merkte, dass die Mädchen schon wieder ewig brauchten. Ich fing nun an, die andere Seite des Wallachs zu striegeln. Er war zum Glück nicht sonderlich schmutzig, sodass ich gut voran kam.

"Ich hoffe nur noch, dass ich diesen Tag überlebe", meinte ich zögerlich, ging dann aber raus auf den Putzplatz. Gott sei Dank war ich weit weg von dem Wallach. Mit dem legte sich auch nur so eine Hexe an wie Frau Chevalier. Und Oda? Die tat mir hoffentlich nichts.

"So schlimm wird's schon nicht werden", meinte ich aufmunternd, obwohl ich mir da selbst nicht ganz sicher war. Ich folgte Jacqueline zurück zum Putzplatz und beeilte mich dann beim Putzen so gut wie möglich. Ich war dabei noch nicht so erfahren, doch ich gab mein Bestes. Mit dem Striegel fuhr ich in kreisenden Bewegungen über Odas weiches Fell.

Jetzt griff ich zur Kardätsche und bürstete den Staub aus dem Schimmelfell. Da Kiparis momentan keinen Schabernack im Sinn hatte, wagte ich es, mich kurz zu den Mädchen zu wenden. "Habt ihr einen besonderen Wunsch für die Ausrittroute?", fragte ich die beiden.

Ich fing ebenfalls rasch mit dem Striegeln an. "Grundsätzlich nicht", meinte ich, noch immer schüchtern, "See wäre auf jeden Fall schön."

Da ich mich im Gelände noch nicht auskannte, stimmte ich einfach zu. Natürlich hätte ich auch gerne das Meer kennen gelernt, aber alles in einem Zug ging ja sowieso nicht. Fleißig putzte ich an Oda weiter. Ihr schien es sehr gut zu gefallen, denn sie entlastete ihren rechten Hinterhuf.

"Gut, dann nehmen wir also die Waldrunde", legte ich die Strecke fest. Ich drehte mich wieder direkt zu Kip hin und begann, seine Beine und seinen Kopf zu reinigen. Er wollte mir die Wurzelbürste aus der Hand schnappen, doch das ließ ich nicht zu. "Aus!", wies ich ihn energisch zurecht und machte mich weiter an die Arbeit.

Als das Pferd Frau Chevalier versuchte zu beißen, zuckte ich mal wieder zusammen. Was, wenn mir das mal passiert? Ich beobachtete mein Pferd genau. Es machte keine Anstalten, mich zu beißen, sondern döste.

Langsam war der gröbste Dreck aus dem Fell entfernt, sodass ich mit der Kardätsche weitermachen konnte.

(Ich dachte, Jacqueline hätte was in dem Gespräch mit Anna vor Weihnachten gelernt...)

"Kiparis testet einfach gerne aus, wer der Chef ist", erklärte ich den Mädchen, während ich die Mähne kämmte. "Zumindest versucht er das gerne, wenn er weiß, dass er jemanden mit viel Erfahrungen gegenüber hat. Noch dazu ist er sehr intelligent, was er oft zeigen will."

(Hat sie, keine Sorge. :) )

"Ich finde, nur weil man intelligent ist, muss man nicht gleich alle um sich gefährden", warf ich schüchtern, aber doch empört ein.

Die taten das doch nicht absichtlich! Das traute ich mich allerdings nicht zu sagen. Lieber konzentrierte ich mich ganz aufs Putzen, hörte aber aufmerksam zu, was die Reitlehrerin dazu zu sagen hatte.

"Was soll denn das jetzt nun wieder heißen?", fuhr ich das Mädchen an, versuchte aber dennoch geduldig zu erklären. "Also jedes Pferd schafft es nicht, sich selbst loszubinden. Dann hat Kiparis eben die Stuten entdeckt und wollte sie begrüßen." Ich ging nun zum Schweif über, den ich mit der Hand verlas.

"Ich meinte das Beißen eben", erklärte ich mich, "Das sah ja total gefährlich aus." Nun griff ich zur Kardätsche.

Ich mischte mich weiterhin nicht ein, denn ich wollte es nicht ganz mit der Reitlehrerin verscherzen. Ich nahm nun auch die Kardätsche zur Hand und bürstete in langen Strichen über Odas Fell.

"Ich weiß, du denkst, Pferde würden dich am liebsten verspeisen", fing ich mit sarkastischem Unterton an. "Kiparis wollte mich doch nicht beißen, er wollte mir nur die Bürste wegnehmen. Das ist eine Unart, die ich ihm hoffentlich bald abgewöhnt habe. Er macht solche Späßchen gerne, wenn er längere Zet nicht ordentlich beschäftigt wurde." Der Schweif fiel nun schön und ich war mit meiner Arbeit zufrieden. Deshalb nahm ich nun noch den Hufauskratzer aus dem Putzkasten und fing beim rechten Vorderhuf an, ihn auszukratzen. Brav hob der Wallach auf Aufforderung hin sein Bein hoch.

"Es sah nur so aus", verteidigte ich mich kleinlaut, arbeitete aber schnell mit der Kardätsche weiter, um bald zum Hufe auskratzen übergehen zu können.

Ich warf Jacqui einen aufmunternden Blick zu. Mehr konnte ich leider auch nicht für sie machen. Mir war dieser Kiparis auch etwas suspekt, aber ich wollte nicht noch mehr Ärger bekommen. Sanft kraulte ich Oda, da ich so froh war, dass sie sich immer lieb benahm. Als ich sah, dass Jacqueline schon beim Hufeauskratzen war, beeilete ich mich, damit die anderen nicht auf mich warten mussten.

"Für dich vielleicht. Wenn ein Pferd beißen möchte, droht es zuerst", erwiderte ich und richtete mich auf. Ich war nun fertig mit den Hufen und wollte den Putzkasten wegbringen sowie das Sattelzeug holen. "Könnt ihr bitte ein Auge auf Kiparis haben? Nicht, dass der mir noch einmal abhaut", bat ich die Mädchen.

"Ich weiß nicht", murmelte ich. Mit diesem Wildpferd sollten wir alleine bleiben? Konzentriert kratzte ich die Hufe aus.

"Natürlich passen wir auf", unterbrach ich Jacqueline, obwohl ich mir selbst nicht ganz sicher war. Aber ich wollte sicherlich nicht Frau Chevalier widersprechen.

Ich nickte Felicitas dankbar zu, bevor ich im Stall verschwand. Als ich weg war, begann sich Kiparis wieder sehr für die Stuten zu interessieren. Er drehte seinen Kopf zu Oda und Julie hinüber und versuchte sie mit lang gemachtem Hals zu erreichen. Noch blieb er jedoch an Ort und Stelle stehen und machte keinerlei Versuche, sich erneut zu befreien.

Ich stand mit dem Rücken zu dem Wallach, da ich noch mit Hufe auskratzen beschäftigt war.