"Und du siehst es als Wettbewerb und willst gewinnen?", wollte ich verständnishalber wissen.

"Ich weiß, dass ich nicht gewinnen werde, weshalb es vermutlich sinnlos ist, überhaupt anzutreten. Nur eine weiterer Wettbewerb, in dem gezeigt wird, dass ich ein Talent für etwas habe", antwortete ich nach einer kurzen Pause leise. Unsicher knetete ich den Saum meiner Jacke.

"Aber warum hast du dich denn angemeldet, wenn du dich so gar nicht darauf freust?", wollte ich wissen.

"Ich hatte gehofft, dass ich vielleicht doch in etwas gut bin", sagte ich und wurde rot.

"Und? Fleißig trainiert?", wollte ich wissen.

"Soweit ich die Zeit gefunden habe", bestätigte ich.

"Ich nehme die ganzen Turniere nicht so ernst", sagte ich im Weitergehen schulterzuckend.

"Ich glaube, meine Eltern fänden es leichter, wenn ich in irgendetwas gut wäre", meinte ich nach einer Pause.

"Meine auch", bestätigte ich, "So sind wohl alle Eltern."

"Aber immerhin können dich deine Eltern nicht mit deinen viel besseren Geschwistern vergleichen", murmelte ich leise.

"Das stimmt", pflichtete ich Apple bei, "Das ist wohl der Vorteil, wenn man Einzelkind ist, obwohl ich es mir schön vorstelle, Geschwister zu haben." Ich schlug einen Weg ein, der uns zum Internat zurückführen würde.

Ich seufzte leise. Schöne Momente mit meinen Geschwistern gab es eigentlich nicht

"Ich meine", führte ich meine Überlegungen aus, "als du zuhause warst, konntet ihr sicher viel miteinander spielen, oder?"

Ich schüttelte den Kopf: "Wir haben sehr selten miteinander gespielt. Höchstens ganz ganz früher."

"Versteht ihr euch nicht so gut?", wollte ich nachdenklich wissen.

Ich schwieg nun zunächst, um mir zu überlegen, wie ich es beschreiben sollte. "Meine Geschwister sind ganz anders als ich", erzählte ich dann, "Viel erfolgreicher, intelligenter ... und schöner."

"Wie?", fragte ich verwirrt, "und sie stören sich daran, dass du in ihren Augen nicht so erfolgreich bist? Ich habe mir das Geschwisterdasein schöner vorgestellt. Aber wahrscheinlich funktioniert es nur selten so gut wie bei meiner Klassenkollegin Monique und ihrer großen Schwester. Die ging bis letztes Jahr auch hier am Reitinternat zur Schule und die beiden sind sehr eng miteinander, obwohl Moniques Schwester weit weg ist. Die beiden haben viel Kontakt, aber Monique meint, die Entfernung täte ihnen gut. Ich hatte aber früher schon das Gefühl, dass die beiden gut miteinander klarkommen. Sie haben sogar zusammen beim Reiten trainiert."

"Vielleicht ist das ja in normalen Familien anders", mutmaßte ich leise. Ich sah bereits das Internat.

"Wer weiß", grübelte ich, "Aber warum sollte es?"

"Weil alles anders ist ...", meinte ich traurig, "Ich beneide dich und die anderen am Internat um ihr normales Leben."

"Was ist schon ein normales Leben?", philosophierte ich, "Ich glaube, viele vom Internat haben kein normales Leben, sonst würden sie nicht auf ein Internat gehen, denke ich."

Ich schwieg. Was Jacqueline sagte, mochte vielleicht stimmen, dennoch kam es mir normal vor. Ganz im Gegensatz zu meinem Leben.

"Ich habe es dir schon am ersten Tag deiner Internatszeit gesagt", fuhr ich bestimmt fort, "Hier hat jeder seine Geheimnisse und das ist auch okay so."

"Erzähl bitte niemandem von diesem Gespräch", fiel mir daraufhin panisch ein. Ich blickte Jacqueline an und war nun wieder von Angst erfüllt. Dann sah ich mich um. Wir waren in Internatsnähe, am Ende war jemand hier und hörte zu.

"Klar, hab ich dir doch versprochen", erwiderte ich, "Wieso sollte ich auch? Davon hätte ich ja nun wirklich keinen Vorteil."