"Willst du es vielleicht mal von der anderen Seite probieren?", schlug ich vor. "Vielleicht klappt es da ja besser. Allerdings müsstest du einfach nur mehr deine Arme strecken, dann müsstest du dich nicht so weit nach vorne beugen und würdest nicht das Gleichgewicht verlieren."

Ich nickte. "Die andere Seite bitte", fügte ich hinzu.

"Okay, wie du meinst", antwortete ich und holte Great Heart ein zweites Mal zu mir in die Mitte, um die Longe im anderen Trensenring zu befestigen. Ich schickte den Wallach wieder nach außen und ließ ihn locker Schritt gehen. Er hatte sehr gleichmäßige Bewegungen, was es für einen Anfanger einfacher machte. "Na los!", forderte ich nun Apple-May auf.

Zwar hatte ich irgendwie gehofft, dass sie es in der Zwischenzeit vergessen hatte, aber mir war bewusst, dass das nicht realistisch war. Also atmetete ich tief durch und versuchte die Übung wieder. Meine Finger berührten ein bisschen Fell der Ohren, dann schoß ich wieder in eine aufrechte Position

"Na, klappt doch", bestätigte ich, dass ich nun zufrieden war. Da ich die Seite nicht schon wieder tauschen wollte, ließ ich Great Heart auf dieser Hand. Das nächste Mal würden wir dann vermehrt auf der anderen arbeiten. "Jetzt etwas Neues. Du streckst nun deine Arme abwechselnd nach oben und tust so, als würdest du Äpfel von einem Baum pflücken wollen."

"Wozu ist das gut?", fragte ich neugierig. Ich war nun glücklich, weil die Reitlehrerin endlich zufrieden war

"Die Übungen sollen dein Gleichgewicht fördern und dich dabei unterstützen, ein Gefühl fürs Pferd zu bekommen", antwortete ich lächelnd. Ich freute mich darüber, dass sich Apple-May dafür interessierte. "Das Apfelpflücken dient dazu, dass du automatisch eine aufrechte Haltung einnimmst, da du dich ja nach oben strecken musst."

Ich begann mit der Übung. Das fiel mir jetzt um einiges leichter. "Ist es normal, ...?", begann ich mit einer Frage und brahc dann doch ab. Es war mir zu peinlich

Nun klappte es um einiges besser. Auf dieser Seite schien sich Apple-May um einiges leichter zu tun. Als sie mit einer Frage begann, aber diese nicht zu Ende brachte, hakte ich nach: "Ja, was?"

"Ich glaube, das ist keine gute Frage", meinte ich kleinlaut und wurde rot.

"Es gibt eigentlich keine dummen Fragen", meinte ich. "Also wenn du etwas wissen willst, nur raus damit."

Ich nahm meine Arme herunter und blickte unsicher zu der Lehrerin. Ob sie sauer werden würde? "In den Geschichten, die ich lese, ich das mit den Pferden alles einfacher beschrieben", begann ich zögerlich, "Viel einfacher und .... klarer"

"Geschichten sind aber nun mal nicht die Realität", erwiderte ich schulterzuckend. "Du darfst dir das Reiten nicht so einfach vorstellen, wie das in vielen Pferdebüchern rübergebracht wird. Reiten ist viel mehr, als sich eben mal raufzusetzen und loszugaloppieren."

Aber was war nun mit der ... Liebe auf den ersten Blick? Sowas hatte ich bei Great Heart nicht gespürt. Noch einmal traute ich mich aber nicht zu fragen. Ich blickte auf den Pferdehals hinunter

"Ist doch klar, dass in den Büchern immer alles glatt läuft. Das ist ja das, was die Mädels lesen wollen", fuhr ich nach kurzem Zögern fort. "Und wenn es dann doch ein paar kleine Schwierigkeiten geben sollte, gibt es zumindest ein Happy End." Ich lächelte. "Du und Great, ihr werdet bestimmt auch noch ein gutes Team."

Ich schwieg. Woher nahm sie dieses Wissen? Oder war das immer so. "Soll ich die Übung weiter machen?", fragte ich stattdessen

"Nein, das reicht erstmal", entgegnete ich und sah auf die Uhr. Ein paar Minuten blieben uns noch, aber in der kurzen Zeit wollte ich nicht mehr mit dem Trab beginnen. Ich überlegte kurz, welche Übung Apple-May noch ausprobieren konnte. "Du kannst noch etwas anderes machen", schlug ich vor. "Strecke noch einmal beide Arme rechts und links zur Seite und kreise mit ihnen. Aber nach hinten."

Meinte sie damit dass sie von der Richtung her nach hinten kreisen sollten? Ich tat es einfach mal. Es war merkwürdig und brachte mich etwas aus dem Gleichgewicht, weshalb ich das Temp verringerte

"Ja, genauso", bestätigte ich das Mädchen. Sie schien sich immer mehr den Tritten von Great Heart hineinzufühlen. Ich ließ sie die Übung noch eine Weile machen, bis ich sagte: "Das soll für heute reichen, wir wollen ja nicht zu viel auf einmal machen." Ich holte Pferd und Reiterin zu mir in die Mitte und erklärte Apple-May, wie sie am besten vom Pferd herunterkommen konnte.

Ich schaffte es erstaunlicherweise mein Bein über den Pferdehintern zu bekommen. Der Boden kam aber viel zu unerwartet, so dass ich auf meinen Hintern plumpste. Im ersten Moment erschrocken, blieb ich sitzen

"Alles okay?", fragte ich nach und hielt ihr meine Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Great Heart drehte seinen Kopf zu uns, um zu sehen, was los war.

"Ich ... bin hingefallen", sagte ich überflüssigerweise. Unsicher griff ich nach der Hand der Reitlehrerin

"Das kann schon mal passieren", versuchte ich, das Mädchen mit einem Lächeln aufzuheitern. Ich half Apple auf die Beine, immerhin schien sie sich nichts getan zu haben. Dann erklärte ich: "Nach dem Reiten müssen immer die Steigbügel hochgeschlagen und der Sattelgurt gelockert werden, bevor du das Pferd zurück zum Putzplatz bringst."

Ich blickte das Pferd unsicher an. Damit die Lehrerin nicht böse auf mich wurde, machte ich mich also am sattelgurt zu schaffen, wobei ich merket, dass es wohl klüger gewesen wäre irgendwas mit den Steigbügeln zu machen, aber da ich mich damit nicht wirklich auskannte, ließ ich das lieber

"Zuerst die Steigbügel, damit sie nicht an den Pferdebauch schlagen können", wies ich Apple zurecht. "Du brauchst nur den Steigbügel am unteren Steigbügelriemen bis ganz nach oben zu schieben. Dann steckst du den Steigbügelriemen von oben her durch den Steigbügel und schon ist er festgemacht." Zur Anschauung zeigte ich ihr das noch einmal.