"Nein, natürlich nicht. So wie jedes Pferd ans Reiten gewöhnt werden muss, muss es auch lernen, eine Kutsche zu ziehen", antwortete ich. "So ein Ding ist ja nicht ganz leicht, deshalb eignen sich eher Kaltblüter und kräftige Ponys dafür. Wenn Pferde mehrspännig laufen sollen, sollten sie sich auch untereinander verstehen und verträglich sein."

"Es wirkt bei den Umzügen nie so kompliziert", gab ich zu

"Das Fahren muss auch gelernt sein, ich selbst mache das noch gar nicht so lange", erzählte ich gut gelaunt. "Es macht aber sehr viel Spaß, mit der kutsche durch die Gegend zu ziehen."

Wenn die Reitlehrerin sowas erst jetzt konnte, dann war es sicher schwer. Mir schauderte nun ein wenig bei dem Gedanken daran, dass das Reiten wohl auch schwerer als gedacht war. Schweigend nahm ich die Kardätsche aus dem Kasten und arbeitete weiter.

"Aber heute soll es ja einfach nur ums Pfferd kennenlernen vom Pferderücken aus gehen", redete ich einfach weiter. "Wir machen auch gar nicht lange, vielleicht eine halbe Stunde. An der Longe geht das Pferd nämlich ständig im Kreis. Man kann natürlich immer wieder die Seite wechseln, aber das zu lange zu machen ist fürs Pferd nicht ideal, da es ziemlich einseitig belastet wird."

"Und wenn ich runter falle?", sprach ich meine Gedanken aus.

"Darauf musst du dich einstellen, dass du vielleicht mal den Boden küsst. Das passiert jedem Reiter, ich kann dir gar nicht ssagen, wie oft ich schon heruntergefallen bin", meinte ich. "Wichtig ist nur, dass du danach sofort wieder aufsteigst, wenn du nicht ernsthaft verletzt bist."

Ich hörte auf zu putzen und schaute die Reitlehrerin unsicher an. "Warum?", fragte ich mit etwas zittriger Stimme

"Warum man wieder aufsteigen sollte?", hakte ich nach, gab dann aber sofort die Antwort. "Weil man sonst vielleicht Angst bekommt und nie wieder aufs Pferd steigen würde."

"Angst hab ich jetzt schon", murmelte ich, wurde dabei aber rot. Unsicher putzte ich dann weiter, während ich mich in Gedanken selbst schalt. Ich sollte froh sein, dass ich hier sein durfte. Und zumindest die Reporter sollten mich hier nicht so schnell finden. Was war eigentlich genau meine Angst? Eigentlich war das Problem gar nicht das Fallen. Ich hatte Angst davor zu Versagen.

"Musst du aber nicht, hier auf dem Internat ist noch nie etwas wirklich Schlimmes passiert", erwiderte ich aufmunternd. "Damit dir nichts passiert, hast du ja auch deinen Reithelm, den du immer tragen solltest. Und solltest du wirklich mal vom Pferd stürzen, versuche dich abzurollen und möglichst von den Hufen wegzukommen."

Ich rechnete es ihr zwar an, dass sie versuchte mich aufzumuntern, aber diese Frau kannte mich scheinbar nicht. Ich war bisher in nichts wirklich gut gewesen. Gefühlt war das Pferd nun sauber, bis auf die Hufe, weshalb ich nun eher fragte: "Ist das in Ordnung so?" Dabei deutete ich auf das Fell

"Am wichtigsten ist, dass die sattellage gründlich gereinigt ist, damit der Sattel nicht scheuert und Satteldruck entsteht", antwortete ich. "ich finde, dass das schon so in Ordnung geht." Immerhin hatte Apple-May das ganze Fell mit der Kardätsche geputzt.

Nun also noch die Hufe. Die gingen ja meistens relativ gut, auch wenn ich mir immer noch nicht sicher war, wie fest ich da nun ran durfte. Ich legte Striegel und Kardätsche zurück in den Putzkasten, dann griff ich zum Hufkratzer. Great Heart hob sein Bein brav auf meine Aufforderung hin. Ich begann nun zunächst ganz sanft zu kratzen, was natürlich nicht den gewünschten Erfolg brachte.

"Na ich weiß nicht, ob du so den ganzen Dreck herausbekommst", kommentierte ich sofort, als ich sah, wie zaghaft Apple-May an die Hufe ranging. "Du kannst ruhig etwas fester andrücken."

"Ich weiß nicht wie fest ich darf. Herr Meier meinte, ich kann ihm dabei weh tun", erklärte ich meine Vorsicht unsicher

"Natürlich sollst du dein Pferd nicht verletzen", erwiderte ich energisch. "Trotzdem sollte der ganze Dreck raus. Mit der Bürste kannst du rhig einmal kräftig drüberfahren."

Ich wand den Blick ab. Die Lehrerin sprach schnell, es kostete mich viel Anstrengung sie überhaupt zu verstehen. Ein wenig sehnsüchtig dachte ich an Herrn Meiers ruhige Worte zurück. Dabei arbeitete ich nun weiter und versuchte es der Lehrerin recht zu machen

"Wichtig ist, dass du auch die weiße Linie kontrollierst", fuhr ich fort. "Dort musst du aber vorsichtig sein, denn da ist das Pferd sehr empfindlich."

"Weiße Linie?", fragte ich nach, während ich nachdenklich den Huf betrachtete. Ich war mir nicht sicher, welchen Teil die Lehrerin meinte

"Die weiße Linie trennt die Hufwand und die Hufsohle voneinander", erklärte ich und zeigte ihr den Teil am Huf. Dabei kontrollierte ich gleich, ob die Hufe ordentlich ausgekratzt wurden.

"Okay", antwortete ich, nachdem sie mir das alles gezeigt hatte. "Und jetzt?", fragte ich weiter. Normalerweise band ich nun das Pferd los und es wurde wieder auf die Weide gebracht.

"Jetzt satteln wir Great Heart", meinte ich lächelnd. "Dazu legst du erst einmal die Satteldecke so aufs Pferd, dass ungefähr die Hälfte vorm Widerrist - das ist der Höcker zwischen Hals und Rücken - liegt. Wie immer alles von links." Ich half Apple-May ein wenig damit.

Ungeschickt platzierte ich die Satteldecke, war aber froh, dass Frau Chevalier nun endich begriffen hatte, dass ich etwas dumm war und mir half. Nun war ich ausnahmsweise einmal froh, dass ich so groß war, sonst wäre das wohl eher schwerer gewesen. Die meisten anderen hier hatten viel kleinere Pferde.

"Jetzt legst du den Sattel drauf", erläuterte ich weiter. "Alles zusammen ziehst du dann in die Wuchsrichtung des Fells nach hinten in die Sattellage. Meistens rutscht der Sattel von selbst in die richtige Position. Falls du ihn zu weit nach hinten gezogen hast, musst du wieder von vorne beginnen. Wenn du ihn nämlich wieder nach vorne schieben würdest, würden sich die Haare aufstellen und es kommt zum Satteldruck. Zwischen Schulter und Sattelblatt sollte mindestens eine Handbreit frei sein, damit das Pferd nicht in der Bewegung eingeschränkt ist." Ich sah Apple-May genau beim Satteln zu. "Achte darauf, dass die Satteldecke nirgends umknickt und ziehe sie gut in die Sattelkammer hoch", fuhr ich fort.