"Aber tut das nicht weh, wenn ich seine Ohren abknicke?", fragte ich vorsichtig. In den Büchern war das alles nie so wirklich geschildert worden.

"Ist ja nett, dass du dir Gedanken machst", antwortete ich schulterzuckend. "Aber irgendwie musst du das Halfter anlegen, Great macht das täglich mit. Das ist kein Problem." Am liebsten hätte ich jetzt dem Wallach selbst schnell aufgehalftert, damit es endlich weiterging. Allerdings sollte Apple-May es ja selbst lernen. Gut, dass ich mir viel Zeit genommen hatten, wir konnten also auch länger machen.

Ich blickte verunsichert zur Reitlehrerin. Ihre Geduld schien am Ende zu sein. Ich sollte mich zusammenreissen, hätte es schon längst tun sollen. "Verzeihung Madam", entschuldigte ich mich mal wieder, wobei mir eine Träne über die Wange kullerte. Ich fühlte mich mal wieder so unglaublich dumm. Fast wie damals, als ich Mutter blamiert hatte, indem ich bei der Eröffnung dieses Gebäudes gestolpert war. Schnell schloss ich die Augen, packte mit der freien Hand die Ohren und schob sie unter dem Halfter durch. Am Ende musste ich wohl noch die freie Schnalle befestigen, wie ich es immer gesehen hatte. Also tat ich das auch

"Jetzt noch den Strick dran, dann können wir ja endlich los", sagte ich, ihre seltsame Entschuldigung ignorierend.

Den Strick konnte ich bereits befestigen, weshalb ich das gleich tat.

Ich ging nun voraus zum Koppeltor, um es für Apple-May zu öffnen.

Ich folgte mit Great Heart. Das Pferd von einem Ort zum anderen bringen ging ja. Zumindest sobald ich es an der Leine hatte. Und Herr Meier hatte mir ja am ersten Tag gesagt, was ich tun musste, wenn das Pferd stehen blieb. Dennoch schwieg ich nun, wobei ich aber nicht vergaß, mich zu für das Tor öffnen zu bedanken.

Ich nickte ihr kurz zu, dann verschloss ich das Tor wieder. Am Weg zum Putzplatz gab es keine besonderen Vorkommnisse. Als wir dort ankamen, fragte ich sicherheitshalber nach: "Du weißt, wie man ein Pferd richtig anbindet?"

Ich sah zur Reitlehrerin auf. Kurz überlegte ich, zu sagen, dass ich nicht sicher war. Aber Herr Whert hatte mich nie verbessert und der würde wohl etwas sagen, wenn es falsch wäre oder? Allerdings sah der Knoten auch nie so ordentlich und gleichmäßig aus wie bei Herrn Meier. "Ich ... So ungefähr", antwortete ich daher nur. Vermutlich würde diese Frau sowieso wollen, dass ich es ihr zeigte, weshalb ich gleich anfing. Ich zog also das Seil durch den Ring. Insgesamt machte ich drei Schlaufen, die wieder einmal nicht ordentlich und gleichmäßig waren. Am Ende zog ich den Rest durch die letzte Schlaufe. Unsicher blickte ich die Reitlehrerin an, bereit, mich auch gleich zu entschuldigen, falls notwendig

"Bei Pferden macht man aber nichts nur so ungefähr", wies ich das Mädchen zurecht. Als sie fertig war, prüfte ich den Strick kurz, ob alles fest saß. "Aber das sieht nicht so schlecht aus, jedenfalls hält es." Ich nutzte die Gelegenheit gleich, Apple-May auf ein paar Dinge aufmerksam zu machen. "Übrigens werden Pferde immer nur an nicht beweglichen Vorrichtungen angebunden - und niemals mit Trense. Dabei könnten sie sich verletzen, wenn sie sich losreißen wollten."

Ich zuckte zusammen, als sie mich anfuhr. Ich blickte zu Boden, nickte aber, als Zeichen, dass ich sie verstanden hatte. Jetzt war ich noch unsicherer. Normalerweise könnte ich das Pferd zumindest putzen. Aber vielleicht war das auch falsch?

"Wir holen nun das Putz- und Longierzeug", sprach ich einfach weiter. "Zuerst kommst du nämlich an die Longe, damit du dich ganz auf deinen Sitz konzentrieren kannst und nicht auch noch die Zügel hast."

"In Ordnung", sagte ich nun und versuchte mich wieder zu fassen. Nur auf den Sitz? Ja in meinen Büchern wurde das nicht als ganz einfach dargestellt, aber war es so schwer?

In der Sattelkammer angekommen, erklärte ich: "Hier hat alles seinen Platz. Wo Great Hearts Sachen sind, weißt du ja sicherlich schon. Normalerweise brauchst du beim Reiten Sattel, Decke und Zaumzeug. Fürs Longieren nehme ich noch Longe, Longierpeitsche und Ausbinder mit." Während ich noch sprach, entfernte ich die Zügel aus dem Zaumzeug, da wir die heute ja nicht brauchen würden.

Ich hörte nun zu. "Ich weiß, wo die Putzsachen sind", erzählte ich dann, "Soll ich Ihnen etwas abnehmen?"

"Gerne", meinte ich lächelnd und gab ihr das Longierzeug. Ich selbst schnappte mir noch meine Reithandschuhe, bevor ich den Rest nahm und damit zum Putzplatz zurückkehrte.

Bei Great Heart zurück stand ich erst einmal verloren mit den Sachen da. Wo sollte das alles hin? Musste man das Pferd nun vorher putzen? Auf den Boden durfte ich es sicher nicht legen.

Ich legte den Sattel auf einen Balken und hängte das andere Zeug darüber. Dann nahm ich Apple-May die anderen Sachen ab und legte sie dazu. "Du hast schon öfter alleine geputzt, oder?", stellte ich wieder einmal eine Frage, um sicherzugehen.

Ich nickte. "Herr Meier war so freundlich, mir zu zeigen, wie es geht", sprach ichd ann noch aus. Erwartete sie nun, dass ich anfing? Unsicher fragte ich: "Soll ich das jetzt machen?"

"Na wenn Herr Meier dir das gezeigt hat, kannst du das nun bestimmt ausgezeichnet", konnte ich mir einen belustigten Kommentar nicht verkneifen. "Und ja, vor dem Reiten wird immer geputzt. Oder weshalb hätten wir sonst den Putzkasten holen sollen?" Ich wartete gar keine Antwort ab, sondern setzte zu einem meiner bekannten Vorträge an: "Ein Pferd sollte täglich gründlich geputzt werden. Das dient nicht nur dazu, Schmutz und Staub aus dem Fell zu entfernen, sondern festigt auch die Bindung zum Pferd. Das Putzen ist für das Pferd eine angenehme Massage und hat einen ähnlichen Stellenwert, wie das gegenseitige Kraulen in der Herde. Beim Putzen fallen außerdem Verletzungen, Schwellungen und kleinere Blessuren auf. Veränderungen am Fell und den Hufen können auch ein Hinweis auf Krankheiten sein."

Ich blickte die Reitlehrerin bei ihrem Vortrag unsicher an, hörte aber zu. Als sie fertig gesprochen hatte, drehte ich mich erst zum Putzkasten. Den öffnete ich und suchte das Ding namens Striegel heraus. Einen kurzen Moment brauchte ich, um mich an die Bewegung zu erinnern, die Herr Meier mir gezeigt hatte, dann machte ich sie nach. Es fiel mir inzwischen zwar schon deutlich leichter, als beim ersten Mal, aber unter dem Blick der Lehrerin wurde ich nun etwas nervös.

"Und du bist also noch nie auf einem Pferd gesessen?", fing ich nun ein Gespräch an, als ich sah, dass Apple-May erstmal gut zurecht kam.

Ich schüttelte den Kopf. "Bis ich hier her kam, habe ich auch fast keine Pferde in echt gesehen. Manchmal wenn es einen Festumzug für die Queen gab, vor einer Kutsche. Und einmal haben meine Eltern uns mit dem Pferderennen genommen", letzteres erzählte ich nun begeistert, "Seitdem lese ich gerne Pferdebücher" Ich wurde etwas rot. Denn es befand sich zwar auch das ein oder andere Sachbuch in meiner Sammlung, aber das meiste waren Romane. Ich arbeitete möglichst zügig, aber gründlich, um keinen Ärger zu bekommen

Ich nickte. "So bist du also auf Pferde gekommen", stellte ich fest. "Great Heart geht übrigens auch vor der Kutsche. Allerdings nur alleine, da wir kein passendes Gegenstück zu ihm haben."

Eigentlich kam ich auf Pferde, weil meine Eltern mich hierher geschickt hatten. Aber das sagte ich nicht. Natürlich nicht. Deshalb war ich ganz froh über den Themenwechsel. "Kann das nicht jedes Pferd?", fragte ich also. Bisher hatte ich mir über sowas nie Gedanken gemacht. In meinen Büchern ging es meist um ein schwieriges Pferd, das nur von einer Person geritten werden wollte. Ob das immer so war? Blitz war ein bisschen anders, aber eigentlich genauso. In Black Beauty gab es Kutschen. Aber da schien das auch jedes Pferd zu können. Ich wechselte schließlich auf die andere Seite des Pferdes und wartete die Antwort ab.