Ich drückte Sams Hand und betrat mit ihm den vollen Saal.

Herr Meier war verärgert, da Samuel und ich schon um einiges zu spät waren. Wütend löffelte er Suppe in sich hinein. Jeden, der ihn ansprach, schnauzte er verärgert an und seine Kollegen kannten ihn ja auch schon gut genug. Er hätte es ja verstanden, wenn ich Samuel entschuldigt hätte, aber so? Er stellte sich die schönsten Schäferstündchen zwischen uns vor. Die konnten was erleben, dachte er bei sich, als er uns gerade durch die Tür treten sah. Ärgerlich schob er noch eine ganze Gabel voll Nudel in sich hinein und sprang dann auf. Mit Riesenschritten jagte er auf uns zu.

"Entschuldigung!", sagte ich und bekam eine kränklich schwächliche Stimme hin, die leicht zitterte. Ich war ja schon glatt stolz auf mich. "Ich ... Mir war übel und ... schwummrig .... Und ich wollte nicht alleine bleiben, falls ...", sprach ich genauso weiter, "falls ich irgendwie ... umkippe..." Tatsächlich war ich von den Vorkommnissen des heutigen Tages immer noch blass. Ich drückte Jacquelines Hand leicht. Zum Glück hatte ich Herrn Meier noch erzählt, dass ich die Medikamente nicht vertrage

"Guten Tag erst mal", meinte Herr Meier ruhig und zog die Augenbrauen hoch, "und deshalb seid ihr beide 25 Minuten zu spät?"

Ich nickte nur.

"Du hast die Medikamente nicht vertragen?", fragte Herr Meier weiter.

"Wie ich Ihnen heute Nachmittag erzählt habe", bestätigte ich. Jetzt wo ich drin war, ging es ganz gut, meine Stimme schwach klingen zu lassen

"Und du, Jacqueline?", fuhr mich Herr Meier plötzlich an, was mich zusammenzucken ließ, "Warum hast du niemanden verständigt?" Hilfe, was sollte ich nur sagen? Am liebsten wäre ich im Boden versunken. "Es tut mir leid", sagte ich leise und ohne Herrn Meier anzusehen. "Was?", schnauzte Herr Meieer, "Und schau mich bitte an, wenn du mit mir sprichst!" Ängstlich blickte ich zu meinem Rektor hoch. "Es tut mir leid, dass wir zu spät sind", wiederholte ich.

Ich unterdrückte ein Augenrollen. Ich hatte doch gesagt, dass ich wollte, dass sie bleibt, weil ich nicht alleine sein wollte

"Beantworte bitte meine Frage, warum du nicht Bescheid gesagt hast", brüllte mich Herr Meier an. Meine Hände schwitzten, im Speisesaal wurde es verdächtig ruhig, alle waren neugierig. "Sam wollte, dass ich bei ihm bleibe", sagte ich wie abgesprochen, "und jetzt geht es ihm ja auch schon besser." "Du hättest doch vorher runterkommen können, um jemanden Bescheid zu sagen, dass du es ebenfalls vorziehst, zum Abendessen zu spät zu kommen", meinte Herr Meier noch immer laut. "Ja, Herr Meier", antwortete ich kleinlaut.

"Ich wollte nicht alleine bleiben", warf ich nochmal ein

"Jacqueline hätte ja zumindest anrufen können, wenn du schon nicht mal für fünf Minuten alleine bleiben kannst", meinte Herr Meier ärgerlich. Er wollte seinen Frust irgendwo ablassen.

Durch die ganze Diskutiererei und der Tatsache, dass ich immer noch müde war, merkte ich, dass ich tatsächlich Kopfschmerzen bekam. Ich hatte auch am Nachmittag nicht so viel getrunken. Ich drehte mich zu unserem Tisch um, um mir ein Glas Wasser zu nehmen und tat dies wohl zu schwungvoll, denn ich musste mich an der Stuhllehne festhalten, weil sich nun alles drehte. Wie sagte mein Vater immer: "Gott straft die kleinen Sünden sofort" Vielleicht war das die Strafe fürs Lügen. Scharf zog ich die Luft an und klammerte mich an der Stuhllehne fest

Durch die brenzlige Situation vergaß ich Herrn Meier ganz und stellte mich hinter Sam. Das war sicher nicht gespielt, was er hier abzog, das merkte ich. Ich hielt Sam von hinten fest,falls er wirklich umfallen würde. Herr Meier erschrak ebenfalls und kam näher. "Was ist los, Samuel?", erkundigte er sich ruhig.

"Ich sagte doch, mir ist schwindlig", presste ich hervor und versuchte durch einen leicht gereizten Unterton meine eigene Furcht zu verbergen. Dann konzentrierte ich mich ganz darauf mein Gleichgewicht wieder zu finden

Ich hätte Sam gerne mehr unterstützt, aber ich wusste nicht, was ich sonst noch machen konnte, außer ihn zu halten. "Willst du dich setzen?", erkundigte sich Herr Meier.

Ich antwortete erst einmal nicht, sondern blieb einfach stehen, bis der Schwindel nach ließ.

Als Sam nichts sagte, umklammerte ich ihn noch fester. "Sam, ich halte dich fest", flüsterte ich ihm zu.

Als es langsam besser wurde, nahm ich Jacqueline wieder wahr. "Ich brauch was zu trinken", murmelte ich leise

Ich nahm das Glas von Sam, sah Herrn Meier an und spurtete zum Buffet, wo ich den Wasserspeicher bediente, um das Glas mit Wasser zu füllen. Schnell kehrte ich zu Sam zurück und hielt ihm das Glas hin. Herr Meier blieb neben Sam stehen, falls er doch noch umkippen sollte.

Ich sah Jacqueline dankbar an und nahm das Glas. Zunächst nahm ich vorsichtig einen Schluck, doch dann leerte ich das Glas zügig

Während Sam trank, hielt ich ihn wieder an den Schultern fest. Sam schien allerdings schon wieder sicherer zu stehen.

Mir war es nun unangenehm, dass mich alle anstarrten und mitbekommen hatten, dass es mir tatsächlich nicht so gut ging. Ein wenig froh war ich ja schon, dass Viktor die Ferien bei seinen Eltern verbrachte. Sonst hätte ich mir das auf ewig anhören dürfen. Ich sah zu Herrn Meier. Wollte er noch weiter rummeckern oder konnten wir endlich essen?

Herr Meier wartete ab,bis Samuel sagen würde, dass es ihm wieder besser ging. Solange wollte er neben ihm stehen bleiben, falls nicht noch etwas passieren würde. Ich hielt Sam weiterhin fest. "Geht's wieder?", flüsterte ich ihm zu, sodass es nur er hören konnte.

"Ja, es hat aufgehört", sagte ich halblaut

"Sicher?", fragte ich sanft, "Willst du dich setzen und soll ich dir was zu essen bringen?"