Mir war die Frage peinlich und ich antwortete: "Ich reite sie außerhalb vom Unterricht ungefähr einmal pro Woche am Platz oder in der Halle." In Wirklichkeit waren es zweimal im Monat, wenn nicht noch seltener, aber das wagte ich mich nicht zuzugeben. Schließlich war Herr Meier auch noch da, der sich allerdings zurückhielt.

Ich runzelte die Stirn. Ich bin eigentlich ständig im Stall unterwegs, habe Jacqueline allerdings noch nie in ihrer Freizeit reiten sehen. Aber sie würde mich ja wohl nicht anlügen? "Und was machst du so mit ihr?", hakte ich nach.

"Also, ja", begann ich etwas stotternd, "ich bin mit ihr eben am Platz oder in der Halle und reite so Bahnfiguren." Das stimmte ja auch. Was sollte ich sonst machen?

Herr Meier runzelte die Stirn. Was ich wohl darunter verstand?

"So Bahnfiguren also", sagte ich gedehnt. "Nun ja, wie du meinst."

"Ist das nicht richtig?", fragte ich leicht erschrocken. Schließlich wollte ich nichts falsch machen oder gar gegen die Regeln verstoßen.

"Was ist schon richtig oder falsch", entgegnete ich. "Die Frage ist doch, ob es Julie dabei gut geht. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich finde es gut, dass du regelmäßig mit deiner Stute arbeitest. Aber vielleicht mag sie mal mehr Abwechslung haben?"

"Wie meinen Sie das?", fragte ich wieder etwas schüchtern nach.

(Jacqueline putzt ja gar nicht mehr weiter...)

"Man kann ja noch mehr machen, als nur in der Bahn reiten", antwortete ich. "Spazieren gehen, Longieren, Bodenarbeit, ... Das sind auch Dinge, die du nach Einweisung machen könntest."

(Achja, sry.)

Nun ging ich auf die rechte Seite des Pferdes und striegelte dort. "OK, ich dachte, Sie meinen nur ausschließlich reiten", entgegnete ich, "ich gehe gerne spazieren und da nehm ich Julie natürlich oft mit." Das stimmte nun aber wirklich. Wir liefen sogar manchmal gemeinsam.

"Na das gefällt ihr sicherlich", meinte ich nur.

War das jetzt ironisch? Bei dieser Reitlehrerin wusste man ja nie. Auf der rechten Seite war die Stute noch dreckiger, aber der Dreck ging leicht raus. Ich kam mir vor wie eine putzwütige.

Herr Meier kam sich etwas überflüssig vor, sah aber genau zu.

"Da fällt mir ein", begann ich wieder gedehnt. "Wir hatten ja mal wegen des Longierens gesprochen. Hast du nun Interesse, das zu lernen? Ich werde nämlich vielleicht einen Longierkurs für alle anbieten, da bist du auch herzlich eingeladen."

"Danke für das Angebot", entgegnete ich, während ich weiterputzte, "ich weiß es nicht, ob ich das machen will"

Herr Meier war ärgerlich. Davon wusste er ja noch gar nichts. Und seine Schüler erfuhren es eher?

(Vielleicht hat sie es ihm ja schon mal vorher gesagt? Aber wie du willst...)

Wenigstens war Jacqueline diesmal sicher ehrlich, denn besonders begeistert ist sie ja nie, wenn es um Pferde ging. Ich verstehe das sowieso nicht. Ich guckte ihr also weiterhin schweigend beim Putzen zu. Langsam bekam Oda nun ihre ursprüngliche Farbe zurück.

(Ach, er ärgert sich eben gerne. *grins* )

Ich wusste nicht, ob ich mich erklären sollte und striegelte erst mal weiter. Ich meinte: "Also, ich weiß es wirklich noch nicht, ob ich es machen will."

"Ja, ja, wie gesagt, es ist deine Sache. Ich kann und will dich sowieso zu nichts zwingen", entgegnete ich recht kühl. Langsam hatte sie aber auch schon wirklich lange genug an Oda rumgeptutz, fand ich. Für mich war es ziemlich anstregend, hier ewig ruhig zuzusehen.

Wegen Frau Chevaliers Tonfall war ich ein bisschen nervös. Frau Heller war immer freundlich gewesen. Was die wohl jetzt machte? Als sie noch hier war, machte ich mir selten Gedanken über die Reitlehrerin. Sie war mir immer egal gewesen. Aber die hier? Sie verunsicherte mich ständig. Nun ging ich wieder auf die linke Seite des Pferdes, wo ich mit der Kardätsche zu putzen anfing. Kurz sah ich zwischendurch zu Herrn Meier. Er stand schweigend an der immer selben Stelle und beobachtete alles genau. So schien es zumindest. In Wirklichkeit waren seine Gedanken schon wo anders und er betrachtete mich nur noch mit halbem Auge.

Ich bemühte mich, weiterhin Jacqueline genau zu beobachten. Jedoch langweilte ich mich so langsam. Das Mädchen war auch extrem langsam beim Putzen, wie ich fand. Gut, beim Kennenlernen mache auch ich immer alles mit viel Ruhe, aber doch nicht ewig.

Nach jedem Kardätschenstrich bürstete ich das Putzutensil ordentlich am Striegel ab. Mir war das Putzen sehr langweilig, aber ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen.

Ich schweifte mit meinen Gedanken ab zu meiner Freundin Mia. Ich habe inzwischen tatsächlich noch ein kleines Zimmer in einer Pension außerhalb von Porto ausfindig machen könnne, obwohl natürlich in der Haupturlaubszeit eigentlich alles längst ausgebucht ist. Mia konnte also wie abgemacht Ende August kommen, worauf ich mich schon sehr freue.

Ordentlich putzte ich weiter und wechselte dann auf die andere Seite.

(Schon wieder? Du hast doch gerade vorhin die Seite gewechselt?)

Ich überlegte mir im Stillen, was ich mit Mia so anstellen könnte, wenn sie auf Korsika ankam. Ob ein Ausritt drin war? Aber Michael würde es sicherlich nicht erlauben, dass ich eines der Dreamdancer-Pferde einer Freundin zur Verfügung stelen wollte.

(Mit dem Striegel, jetzt macht sie noch mit der Kardätsche.)

Als ich mit der Kardätsche fertig war, bearbeitete ich noch die Mähne mit einem Mähnenkamm. Vorm Hufe auskratzen hatte ich etwas Angst, da das mit meinem Pflegepferd auch manchmal nicht funktionierte.

Es gibt sicherlich andere Reitställe in der Nähe, berlegte ich weiter, wo man ein Pferd für einen Ausritt mieten kann. Nikita, die ich nehmen würde, akzeptiert sowieso jedes Pferd an ihrer Seite.

Nach der gründlichen Mähnenpflege fuhr ich mit den Händen durch den Schweif und entfernte ein paar lose Haare.