"Und warum machst du das dann bitteschön nicht?", fuhr ich aufgebracht fort. "Ich mein, wir hatten letztens schon die selbe Diskussion. Ich möchte mich jetzt ungern wiederholen und alles von vorne durchkauen." Ich musterte die Schülerin von der Seite, Michael war etwas hinter uns.

"Ich habe mich bemüht", erklärte ich möglichst ruhig, obwohl mich Frau Chevalier schon wieder einschüchterte. Wie einfach war es doch mit Frau Heller gewesen. Wehmütig dachte ich an die Reitlehrerin, die ich erst im Nachhinein mag. Schnell schob ich den Gedanken beiseite.

Herr Meier war verärgert. Hatte Julia den Schülern nicht beigebracht, wie sie ein Pferd einfangen sollten? Er hatte einige Male bei ihrem Unterricht zugesehen, den er immer als gut befand. Was nun wohl Anna über ihn dachte?

"Sah nicht wirlich danach aus", gab ich unwirsch zurück. "Selbst du solltest mittlerweile wissen, dass Pferde Vegetarier sind und somit keine Menschen fressen. Pferde sind Herdentiere und haben ein Alphatier. Und dieses Alphatier solltest in dem Fall du sein." Ich fragte mich in dem Moment, ob meine Belehrungen überhaupt bei Jacqueline ankamen. Immerhin hatten wir ein so ähnliches Gespräch schon einmal und geholfen hatte es rein gar nichts. Abgesehen davon, dass sie solche grundlegenden Dinge bereits wissen sollte.

"Ja, ich weiß", entgegnete ich. Wir kamen nun am Putzplatz an. Ich band das Pferd vorschriftsgemäß an. Herr Meier lehnte sich ein paar Meter entfernt an den Anbindebalken und sah mir aufmerksam zu.

"Und warum verhältst du dich dann nicht dementsprechend?", hakte ich erneut nach. "Und komm mir jetzt nicht wieder mit deiner Standardausrede, dass du dich ja bemüht hättest. Das zählt nicht, jedenfalls bei mir nicht." Am Putzplatz angekommen, stellte ich mich zu Michael an den Holzbalken.

Ich konzentrierte mich sehr, den Knoten ja richtig zu machen und sah dann auf, um Frau Chevaliers Frage zu beantworten, was mir nicht leicht fiel: "Dann kann ich nichts dazu sagen." Ich kam mir vor wie vor Gericht.

Herr Meier wollte sich erst eigentlich nicht einmischen, doch er war verärgert. Nun sagte er streng: "Gib bitte Antworten, die etwas aussagen." Sein Ärger war deutlich zu hören.

"Das hat doch so überhaupt keinen Sinn", meinte ich aufgebracht. "Wenn du nichts lernen willst, dann lass es eben. Aber dann kann ich dir auch nicht weiterhelfen." Ich unterließ vorsichtshalber den Kommentar, dass sich Jacqueline ruhig etwas mehr anstrengen könnte, da ich das Ganze ja in meiner Freizeit machte. Ich wollte schließlicht nicht schlecht vor Michael dastehen, wenn er das falsch interpretierte.

"Ich sagte doch eben schon in der Direktion, dass ich es machen will", meinte ich. Mir zitterten schon wieder die Knie etwas. Wie konnte man es dieser Person Recht machen? Und Herr Meier war auch schon wieder ärgerlich auf mich zu sprechen. Jetzt stand er neben Frau Chevalier und blickte mich streng an. Hoffentlich war er mir nicht böse.

"Es geht hier nicht um diese eine Sache. Ich rede davon, wie du allgemein mit Pferden umgehst und dich dabei verhältst. Ich kann es dir jeden Tag sagen und du änderst trotzdem nichts daran", antwortete ich ungerührt. "Im Übrigen habe ich eine Lust auf Diskussionen mit dir, das ist ja sowieso für die Katz. Nur so viel: Mit deiner Einstellung wirst du nicht weit kommen, weder mit Julie noch mit Oda noch mit irgendeinem anderen Pferd. Und jetzt geh und hol endlich den Putzkasten, bevor wir alle Wurzeln schlagen."

"Ja, mache ich", erwiderte ich Frau Chevalier und ging schnell los, um das Putzzeug zu holen und mir ein paar Tränen wegzuwischen. Ich wünschte mir Jaline her, sie war immer so nett zu mir und ich bin wohl zu blöd zum Reiten? Ich griff nun aber schnell zum Putzkasten, die Lehrer sollten nicht noch einen Grund finden, um sauer zu werden.

"So schwarz siehst du das also?", fragte Herr Meier in der Zwischenzeit Anna. Mittlerweile lehnte er wieder gemütlich am Anbindebalken.

Überrascht sah ich Michael an. "Ich bin keine Schwarzseherin", erwiderte ich ihm. "Nur es stimmt, dass ich Jacqueline jedes Mal das Gleiche sage und es ändert sich nichts dabei. Ich bin ja mal äußerst gespannt, wie das mit Oda und ihr weitergeht. Jacqueline müsste einfach mal mehr Selbstbewusstsein entwickeln." Die Stute stand die ganze Zeit ruhig neben uns und spielte aufmerksam mit den Ohren.

"Du meinst, es liegt am Selbstbewusstsein?", fragte Herr Meier interessiert nach. Darüber hatte er sich noch nie Gedanken gemacht.

"Nun ja, könnte zumindest sein. Ich mein, ich kann auch nicht in sie reingucken. Aber sie wird ja wohl kaum absichtlich so handeln", erwiderte ich direkt.

Herr Meier nickte und knurrte: "Das wird hoffentlich bald. Wie soll sie sonst sicher mit Pferden umgehen?"

In dem Moment kam ich aus dem Stall. Ich hörte zwar nicht, was Herr Meier oder Frau Chevalier gesagt hatten, aber den Blick des Rektors sah ich. Hoffentlich stellte ich die beiden nun zufrieden. Beim Putzen werde selbst ich nichts falsch machen. In sicherer Entfernung vom Pferd stellte ich den Putzkasten vorsichtig ab und öffnete ihn. Ich nahm mir den Striegel heraus.

Ich zuckte nur mit den Schultern und schwieg vorerst. Jacqueline kam zurück und fing mit dem Putzen an. Ich finde es - ehrlich gesagt - ziemlich unnötig, Schülern beim Putzen zuzugucken. Vor allem, wenn sie es sowieso schon können und keine Hilfe benötigen.

So verdreckt wie dieses Pferd war meine Pflegestute noch nie. Ich war mir nicht ganz sicher, ob man dafür schon den Eisenstriegel verwenden durfte, ich hatte mich aber für den Gummistriegel entschieden. Hoffentlich kein Fehler. Mir zitterten die Knie noch immer etwas. In möglichst ordentlichen Kreisen striegelte ich das dreckige Pferd vor mir.

Herr Meier sah allem genau zu. Er kontrollierte seine Schüler gerne auch beim Putzen, zumindest zwischendurch, um sich ein Bild machen zu können. Er meinte, dass ich wohl etwas zu vorsichtig an die Sache heranging, es gefiel ihm aber, wie genau ich war.

Ich guckte schweigend zu, wie Jacqueline an Oda herumwerkelte. Einen Kommentar ersparte ich mir, da es bei der Schülerin sowieso nichts brachte. Ich schweifte mit den Gedanken ein wenig ab und suchte nach einer Lösung, wie das mit Jacqueline besser weiter gehen könnte. Allerdings war ich schon etwas genervt, denn alle Versuche meinerseits schlugen anscheinend fehl.

(Na, so lange ist Frau Chevalier ja noch nicht auf DD. :) )

Durch die gleichmäßige Bewegung und da Frau Chevalier nichts sagte, wurde ich etwas ruhiger. Trotzdem dachte ich daran, was noch alles kommen würde.

Darüber, dass ich so genau arbeitete, war Herr Meier sehr erfreut.

"Sag mal, bist du die ganzen Ferien über im Internat?", fing ich plötzlich an, Jacqueline zu fragen.

Warum interessierte sie das? Ich traute mich nicht zu fragen, entgegnete aber: "Nein, nicht die ganzen. Die letzten beiden Ferienwochen fahr ich nach Hause."

Herr Meier lauschte nur verwundert dem Gespräch.

"Gut, also wenn du dann mal eine Reitstunde willst, gib einfach Bescheid. Egal, ob mit Julie oder Oda", fuhr ich fort und lächelte dabei etwas. So musste also die Initiative immer von Jacqueline ausgehen. Falls sie tatsächlich Interesse an Reitunterricht hat, würde sie mich sicherlich fragen. Ansonsten lassen wir es eben bleiben.

Erstaunt unterbrach ich meine Putzsession und sah Frau Chevalier an. Wie war das jetzt gemeint? So als Art Nachhilfe? "Danke für das Angebot", sagte ich etwas überrumpelt. Sollte ich das Angebot annehmen? In meinem Kopf drehte sich alles. Was würde das bringen? Dann dachte ich aber an Frau Chevaliers spitze Bemerkungen. Die wollte ich mir nicht freiwillig anhören. Nur eben war sie doch so nett?

Herr Meier hatte nun noch einen Grund zur Freude. Wieder einmal erkannte er Annas Engagement.

"Hab ich dir und den anderen ja auch schon in der letzten Reitstunde angeboten. Ich wollte dich nur noch einmal daran erinnern", meinte ich. Ich bin schon gespannt, ob manche Schüler das Angebot annehmen würden. Es gibt ja einige lernwillige Jugendliche hier, da werden sicher ein paar zu mir kommen. Ich werde wohl sowieso die ganzen Ferien über auf Dreamdancer bleiben.

Ich wurde rot, das hatte ich wohl überhört. Wieder widmete ich mich dem Putzen.

Nun schweifte Herr Meier doch auch mit den Gedanken ab, dennoch beobachtete er mich.

"Hast du denn nun mal mit Julie alleine gearbeitet?", fragte ich jetzt weiter nach.