Ich verräumte Jacquelines und meinen Teller. Sie selbst wollte sich von Feli noch etwas für Französisch erklären lassen. Wir machten aus, dass wir uns später auf dem Dach treffen wollten. Als ich sah, dass Robert nach draußen steuerte, folgte ich ihm.

Robert wollte die abendliche Ruhe im Freien genießen. Ihn strengte der Auslandsaufenthalt mittlerweile ganz schön an. Er ging in Richtung der Weiden und lauschte den Naturgeräuschen. Er war erschöpft.

Da es abends noch kühl war, bereute ich es etwas keine Jacke geholt zu haben. Aber dadurch war hier draußen immerhin nicht viel los. Während des Abendessens hatte sich Robert mal wieder hauptsächlich an Jacqueline gehalten, was meine Wut nicht gerade beruhigte. Schnellen Schrittes folgte ich Robert.

Robert hörte Schritte hinter sich, drehte sich aber nicht um. Wer sollte von ihm etwas brauchen? An der leeren Koppel blieb er stehen und blickte verträumt in die Ferne.

"Guten Abend Robert", sagte ich bei ihm angekommen leise, ließ aber durchaus zu, dass meine Stimme bedrohlich klang

"Hallo Samuel", entgegnete Robert etwas erschrocken und blickte den anderen Jungen an. Eigentlich wollte Robert seine Ruhe haben, aber er hoffte, dass Samuel nur kurz etwas wissen wollte.

"Hier auf der Weide habe ich Jacqueline das erste Mal so wirklich kennen gelernt", erinnerte ich mich mit einem Blick zur Wallachkoppel, "Im Sommer ist es dann 2 Jahre her." Ich lächelte beim Gedanken daran.

"Aha." Robert war unsicher. Warum erzählte Samuel ihm das?

"Und jetzt höre ich, dass du sie anbaggerst", schloss ich. Ich schaute Robert nun an. In meinem Gesicht standen Wut und Ärger.

"Wer sagt das?", wollte Robert stirnrunzelnd wissen.

"Das spielt gar keine Rolle, denn ich glaube dir sowieso nicht", meinte ich schulterzuckend, "Wichtig ist nur, dass du dich von meiner Freundin fern hältst." Letzteres sagte ich nun wieder sehr scharf

"Ich habe Jacqueline nicht angebaggert", erwiderte Robert ernst, "Aber wieso sollte ich mich deswegen von ihr fernhalten? Zumal ich am Samstag sowieso abreise."

"Zum Glück", meinte ich, "Und bis dahin halte dich lieber an deine Austauschpartnerin"

"Was soll das Ganze?", fragte Robert verständnislos, "Nur, weil Jacqueline und ich sich für Bodenarbeit interessieren und irgendjemand ein Gerücht in die Welt setzt, soll ich mich von ihr fern halten? Und ich unternehme auch Dinge gemeinsam mit Monique."

Ich verdrehte die Augen. "Monique hat mir aber nicht erzählt, dass du sie angebaggert hättest. Und selbst wenn, wäre es mir soweit egal", sagte ich.

"Ich habe sie nicht angebaggert", erwiderte Robert, "Und Jacqueline auch nicht."

Blitzschnell griff ich nach Roberts Arm und verdrehte ihn nach hinten. So hatte ich den Jungen ziemlich fest. Dabei kam mir wohl zu Gute, dass ich nicht nur kräftig war, sondern auch ein Stück größer als Robert. "Halt dich von Jacqueline fern, zum letzten Mal", knurrte ich.

Robert entfuhr ein Schmerzensschrei und versuchte sich loszureißen, was völlig sinnlos war, da er sehr schmächtig ist.

Mit einem Ruck stieß ich Robert von mir,wodurch dieser auf dem Boden landete. "Denk dran: Halt dich von Jacqueline fern!", sagte ich noch, bevor ich mich umdrehte, um in Richtung Stall zu gehen.

Robert war erst so erschrocken, dass er regungslos liegenblieb. Er hatte Nasenbluten, was er merkte, als er sich aufsetzte. Ansonsten war er von oben bis unten ziemlich schlammig.

Frau Ring hatte nach dem Abendessen noch ein wenig mit Frau Seifert geplaudert und wollte nun noch einmal kurz in den Stall gehen, als sie Roberts Schrei hörte. Sie konnte die Stimme sofort zuordnen und beschleunigte ihre Schritte, als sie auf Samuel stieß, der aus der Richtung des Schreis kam. Sie ging davon aus, dass Samuel unterwegs war, um Hilfe zu holen und sie rechnete mit dem schlimmsten. "Was ist passiert?", fragte die Lehrerin deshalb grußlos.

Als ich Frau Ring auf mich zukommen sah, setzte ich sofort ein ernstes Gesicht auf. Ich lächelte die Lehrerin kurz an. Lügen konnte ich zumindest ganz gut, denn nur so war ich früher meiner Mutter entkommen. Bei Frau Ring würde dies besonders leicht sein, denn diese kannte mich als hilfsbereit. "Ich war im Wald eine kurze Runde spazieren und habe beim Rückweg aus der Ferne gesehen, dass Robert im Matsch vor der Weide ausgerutscht ist. Als ich gemerkt habe, dass er sich aufsetzt, wollte ich erst zum Stall, um Tücher und Verbandszeug zu holen", sagte ich sehr glaubhaft, "Hoffentlich ist ihm nichts Schlimmes passiert."

"Wie konnte das passieren?", meinte Frau Ring entsetzt, "Lass uns nach ihm sehen!" Frau Ring ging Richtung Weiden, wo Robert gerade aufstand.

Ich machte nun kehrt und ging mit schnellen Schritten neben der Lehrerin her. "Es hat viel geregnet in den letzten Tagen. Heute als ich Gizella herein geholt habe, wäre ich auch beinahe ausgerutscht", erzählte ich. Kurz bevor wir bei Robert waren, fischte ich eine Packung Taschentücher aus meiner Hosentasche, welche ich ihm reichen wollte.

"Hallo Robert", grüßte Frau Ring. "Guten Tag", grüßte Robert zurück und rieb sich seinen Arm. Vom Festhalten tat dieser noch ein bisschen weh. "Ist dir etwas passiert?", wollte Frau Ring nun wissen, "Soll ich dich zum Arzt fahren." "Nein, danke", erwiderte Robertt höflich, "es ist nichts passiert." Er zog die blutende Nase hoch.

Ich hielt Robert die Packung Taschentücher hin. So wenig ich ihn mochte, immerhin musste man es ihm hoch anrechnen, dass er nichts sagte. Er schien wohl wie ich der Meinung zu sein, dass man nicht an Lehrer petzte.