Der heutige Vormittag war nicht besonders anstrengend gewesen. Gerade in Deutsch habe ich mich mal wieder zu Tode gelangweilt. Robert hat in seiner Schule zuhause kein Deutsch. Ich habe mich gefragt, ob er unserem Deutschunterricht folgen kann und bejahte diese Frage innerlich. Das Mittagessen schmeckte lecker wie immer, fiel für unsere Klasse aber kürzer aus, da wir die Pferde vor dem Springunterricht selber fertig machen mussten. Die Versorgung nach der Springstunde übernahmen dafür immer Lehrer, die gerade Zeit hatten, da es für uns in der siebten Stunde gleich mit Chemie weiterging. "Es wird so was von das Chaos geben", mutmaßte ich, als ich mit Sam, Chantal, Leonie, Mandy, Feli und Robert zur Stutenkoppel ging. Wir waren bereits mit den Halftern für unsere Pferde bewaffnet. "Ich verstehe nicht", meinte Robert, "wie man neun Reiter in einer Reitstunde verantworten kann. Ich finde, drei Reiter sollten das Maximum sein."

"Nun", setzte ich Robert entgegen, "Dafür gibt es aber zeitlich gesehen keine Lösung. Von daher werden wir wohl damit auskommen müssen. Und Frau Chevalier regelt das schon richtig." Ich sah meine Stute bereits vorne stehen und lächelte.

"Da bin ich schon gespannt", erwiderte Robert, "Gestern war sie ziemlich streng." "Nicht nur gestern", grinste ich, "Sam hat recht: Sie sieht auch noch bei neun Reitern den kleinsten Fehler." "Dein Pferd gibt dir sowieso immer Feedback", gab Feli zu bedenken. Bei ihrem Pflegepferd konnte ich mir das gut vorstellen. Beim Gedanken an Oda bekam ich Gänsehaut, aber da erblickte ich schon Julie, auf die ich gleich zuging und die ich mit Streicheleinheiten begrüßte.

Ich stand auch bald darauf bei meiner Herzensdame, die ich natürlich ordentlich begrüßte. Gizella war heute sehr ruhig, es sah nicht nach einem ärgerlichen Tag aus. Generell merkte ich immer mehr, dass die Stute ruhiger wurde, was wohl dem Alter geschuldet war. Ich legte ihr das Halfter an und sah mich nach Jacqueline um, zu der ich Gizella, dann auch führte.

Wir standen nahe dem Tor. Ich legte Julie das Halfter an und führte die Stute zum Weidetor, das uns Robert gentlemanlike aufhielt. Er wartete, bis die ganze Klasse mit den Stuten hindurch war.

Der Höflichkeit halber bedankte ich mich bei Robert. Nach dem Tor ging ich mit Gizella neben Jacqueline und Julie. "Na ihr zwei Hübschen", meinte ich lächelnd.

"Findest du jetzt sogar schon Julie hübsch?", lächelte ich zurück. Ich ging neben Sam zum Putzplatz, wo ich Julie ordnungsgemäß anband. Robert band Larissa neben Julie an, auf der anderen Seite war allerdings Platz für Gizella. Während ich mit Sam Hand in Hand zur Sattelkammer ging, gesellte sich Robert zu uns und fragte mich: "Du hast gestern etwas angedeutet, dass du Bodenarbeit machst. Machst du das häufiger?"

Ich streichelte sanft über Jacquelines Handrücken, während wir zur Sattelkammer gingen. Dort reichte ich Jacqueline Julies Putzkasten, ließ ihre Hand jedoch nicht los. In das Gespräch mischte ich mich nicht ein

Ich lächelte Sam zu und antwortete Robert dann: "Oh ja, ich mache das wirklich sehr gerne. Es liegt mir auch mehr als das Reiten." Ich bedankte mich bei Sam für den Putzkasten, fragte Robert dann aber: "Warum fragst du? Machst du mit deinem Draumur auch viel vom Boden aus?" "Wow, du hast dir seinen Namen gemerkt", freute sich Robert, der mit Larissas Putzkasten neben mir herging, "Ja, wir mögen die Arbeit vom Boden aus wirklich gerne. Meinst du, ich darf mit Larissa ein paar Übungen machen? Es ist schließlich gut für das Vertrauen zwischen Mensch und Pferd."

"Im Normalfall musst du da die Reitlehrerin fragen", mischte ich mich nun doch ein, "Sie kann dir sagen, was du darfst und was nicht." Frau Chevalier war noch nicht auf dem Putzplatz, als wir bei diesem ankamen. Üblicherweise kam sie aber auch erst, wenn wir begannen zu satteln, denn sie baute schon die Hindernisse auf

"Stimmt", bestätigte ich, "Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas dagegen hätte. Wir könnten ja etwas zusammen machen." Ich stockte kurz und fügte hinzu: "... wenn du Lust dazu hast. Vielleicht kannst du mir neue Dinge zeigen. Ich mache Bodenarbeit nämlich erst seit knapp eineinhalb Jahren. Wie ist das bei dir?" "Ich reite seit etwa drei Jahren", gab Robert Auskunft, "Aber mit Bodenarbeit beschäftige ich mich schon viel länger wie mit dem Reiten an sich." Ich stellte den Putzkasten ab und entnahm den Striegel.

"Und dann schon ein eigenes Pferd? Wie lange hast du das schon?", fragte ich nun doch nach. Ich begann damit Gizella zu striegeln. Auch die anderen bearbeiteten nun ihre Pferde.

"Draumur haben meine Eltern vor fünf Jahren gekauft", erzählte Robert, "Meine Schwester ritt ihn damals, verlor aber das Interesse an dem Pferd. Ich habe mit Draumur schon damals viel Bodenarbeit gemacht und auf ihm das Reiten gelernt, damit es ihm nicht fehlt." Ich arbeitete zügig, um auf jeden Fall pünktlich fertig zu werden.

"Nun, deswegen würde ich kein Pferd haben wollen. Am Ende gäbe es genug, was mir wichtiger wäre, und das will ich dem Tier nicht antun", meinte ich. Ich kam gut voran, Gizella hatte wohl darauf verzichtet sich im größten Dreck zu wälzen.

"Ja", bestätigte Robert, "Man muss vorausschauend denken. Ich hoffe, dass ich Draumur noch lange haben kann." Während er weiterputzte, fragte mich der irische Junge: "Erlaubte dir die Reitlehrerin sofort, Bodenarbeit zu machen, als du den Wunsch geäußert hast?" Ich wurde leicht rot und gab nicht sofort eine Antwort.

Schweigend kümmerte ich mich nun weiter um meine Herzensdame. Diese döste nun etwas vor sich hin. Ich hoffte, dass sie in der Stunde etwas wacher war.

Ich erzählte nun, dass der Vorschlag von Frau Chevalier gekommen sei, was Roberts Meinung über unsere Reitlehrerin sichtlich positiv beeinflusste. Wir plauderten ein wenig darüber, woran wir gerade arbeiteten, bis es Zeit wurde, das Sattelzeug zu holen.

Da Jacqueline ja mit Robert redete, putzte ich Gizella schweigend. Dadurch war ich recht zügig fertig, noch etwas vor Jacqueline. Gemeinsam mit Mandy und Feli ging ich in Richtung Sattelkammer, um das Sattelzeug zu holen. Als wir zurück kamen, war auch schon Frau Chevalier am Putzplatz. Sie lehnte am Anbindebalken undwartete auf uns.

Da Sam nicht auf mich gewartet hatte, konnte ich mich noch länger mit Robert unterhalten. Als ich Frau Chevalier sah, beeilte ich mich aber sichtlich. Ein Blick auf die Uhr verriet mir allerdings, dass unsere Reitlehrerin heute überpünktlich war. Julie war zwar schnell gesattelt, doch ich war die vorletzte, die fertig wurde. Robert brauchte noch ein wenig länger, er arbeitete beim Satteln und Zäumen sehr langsam. Ob er zuhause eine andere Zäumung verwendet oder einfach nur langsam war?

"Kommst du zurecht, Robert?", fragte Frau Chevalier nun nach, "Wenn ja, bitte ich dich darum, bei der Arbeit nicht einzuschlafen. Schließlich haben wir heute eine große Truppe und haben viel vor. Die anderen dürfen gerne schon mal voraus und die Pferde warmreiten und lösen." Ich wendete also Gizella und folgte der Truppe langsam, um neben Jacqueline gehen zu können.

"Entschuldigen Sie bitte", antwortete Robert und arbeitete schneller, "Ich will nur nicht zu hektisch werden. Larissa kennt mich doch noch gar nicht." Mir tat Robert leid. Von Frau Chevalier eins auf den Deckel zu bekommen, fand ich noch nie besonders lustig. Trotzdem ging ich neben Sam her. "Ich hatte gehofft", sprach ich meine Gedanken aus, "Dass wir heute nicht springen müssen. Oder was meint ihr, was Frau Chevalier gerade mitteilen wollte? Noch höhere Hindernisse als sonst? Da macht Julie bald nicht mehr mit."

Frau Chevalier bleib nun bei Robert stehen, während wir unsere Pferde zur Halle führten. "Ich denke, sie meint damit, dass es länger dauert bis wir alle dran kommen", mutmaßte Feli vor uns schüchtern. Ich stimmte dem zu. In der Halle standen bereits 4 Hindernisse aufgebaut, eine Kombination, und zwei Steilsprünge. Außerdem noch eine Reihe aus drei Cavaletti.

"Ich schwitze jetzt schon", meinte ich etwas verbittert, als ich die Hindernisse sah. Ich streichelte Julie am Hals und stieg dann auf. Wir sollten unsere Pferde wohl schon aufwärmen. Robert schien nun doch fertig geworden zu sein, denn es erklang ein "Tür frei" von ihm.

Als Robert kam, war ich bereits aufgestiegen, stand aber noch. Chantal rief: "Ist frei", sie ritt bereits. Frau Chevalier folgte Robert zur Mitte und hakte nach: "In wie weit würdest du deine Erfahrungen beim Springen einschätzen?"

Julie schritt gemütlich dahin. "Nicht so gut", antwortete Robert schüchtern, "am Reitplatz bin ich bis jetzt nur Cavaletti gesprungen, im Gelände den ein oder anderen Baumstamm." Ich musste an meine Anfänge im Springunterricht in der Gruppe denken.