Während ich Great Heart antreten ließ, schaute ich zu Herrn Meier und Jacqui, wie lang sie ihre Zügel ließen. Das machte ich so nach. Ein weiterer Puntk bei dem ich mir nie sicher war.

"Strand klingt gut", meinte ich lächelnd. Dann fügte ich aber noch dazu: "Wenn Sie damit auch einverstanden sind Herr Meier"

Ich war im vergangenen Sommer zwar ein paar Mal zum Strand gelaufen, aber zu Pferd kannte ich den Weg nicht. Ich folgte Herrn Meier daher einfach. Great Heart bewegte sich unter mir ruhig und gleichmäßig. Ich versuchte Zeichen der Veränderung zu sehen.

Ich zuckte zusammen, als Herr Meier das Wort an mich richtete. Das tat ich häufiger. Allerdings sah Great Heart das als Anlass flotter zu laufen, wodurch der Abstand kleiner wurde. Sofort musste ich meine Konzentration darauf richten, dies wieder zu korrigieren.

Dank den Anweisungen des Rektors schaffte ich es Great Heart zu verlangsamen. "Danke", sagte ich nun zu Herrn Meier, "Und Verzeihung"

"Ja", beantwortete ich sie nun, "Frau Chevalier sagte, dass im Gelände fast alles geht wie in der Halle, nur die Umgebung ist unterschiedlich." Dann fiel mir noch etwas ein: "Aber der Galopp war sehr kurz, weil ich mich nicht wohl gefühlt habe"

Unsicher blickte ich zu Jacquelin zurück. Ich wollte ihr und natürlich auch meinem Rektor nicht die Freude am Ausritt verwehren. Sicherlich galoppierten sie gerne. Zumindest aus meiner Klasse sind immer alle recht begeistert, wenn es ums Galoppieren ging. Mir selbst gefiel es nur ein wenig. Ich verlor schnell das Gleichgewicht beim Galoppieren und konnte mich daher nur mühsam halten. Generell war mein Sitz etwas was Frau Chevalier häufiger kritisierte. Eigentlich sollte ich es besser wissen. Schließlich durfte ich mich zuhause auch nicht klein machen, wenn ich Angst hatte oder mich unwohl fühlte. Aufrecht und vor allem selbstbewusst stehen und gehen, auch das mussten wir zuhause üben. Vor allem aber an Selbstbewusstsein, daran mangelte es mir. "Ich denke, es wäre in Ordnung, Sir", sagte ich schließlich schüchtern.

Ich zuckte wieder einmal ordentlich zusammen, bekam Great Heart aber sofort in den Griff, denn dieses mal wurde er nicht schneller sondern stockte kurz. Da ich diese Frage schlicht und ergreifend nicht mit der Wahrheit beantworten wollte, beschloss ich lieber eine Karte auszuspielen, die ich selten anwandte und die mich regelmäßig in das schlechte Gewissen trieb. Aber das schlechte Gewissen, wenn ich den Ausritt verderben würde, wäre deutlich größer. Ich schob es auf ein Nichtverständnis der Sprache: "Ich verstehe nicht, wo der Unterschied liegt." Durch das schlechte Gewissen allein, lag bereits ausreichend Unsicherheit in meiner Stimme. Das war gut so. Ich wüsste nicht, ob es sonst schauspielern könnte.

Wie so oft in meinem Leben wünschte ich mir ganz weit weg zu sein. Oder wenigstens umzufallen und nicht mehr aufzuwachen bis alles vorbei war. Wobei das gerade mit den Pferden wohl keine gute Idee war. Das Seufzen verkniff ich mir selbstverständlich. Ich wusste gar nicht, wie es war etwas zu mögen. Beziehungsweise es zu dürfen. Es zählten immer meine Eltern und was diese wollten. "In England zieht man keine klare Grenze", brachte ich schüchtern hervor.

Inzwischen hatte ich mal wieder Tränen in den Augen. Ich bekam nicht mit, dass die anderen ihre Zügel aufnahmen, also tat ich es nicht. Ich war unsicher, ob ich etwas sagen sollte, traute es mir aber nicht zu.

Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als zu lügen. "Ja", sagte ich also, während ich gegen mein schlechtes Gewissen ankämpfte. Dann sackte ich kraftlos ein wenig in mir zusammen.

So wirklich bekam ich den Satz gar nicht mit, aber als Jacqueline antwortete sah ich es als erledigt an. Ich versuchte mich wieder aufzurichten, was ich halbwegs hinbekam. Ich wünschte mir fast ein wenig, die Handschuhe auszuziehen, um das warme Pferdefell zu berühren.

Ich schreckte nun aus meinen Gedanken auf und nahm die Zügel auf. Wie konnte man denn ein gutes Gefühl wegen einer Zügellänge haben? Ganz verstand ich es nicht. Ich hatte immer noch nicht so richtig eine Ahnung, wie man sie genau nehmen sollte, hatte mir aber eingeprägt bei welchen Stegen ich etwa greifen musste. So machte ich es auch dieses Mal. "Ich bin mit den Zügeln fertig", meldete ich dann.