"Ist doch Ehrensache", lächelte ich.

"Meine Mum hat das mit dem Bienenstich rausbekommen", murmelte ich nun und dachte daran zurück. Sie war ausgerastet. Nur ihrem Psychologen und meinem Vater war es zu verdanken, dass ich überhaupt noch hier war

"Über Herrn Meier, oder?", fragte ich ruhig.

"Ich weiß es nicht", sagte ich ehrlich, "aber wenn sie gefragt hat, wird er sie kaum belogen haben"

"So ist er halt", nickte ich, "Erwachsene sind so."

"Meine Mum wollte mich von der Schule nehmen", seufzte ich dann

"Wann und wieso?", fragte ich erschrocken.

"Vor einigen Tagen, als ich so lange telefoniert habe", erzählte ich zögerlich, "Sie ist der Meinung man passt hier nicht gut genug auf mich auf"

"Dabei sind die Regeln doch relativ streng", meinte ich nachdenklich, "also ich kann mir nicht vorstellen, dass man im Internat die Gelegenheit hat, eine geheime Party mit Alkohol zu schmeißen oder so."

Ich musste lachen: "Ich darf zuhause Alkohol trinken, Jacqueline, davor hat meine Mutter keine Sorgen"

"Nicht? Meine würden da sicher wieder Verantwortungspredigen halten", lachte ich bitter.

"Ich bekomme dauernd zum Abendessen ein Glas Wein oder so. Meine Eltern wissen, dass ich damit verantwortungsbewusst umgehen kann. Ich hab es nur gelassen, als du da warst, weil du es ja nicht so gerne magst, wenn ich trinke", erzählte ich

"Süß von dir", meinte ich fast ehrfürchtig. Doch dann fiel mir ein: "Was ist dann das Problem?"

"Ich könnte krank werden, ich könnte umkippen, mich könnte eine Biene stechen, ich könnte mir den Hals brechen, ...", zählte ich die Sorgen meiner Mutter auf

"Also wegen der Biene", murmelte ich, "Da ist Herr Meier mit dir ja direkt zum Arzt gefahren."

"Meine Mum ist psychisch krank. Für sie reicht das kleinste bisschen als Beweis. Und wenn Herr Meier die Biene nicht eigenhändig abgewehrt hat, dann ist er für sie mit schuld", sagte ich vorsichtig und langsam. Ich wusste nicht, wie weit ich Jacqueline da mit hineinziehen wollte

Über psychisch kranke Leute hatte ich mir bis jetzt noch keine Gedanken gemacht, deshalb schwieg ich auch, hielt Sam aber weiter fest, um ihm zu vermitteln, dass ich gerade nur nicht wusste, was ich sagen sollte.

Ich seufzte. "Es ist einfach nicht leicht. Ich liebe meine Mutter und sie liebt mich. Aber sie ist für mich schwer zu ertragen. Zwischenzeitlich wurde es besser. Und jetzt wieder schlimmer", sagte ich traurig

So traurig kannte ich Sam gar nicht. Normalerweise witzelte er ja eher. "Ich hab dich logischerweise trotzdem lieb", flüsterte ich, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte. Ich war ein wenig überfordert.

"Auf jeden Fall ist es besserm wenn sie nichts mitbekommt", schloss ich nun ab und richtete mich auf. Ich wollte noch einmal etwas trinken und dann den Heimweg antreten.

"Klar", lächelte ich leicht und ließ Sam los, als er aufstand. Ich selbst blieb noch liegen.

Da die die Jacqueline gebracht hatte leer waren, musste ich wohl zum Platz zurück. Da waren auch Jaline und Clément. "Gehen wir dann?", fragte ich Jacqueline

"Klar", sagte ich etwas gähnend, stand dann aber auf und drückte Sam noch einmal eng an mich. "Ich liebe dich", flüsterte ich ihm ins Ohr.

"Ich dich auch", sagte ich leise, löste mich aber dann entschlossen. Ich wollte nochmal etwas trinken.

Ich verstand nicht ganz, warum sich Sam so schnell wieder abwendete, aber so große Gedanken machte ich mir darüber nicht. Allerdings traute ich mich unter diesen Umständen nicht, Sams Hand zu nehmen.