Ich drehte die Klimaanlage auf und meinte: "Wenn es dir zu warm ist, einfach sagen." Ich trank meinen Kaffee aus und wir konnten fahren.

Ich sah, wie müde Nina war und erklärte ihr, wie sie die Lehne ihres Sitzes zurücklegen konnte, doch sie schien wohl doch nicht schlafen zu wollen. Seltsam fand ich das Verhalten schon und ch überlegte, ob ich sie darauf ansprechen sollte. Vielleicht sah sie ja nur müde aus und war es gar nicht? Ich überlegte weiter, als wir die dunkle Straße entlangfuhren.

"Nun ist aus unserem Gespräch wohl nichts geworden", begann ich. "Aber ich habe dir ja versprochen, dass du nach dem Arzttermin von mir deine Ruhe hast. Und Versprechen muss man halten. Das gilt für jeden. Aber irgendwann - möglichst bald - müssen wir mal sprechen. Mach dir aber keinen Stress."

"Wie gesagt", antwortete ich ruhig, "möglichst bald, also morgen vielleicht? Wenn du im Stall mit deinem Pony beschäftigt bist? Ich helfe dir auch ein bisschen, wegen deinem Bein."

"Um neun Uhr im Stall?", fragte ich, "ich würde Bescheid sagen, dass Goldenland nicht rauskommt, dann können wir ihn pflegen, wenn du wieder ausgeschlafen bist. Du scheinst ja sehr müde. Wie geht es deinem Bein jetzt eigentlich?"

"Dauert wohl ein bisschen, bis das Zeug wirkt", meinte ich.

Ich dachte nach. Sollte ich irgendwas weiterfasseln? Denn so müde konnte Nina auch wieder nicht sein, wenn sie doch nicht schlafen wollte. Alles sehr seltsam. Aber da wir noch ca. 15 Minuten Fahrt vor uns hatten, fasste ich mir ein Herz: "Nina?", fragte ich, "ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber warum verhältst du dich in letzter Zeit so abweisend mir gegenüber? Wenn was ist, kannst du es mir gerne sagen, ansonsten behalte es für dich, wenn es mich, deiner Meinung nach, nichts angeht." Ich hielt kurz die Luft an.

Kurz sah ich zu Nina, als sie mich so erschrocken mit großen Augen ansah, dann blickte ich aber wieder auf die Fahrbahn. Ich wollte ja keinen Unfall bauen.
"Mach dir keinen Stress", sagte ich ruhig, "wie gesagt, wenn du nichts sagen willst, ist es auch ok. Ich finde, alles sollten Lehrer auch nicht wissen."

Ich merkte, dass sich Nina entschlossen hatte, mir etwas zu sagen, denn sie starrte angestrengt auf den Boden.
"Wir sehen uns ja oft genug", meinte ich, "also ist es ja im Prinzip egal, wenn du es jetzt nicht sagst. Morgen zum Beispiel. Und heute bin ich auch noch lange im Direktionszimmer, da kannst du auch gerne zu mir kommen." Ich machte eine Pause. "Oder du spuckst es sofort aus", fügte ich aufmunternd hinzu.

"Du kannst ja darüber nachdenken", sagte ich. Innerlich machte ch mir totale Sorgen um Nina. Was sie wohl hatte? So schüchtern kenne ich sie gar nicht! Ob es in der Schule gröbere Probleme gab? Wurde sie gemobbt? Aber das konnte ich mir nicht vorstellen.

Schön langsam machte ich mir echt große Sorgen. Wenn das so schlimm war, dass Nina es ewig nicht sagte, muss es ja was sehr Schwerwiegendes sein! Doch plötzlich fiel es mir ein und ich meinte: "Ich erzähle es auch nicht rum, im Kollegium, falls du das glaubst. In gewisser Weise hat auch ein Lehrer eine Schweigepflicht."

"Müssen?", fragte ich, "Muss ist gar nichts." Wir hielten am Parkplatz von Dreamdancer. Ich hielt das Auto, ließ aber noch die Klimaanlage laufen, um zu signalisieren, dass ich gesprächsbereit war. Nina hatte wohl ein größeres Problem. Ich lehnte mich zurück.

Oh weh, dachte ich im ersten Moment, was habe ich bloß getan?! Nina starrte auf den Boden, ich konnte also nicht viel von ihrer Miene sehen, aber ich konnte mir ja denken, wie sie sich nun fühlte. In ruhigem Ton fragte ich: "Weswegen denn?"