"Du sollst auch keine Pferde füttern, die nicht dir gehören oder die du nicht pflegst", erwiderte ich streng. "Eine Grundregel, die du schon längst kennen müsstest. Aber wie gesagt, in diesem Fall ist es wohl etwas anderes und da du es so mit Pfeffers ehemaliger Plegerin ausgeacht hast, habe ich auch nichts dagegen." Innerlich fragte ich mich nur, was Michael dazu sagen würde.

"Danke", meinte ich lächelnd. Jetzt war der Moment gut, sollte ich Frau Chevalier die Frage stellen, die mir schon seit etwa einem Monat durch den Kopf spukte?

"Aber das nächste Mal fragst du vorher nach, wenn du dir bei etwas nicht sicher bist", entgegnete ich bestimmt. "Nicht erst nach einem halben Jahr."

"Einverstanden", nickte ich höflich. Ich erwähnte nicht, dass ich mir erst eigentlich keine Gedanken darüber gemacht habe, da es mir Jaline aufgetragen hatte, da ich sowieso mit einem blauen Auge davongekommen war.

"Na gut", meinte ich nur und wollte weitergehen. Doch irgendwie machte Jacqueline den Anschein, als wollte sie noch etwas von mir. "Sonst noch was?", fragte ich sie also freundlich.

Frau Chevalier schien wirklich heute einen guten Tag zu haben. Also frage ich sie nun doch, entschied ich mich, wurde ein wenig rot und strich mir eine Haarsträhne zurück. "Äh, ja", fing ich etwas stotternd an, "Ich hätte da eine Frage... wegen dem Klopapierspiel..."

Ich drehte mich nun wieder ganz zu dem Mädchen um und musterte sie. "Ja?", fragte ich schließlich.

"Also, da reitet man ja ohne Sattel, nicht wahr?", fing ich etwas ungeschickt an, "ist das nicht schädlich für den Pferderücken mit zwei Reitern und so?"

Ich war positiv überrascht, so viel Interesse aus Jacquelines Mund zu hören. Sonst scheint ihr ja alles, was mit Pferden zu tun hat, ziemlich egal zu sein. Ich setzte also zu einem Vortrag über dieses Thema an: "Beim Reiten ohne Sattel wird die Belastung fürs Pferd nicht größer, sondern offensiver. Der Sattel ist ja dazu da, das Gewicht des Reiters auf eine größere Fläche zu verteilen. Reitet man nun ohne Sattel, hat man nur eine kleine Fläche mit dem gesamten Gewicht drauf. Wenn du jetzt zum Beispiel dem Pferd in den Rücken fällst, tut es ihm natürlich mehr weh, als wenn der Sattel den Druck verteilt." Ich sah das Mädchen ernst an, um zu gucken, ob sie alles verstanden hatte.

Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Ich wollte ja auch keine dummen Fragen stellen, jedoch überwand ich mich: "Wenn ich nicht leichttrabe, was ja ohne Sattel wohl eher nicht geht, kann ich dem Pferd ja nicht in den Rücken fallen?" Schüchtern sah ich meine Reitlehrerin an.

"Man kann sehr wohl ohne Sattel leichttraben, das erfordert allerdings einen guten Sitz. Man hat eben keine Bügel, um sich abzustützen, deshalb braucht man mehr Körperspannung und einen guten Knieschluss", erwiderte ich angeregt. Ich kam mal wieder voll in Fahrt, wie so oft bei meinen bekannten "Vorträgen". "Aber das mit dem in den Rücken fallen war ja nur ein Beispiel. Meiner Meinung nach fördert das Reiten ohne Sattel einen unabhängigen Sitz. Durch den Sattel werden viele Sitzfehler ausgeglichen, die, wenn du diese ohne Sattel machst, dazu führen, dass man vom Pferd fällt."

Erschrocken riss ich die Augen auf. "Oh Gott", entfuhr es mir, "und zwei Reiter, ist das nicht zu schwer?"

"Zu schwer ist es für ein Pferd bestimmit nicht", erklärte ich weiter. "Allerdings sollte man das auch nicht ständig oder zu lange machen, das wäre schädlich für den Pferderücken."

"Also doch schädlich?", erkundigte ich mich neugierig. Aber das konnte ich nicht glauben. Wenn das schädlich wäre, würde es Sam niemals zulassen.

(Und Herr Meier erst recht nicht...)

"Ist ja nett, dass du dir Sorgen machst", freute ich mich, "aber wirklich, wenn du das einmal machst, kann nichts Gravierendes passieren." Mich wunderte es allerdings schon etwas, dass Jacqueline plötzlich ein solches Interesse zeigte.

(Stimmt. :) )

"Naja, man macht es dann ja doch öfters", warf ich ein, "Schließlich trainiert man ja vorher."

"Niemand ist gezwungen, bei dem Spiel mitzumachen, wenn er meint, dass es nicht gut für sein Pferd ist", erwiderte ich. "Meine Meinung dazu kennst du jetzt ja. Ein gut trainiertes und bemuskeltes Pferd hält das durchaus aus."

"Natürlich nicht", entgegnete ich. Ich habe doch nur nachgefragt. Diese Frau schien scheinbar vergessen zu haben, dass ich noch nicht ganz so lange reite wie sie und mir deswegen einfach unsicher war. "Und welche Gangart können Sie uns für das Spiel empfehlen?", fügte ich nun aber doch hinzu.

"Ich glaube, dazu kann ich dir nichts sagen, das muss jeder für sich selbst entscheiden", meinte ich achselzuckend. "Ihr habt ja noch Zeit zum Üben, dann seht ihr schon, was für euch am geeignetsten ist."

"Okay, danke", meinte ich schüchtern, "und nochmals entschuldigung wegen Pfeffer."

"Bei mir musst du dich dafür nun wirklich nicht entschuldigen", erwiderte ich energisch. "Schon gar nicht, wo doch jetzt sowieso alles in Ordnung ist." Ich sah mich kurz um. Ein paar Pferde waren unruhig geworden.

"In Ordnung?" Ich verstand nicht, was Frau Chevalier meinte und wich sicherheitshalber einen kleinen Schritt zurück, was mich allerdings näher an eine Pferdebox ranbrachte. Ängstlich sah ich mich um, ob der Abstand noch groß genug war, um ja nicht gebissen zu werden.

"Ich dachte, das hätten wir geklärt?", sagte ich. "Im Übrigen sollten wir uns an einem anderen Ort weiter unterhalten, denn die Pferde wollen auch so langsam ihre Ruhe haben." Ich hatte bemerkt, wie die Vierbeiner in unserer Umgebung uns beobachteten. Auch Lisa, die in der Box hinter Jacqueline stand, guckte neugierig heraus, um zu sehen, was denn hier los war.

"Ich habe nicht verstanden, was Sie vorher gemeint haben", versuchte ich zu erklären, "gerne können wir uns woanders unterhalten." Möglichst da, wo die Gefahr gering ist, dass man gebissen wird, fügte ich in Gedanken hinzu.

"Wieso? Du hast doch das Leckerligeben mit Pfeffers ehemaliger Pflegerin ausgemacht und ich finde es nett, dass du dem Pony über seinen Trennungsschmerz hinweghilfst", fasste ich noch einmal unser Gespräch von vorhin zusammen. "Wo ist also das Problem? Aber warte kurz, ich gehe nur noch eine Runde durch den Stall, dann können wir ins Internat hinübergehen." Langsam machte ich mich auf dem Weg durch die Stallgasse.