Ich sah sofort noch eingeschüchterter auf Golden runter. Auf die Frage von Frau Chevalier hin zuckte ich nur mit der Schulter. "Hatte ne 3...", murmelte ich sehr leise, aber ohne meinen Blick von Goldens Hals zu wenden

Bevor ich mich weiter mit Nina beschäfigte, wandte ich mich Michael zu. Ich antwortete ihm frei heraus: "Wenn du meinst, die Sache kann nicht bis nach dem Unterricht warten, müssen wir das eben jetzt abhandeln. Besonders erfreut bin ich darüber allerdings nicht." Ich verstand sowieso nicht, warum er sich unbedingt in meine Stunde einmischen musste, wenn er das angeblich sonst nicht tat. "Und nun zu dir, Nina", fuhr ich im stregen onfall an das Mädchen gewandt fort. "Schlimm genug, dass du bis jetzt immer um den Springunterricht gekommen bist. Wie auch immer du das geschaff haben magst, bei mir hat's ja leider auch geklappt. Aber wie du siehst, ist nun Schluss damit. Was wolltest du damit eigentlich bezwecken? Bist du überhaupt noch nie gesprungen oder was?"

"Doch bin ich...", murmelte ich nur und streichelte das Pony weiter. Wieso war Herr Meier gekommen?! "Morgen geht es eben nicht gut...", versuchte ich es mal wieder. Blass war ich ja sowieso und unsicher auch.

Eigentlich wartete ich nur darauf, dass Michael eine Strafpredigt oder sonst was von sich geben würde, aber vorerst kam nichts von ihm. Was machte er dann überhaupt hier unten? Meine Stunde war inzwischen ja komplett aussichtslos geworden. Ich beauftragte die vier restlichen Mädchen, sich alleine weiterzubeschäfigen. Besonders konzentriert schienen sie mir aber nicht mehr zu sein, die interessierten sich wohl mehr dafür, was hier in der Mitte vor sich ging. Wieder fixierte ich Nina. "Was meinst du damit?", fragte ich nach, da ich ihren letzten Satz nicht verstanden hatte.

Ich schluckte verzweifelt und war Katrin einen Hilfesuchenden Blick zu. Sie und Marina hatten angehalten und redeten leise, sagen mich dabei aber mitleidig an. "Ich...mir...also...", stammelte ich, da ich jetzt wieder ziemlich Angst hatte dass er seine Drohung von letztem mal war macht und ich gehen musste. "Mir..." Ich konnte nichts mehr sagen und starrte auf goldens Ohren.

Michaels Wutausbruch kam, wenn auch anders, als ich mir vielleicht erwartet hätte. Das mit dem Schulverweis war mir ja ganz neu und hatte hier meiner Meinung nach auch nichts verloren. Ich gehe generell unvoreingenommen auf die Schüler zu und lerne sie gerne persönlich kennen. Da spielen für mich so was wie Schulverweise oder Noten keine Rolle. Ich habe Nina als nettes Mädchen kennen gelernt, dass liebevoll mit ihrem Pony umgeht. Michael scheint da ja eine ganz andere Sichtweise zu haben. Die Schülerin war jetzt auch komplett eingeschüchtert, weshalb ich ruhig einzuwenden wagte: "Meiner Meinung nach hat sich Nina bisher ausgezeichnet um Goldenland gekümmert. Hier geht es auch eher darum, warum Nina augenscheinlich nicht springen will. Sie hat mir immerhin vier Monate lang eine Krankheit vorgetäuscht, um nicht am Springunterricht teilnehmen zu müssen." So versuchte ich Michael die Situation zu erklären.

Ich saß verzweifelt und schon etwas zusammengekauert auf dem Pony und verkroch mich so gut es ging in Jacke und Schal. Katrin und Marina wirkten auch etwas angespannt und sahen der Sache aufmerksam zu.

"Das versuche ich hier ja gerade zu klären", entgegnete ich Michael. Mich ärgerte es schon ein wenig, dass er sich da einmischte. So kamen wir irgendwie nicht weiter. "Nur ... die Location dafür finde ich auch nicht besonders geeignet."

Ich war einfach nur noch verzweifelt und mal wieder, wie so oft wenn Herr Meier am meckern war, den Tränen nah. Golden wurde langsam nervös und hampelte im stehen etwas rum.

Ich war kurz davor, ihm an den Kopf zu werfen, dass er ja unter anderem an dem nun gescheiterten Unterricht schuld wäre, doch das ließ ich doch lieber bleiben. Eine Diskussion zwischen Michael und mir brachte uns jetzt auch nicht weiter und sähe vor der Klasse extrem dumm aus. Deshalb forderte ich Nina erstmal auf: "Komm doch einfach vom Pony runter. So wie's aussieht, wirst du heute sowieso nicht mehr reien, und Golden ist auch schon ziemlich unruhig. Dem nervt das Rumstehen mitten in der Halle wohl auch ziemlich. Kannst ihn ja sonst noch ein bisschen trockenführen."

Ich ließ mich von Golden runter rutschen und stand jetzt neben ihm. Dr Wallach drehte seinen Kopf zu mir und schnaubte. Ich strich ihm über die Nüstern und wartete unsicher.

Da Michael vorerst Ruhe gab, konnte ich mich wieder ganz auf Nina konzentrieren. "Und trotzdem", meinte ich energisch zu ihr. "Ich habe keine große Lust, dir in Springen eine Sechs zu geben. Willst du wirklich nur deswegen dein Abi aufs Spiel setzen? Heute wird das mit dem Reiten nichts mehr, so sehe ich das jedenfalls. Wir können aber gerne extra Springstunden einplanen, wenn du das möchtest. Und solltest du tatsächlich noch nie oder kaum gesprungen sien, beginnen wir auch ganz von Anfang - alles kein Problem. Allerdings musst du mir schon sagen, was los ist, sonst kann ich dir nicht weiterhelfen. Übrigens finde ich es ebenfalls ziemlich blöd von dir, diese Krankheit - oder wie auch immer man das nennen mag - zu erfinden. Wärst du mal ehrlich gewesen, hättest du jetzt keinen Ärger."

Ich nickte unsicher. Ich wollte ihr nicht sagen woran es lag. Und erst recht nicht wenn Herr Meier daneben stand und mich anstarrte, daher kraulte ich das Pony weiter zwischen den Ohren und sah schweigend auf Golden.

(Wow, er lässt sich von ihr beeindrucken... Hätte ich ja mal nicht mit gerechnet.)

Ich drehte mich nun zur restlichen Gruppe: "Tut mir Leid, aber an dieser Stelle möchte ich die Stunde komplett abbrechen. Das hat so keinen Sinn mehr. Versorgt eure Pferde ordenlich und seid so nett und räum bite die Cavalettis zurück in die Gerätekammer." Die Mädchen nickten, stiegen von ihren Pferden und verließen die Halle. "Und nun wieder zu dir", wandte ich mich leicht ungeduldig an Nina. "Willst du hier Wurzeln schlagen? Ich sagte doch, du solltest dein Pony noch etwas trocken führen." Michael stand schweigend daneben und ich fragte mich einmal mehr, was er mit seinem Eingreifen bezweckte. Er traute es mir wohl nicht zu, dass ich alleine mit der Situation klar kam. Doch ich werde meinen Prinzipien treu bleiben, egal, was von meinem Chef noch kommen würde.

Ich nickte schnell und lief mit Golden los. Der Wallach trottete gemütlich neben mir her. Wieso war sie so streng? Und wieso war Herr Meier gekommen? Nur um mich anzumeckern?

Ich blieb in Ninas Nähe und ließ sie nicht aus den Augen. Ich gehöre nicht zu den geduldigsen Menschen und mit ihrer schüchternen Art konnte ich auch nicht sehr gu umgehen. Sie erinnerte mich auch immer mehr an Jacqueline. Nur dass die Beziehung zwischen Nina und ihrem Pony eindeutig besser war, was mir allerdings momentan auch nicht viel brachte. "Willst du diese Extra-Springstunden überhaupt machen?", fragtte ich schließlich die Schülerin. "Oder soll es ewig so weitergehen wie bisher?"

Ich nickte nur unsicher. Einerseits wollte ich auf keinen Fall...aber sie würde mich wohl nicht weiter nicht springen lassen. Ich streichelte das Pony und lief so mit ihm weiter, dass ich weit von den beiden Lehrern weg war