"Du bist echt so eine dämliche Petze", meinte ich verärgert, ging aber selbstverständlich mit.

"Du hattest deine Chance", entgegnete ich darauf nur. Wir stiegen in den Bus ein und setzten uns nebeneinander in die erste Reihe. Die Fahrt war schnell vorüber und beim Reitinternat stiegen wir aus. Zielstrebig ging ich auf das Hauptgebäude zu, wo sich auch das Direktionszimmer befand.

(Wie kann eine Stunde schnell vorüber sein? xD)

Ich sagte nichts mehr, obwohl ich die Welt nicht mehr verstand. Die Fahrt schien kaum zu vergehen. Ich stellte mir Herrn Meier vor. Den ersten Menschen im Internat, den ich leiden konnte und für den ich mich bemühe. Er hatte immer so etwas Beschützendes an sich. Aber genauso gut kannte ich seine raue Seite und wusste, dass er es nicht mochte, wenn jemand gegen die Hausordnung oder seine Regeln verstößt. Deshalb hatte ich mich für ihn immer bemüht. Um den Frieden zu wahren. Und nun kam so eine blöde Kuh an, die noch dazu von meinem Freund eingeladen wird, und will mir alles kaputt machen. Habe ich nicht das recht, zumindest mal so etwas Ähnliches wie einen Vater zu haben? Irgendwann kamen wir aber doch an und ich folgte Mandy zum Haupthaus. Vielleicht war Herr Meier nicht da? Aber ich hoffte es doch, ich wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen.

(Eine Stunde ist Porto weg? Wusste ich nicht :D)

Die ganze Fahrt über hatte Jacqueline geschwiegen. Sie war also noch immer nicht bereit, ihren Fehler einzusehen. Ich sagte jetzt auch nichts mehr, stattdessen klopfte ich an die Tür zu Herrn Meiers Büro.

Ich erinnerte mich daran, wie ich Herrn Meier versprochen hatte, "so etwas nie wieder zu tun" und an seine grimmige Bemerkung, dass das ein leichtfertiges Versprechen sei. Wie würde er jetzt reagieren? "Herein", hörte ich den Rektor in seinem typischen Lehrertonfall rufen. Ich ging einen Schritt hinter Mandy, ohne mich hinter ihr zu verstecken, Schutz bat die einem ja sowieso nicht.

Auf Herrn Meiers Antwort hin öffnete ich die Tür und trat ein. Jacqueline beachtete ich vorerst gar nicht mehr. "Guten Tag! Dürfen wir Sie kurz stören?", sagte ich in einem höflichen Tonfall.

"Guten Tag", meinte Herr Meier ruhig, "ihr habt Glück, ich bin noch nicht lange hier. Aber kommt rein, bitte." Ich trat hinter Mandy in den Raum und schloss die Tür. "Guten Tag", güßte ich ebenfalls höflich. Ich versuchte, an gar nichts zu denken.

"Ich hoffe, wir stören sie nicht?", erkundigte ich mich, wobei die Frage eher rhetorisch war. "Es geht um Jacqueline ...", begann ich schließlich.

"Setzt euch bitte", meinte Herr Meier höflich und fügte fragend hinzu: "Möchtet ihr einen Tee?" Herr Meier trank selbst für sein Leben gerne Tee und wollte ihn den Schülern nicht vorenthalten. "Ja, bitte", antwortete ich ebenfalls höflich. Ich dachte daran, dass mich ein Tee vielleicht etwas beruhigen würde.

Ich setzte mich direkt gegenüber von Herrn Meier und neben Jacqueline. Während Jacqueline Herrn Meiers Angebot annahm, lehnte ich stattdessen ab: "Nein, vielen Dank."

Herr Meier goss mir eine Tasse Tee aus einer Thermoskanne ein. "Zucker?", fragte er, während er auch für sich eine Tasse eingoss. "Nein, danke", erwiderte ich höflich. Als Herr Meier mit dem Eingießen fertig war, fing er ruhig an: "Es geht also um Jacqueline. Warum bist du dann hier?"

"Weil sie wohl kaum alleine freiwillig hierher gekommen wäre", entgegnete ich leichtfertig. "Sie hat nämlich wieder einmal Alkohol getrunken und ich habe es mitbekommen." Gespannt auf seine Reaktion lehnte ich mich zurück.

"So so", murmelte Herr Meier und nahm einen Schluck von seinem Tee, "sie wäre also nicht alleine hier hergekommen." Wieder ein Schluck aus seiner Tasse. Dann musterte erst Mandy und danach mich.

Was sollte denn das jetzt? Ich hätte jetzt eine Explosion seinerseits erwartet. Oder mindestens die Frage, wie alles gelaufen ist. "Ich hätte sie wohl auch nicht verpetzt, wenn sie endlich mal einsehen würde, dass sie die Finger davon lassen sollte", gestand ich offen und ehrlich.

"Also doch." Herr Meier nickte Mandy zu. Ich hielt die Hände an der Tasse, um sie mir aufzuwärmen. Zum Trinken fand ich den Tee noch zu heiß. Herrn Meiers Blick wanderte zu mir. Er war streng, aber ganz ruhig. Ich sah Herrn Meier direkt an. "Du hast also Alkohol getrunken?", fragte Herr Meier. Ich nickte. "Ja", gestand ich ehrlich. Herr Meier nahm wieder einen Schluck von seinem Tee, dann lehnte er sich zurück. Kurz passierte gar nichts, was mich sehr verunsicherte. Deshalb probierte ich nun auch von dem Tee. Dieser schmeckte mir nicht besonders, aber besser als Herrn Meier nun direkt anzusehen, war es allemal.

(Was meintest du mit "Also doch"?)

Ich hielt mich erst einmal zurück. Natürlich hätte ich gute Lust, wieder mit einer Standpauke anzufangen. Allerdings war das wohl die Aufgabe des Direktors. Ich konnte ihm ja schlecht sagen, was er zu machen hatte.

(Also doch wolltest du sie nicht verpfeifen.)

Plötzlich richtete Herr Meier sich kerzengerade auf. Vor Schreck stellte ich die Tasse auf den Tisch. Etwas lauter als notwendig. Ich sah Herrn Meier an. Er wirkte noch größer wie er sowieso schon ist. "Du hast gegen die Hausordnung verstoßen?", brüllte Herr Meier nach einem tiefen Luftzug, mit dem eines Stieres zu vergleichen. "Ja." Ich nickte und machte mich noch etwas kleiner, was bei dem Größenunterschied zwischen Herrn Meier und mir eigentlich nichts ausmacht.

(Findet er das so schrecklich?)

Plötzlich ging doch seine Schimpftirade los. Sogar ich zuckte kurz zusammen, als er losbrüllte. Bei mir dachte ich allerdings: "Als ginge es nur um die Hausordnung." Hoffentlich machte er Jacqueline noch klar, dass es um viel mehr ging. Schweigend verfolgte ich die Situation.

(Das weiß man bei ihm nie so genau. xD)

"Du weißt auch, dass es GESETZLICH verboten ist?", brüllte Herr Meier weiter. "Ja." Wieder nickte ich schüchtern und traute mich noch nicht mal nach meiner Teetasse zu greifen. "Warum machst du es dann?" Herrn Meiers Stimme wurde immer lauter. Ich hatte ihn zuvor noch nie so schreien gehört. Wieder musste ich kurz an seine oft so liebevolle, fürsorgliche Art denken. Doch dafür war jetzt keine Zeit, ich musste retten, was zu retten ging.

"Das habe ich sie auch schon gefragt", mischte ich mich nun vorsichtig ein. "Antwort darauf habe ich keine bekommen. Also am Geschmack kann's nicht liegen, es war nämlich ein Mixgetränk."

"Falle Jacqueline bitte nicht ins Wort!", brüllte Herr Meier, allerdings etwas ruhiger als zuvor. "Also Jacqueline?" Herr Meier wandte sich wieder an mich. "Es war wirklich nicht viel", erklärte ich schüchtern. "Ich hab dich nicht nach der Menge gefragt!", brüllte Herr Meier.

Jetzt wollte Herr Meier seine Wut auch noch an mir auslassen. Ich wollte doch nur etwas zur Klärung beitragen. Jacqueline kam jetzt wieder mit ihrem Standardsatz, dass es nicht viel gewesen wäre. Ich hilet mich jetzt jedoch zurück. Noch einmal wollte ich mich vom Direktor nicht anschnauzen lassen. Hoffentlich bekam sie am Ende wenigstens eine gerechte Strafe aus und - viel wichtiger für mich - hoffentlich lernte sie etwas daraus und rührte wirklich keinen Alkohol mehr an.

"Ich war etwas mit meinem Freund trinken", meinte ich nun zitternd, "und da hatte ich ein Getränk mit geringem Alkoholanteil. Es ist mir bewusst, dass dies ein Regelverstoß ist." "Das ist ja wohl das mindeste", knurrte Herr Meier mit leiser Stimme. Sein Blick war bitterböse. Zitternd griff ich nach der Teetasse und trank sie mit fast einem Zug leer. "Danke", meinte ich höflich. "Bitte, gerne." Kurz blickte Herr Meier freundlich, während er die Tasse in das vorhandene Spülbecken gab.

"Kannst du nicht einfach mit dem Blödsinn aufhören? Das kann echt gefährlich werden", sagte ich nun schon fast flehentlich zu Jacqueline. Ich musste einfach noch etwas sagen. Herr Meier maß dem Ganzen irgendwie nicht so viel bedeutung zu. Ihm war wohl nur seine heilige Hausordnung wichtig.

"Und es stört die Ruhe hier und ist einfach verboten, verstanden?" Herr Meier ließ sich wieder in seinen Sessel fallen und sah mich böse an. "Ja", flüsterte ich mit Tränen in den Augen. "Sieh mich bitte an, wenn du mit mir sprichst", brüllte Herr Meier, "von gegenseitigem Respekt steht nämlich auch was in der Hausordnung." Ich sah auf. "Ja", wiederholte ich mich und sah den Rektor so gut wie möglich an. Eine Träne lief mir über das Gesicht. Ich wischte sie schnell weg.