"Wie Sie vorhin vielleicht mitbekommen haben, bin ich eher für Rennpferde zu begeistern", gab mein Vater zu, während er ebenfalls zu mir sah. Ich steuerte auf mein zukünftiges Pflegepferd zu und begrüßte es fröhlich: "Hallo, du Schicker! Ich bin Michelle, ich darf mich die nächste Zeit um dich kümmern. Dann wollen wir doch mal." Sirocco schien mir aufmerksam zuzuhören, während ich sprach. Schließlich kraulte ich ihn etwas und halfterte ihn auf, was ohne Probleme funktionierte. "Braver", flüsterte ich und ging mit ihm am Strick zurück zum Tor.

"Ja, ich bin in meiner Freizeit öfter auf der Rennbahn zu finden", erzählte mein Papa, als ich die Koppel verließ. "Ein prächtiger Kerl", meinte er noch und klopfte Sirocco den Hals. "Er ist auch ganz brav, mit dem komme ich bestimmt ganz gut zurecht", ergänzte ich versonnen. "Wo kann ich ihn putzen?" Ich wandte mich an den Rektor, der mich mit Argusaugen ständig beobachtete.

"Dann verabschiede ich mich mal. Beim Rest bin ich sowieso eher überflüssig", meinte mein Papa. In einer Hand den Strick haltend, umarmten wir uns kurz und verabredeten uns für eines der nächsten Wochenenden. "Grüße Domi schön von mir", waren meine letzten Worte, bevor mein Papa sich noch von Herrn Meier verabschiedete und zu seinem Auto ging. Ich schenkte nun meine volle Aufmerksamkeit Sirocco, der auf dem Weg zum Putzplatz zu wiehern begann und sich ständig zur Weide umsah. "Du vermisst wohl deine Freunde, aber mach dir nichts draus, jetzt hast du ja erstmal mich und bald bist du wieder zurück", redete ich vor mich hin. Am Putzplatz angekommen, band ich den Wallach an und stellte fest: "Vielleicht hätten wir zuerst das Putzzeug holen sollen. Ich weiß nicht, ob es so eine gute Idee ist, ihn jetzt alleine zu lassen."

"Warum denn das?", erkundigte ich mich. "Bei einem unruhigen Pferd hätte es doch mehr Sinn, zuerst die Putzbox zu holen, um das Pferd nicht lange alleinen zu lassen. Aber auch wenn es jeder so macht, könnte ich es ja trotzdem anders machen." Ich bedankte mich noch kurz dafür, dass er mir diesmal das Putzzeug holte. Ich blieb also bei Sirocco und kraulte ihn versonnen. Als jemand ein Pferd vorbeiführte, wieherte er ihm erneut hinterher.

"Es ist ja wohl nicht verboten, das Putzzeug vorher zu holen, oder?", fragte ich konkret nach und stellte die Putzbox neben mir ab. Sirocco beobachtete das Geschehen um sich herum genau. "Für mich steht dann doch mehr im Vordergrund, dass sich Sirocco gut fühlt und sich vor allem nicht verletzt." Herr Meier tat ja gerade so, als wäre es Pflicht, sein Pferd ewig warten zu lassen, obwohl es auch anders ginge. Energisch griff ich zum Striegel und begann, das braune Fell zu putzen.

Ich wusste nicht, ob ich mich unbedingt beliebt machte, wenn ich schon am ersten Tag mit dem Rektor zu diskutieren begann. Aber wenn der auch so korrekt tun musste. "Dann ist es ja gut", antwortete ich, noch immer so freundlich wie am Anfang. "Es ist jedenfalls sicherer, wenn ich bei Sirocco bin, falls er sich aufregt. Wenn ich gerade weg bin, um das Putzzeug zu holen, könnte er sich losreißen und sich verletzen. So kann man es ihm bestimmt nicht abgewöhnen, nicht mehr an anderen Pferden zu kleben."

Irgendwie erzählte er nur Blabla und im Endeffekt hatte doch ich Recht. Was wollte er dann eigentlich von mir? Außerdem warum musste er mich ständig so beobachten, als hätte ich vorher noch nie ein Pferd von der Nähe gesehen? Hoffentlich legte sich das mit der Zeit, ich hatte keine Lust auf eine Rundum-Betreuung. "Dann wäre das ja geklärt", meinte ich und verdrehte die Augen, was er jedoch nicht sehen konnte, da ich zu Sirocco gedreht stand. Da der Wallach nicht besonders dreckig war, war das Fell schnell sauber und ich konnte schon die knochigen Stellen putzen.

"Die Mühe müssen Sie sich nicht machen. Die Sattelkammer werde ich bestimmt auch alleine finden und sonst laufen hier ja genügend Menschen rum, die ich fragen kann", erwiderte ich. Eigentlich wollte ich den Rektor so schnell wie möglich los werden. Er erzählte irgendetwas von Hygiene. In einem Pferdestall wohl eher nicht, aber wie er meinte. Wo blieb überhaupt die Reitlehrerin, die hatte bestimmt mehr Ahnung als er.

Hatte ich etwa etwas Gegenteiliges gesagt? War er etwa beleidigt, weil ich sein Angebot abgelehnt hatte? Der Rektor konnte einen ja wirklich nerven, wenn man den länger aushalten musste. "Mir liegt auch sehr viel an Pferden", stellte ich klar, während ich zum Hufkratzer griff. "Ich hatte nie vor, hier Sachen rumliegen zu lassen."

Wie oft wollte er sich denn bitte noch wiederholen? "Wie gesagt, mir liegt auch viel daran, dass ein Pferd nicht über einen achtlos weggeworfenen Besen oder sonst was stolpert", antwortete ich schulterzuckend. Aus meinem Tonfall konnte man mittlerweile hören, dass ich etwas gelangweilt von ihm wirkte. "Und die Hausordnung kann ich mir ja später mal ansehen, wenn ich Zeit habe." Dabei fiel mir ein, dass der Folder noch beim Rektor im Büro lag. Naja, den konnte ich mir ja später holen.

"Bis dahin ist ja noch Zeit", antwortete ich. "Und wenn ich drei Minuten später komme, ist bestimmt auch noch etwas übrig." Ich fing nun an, Siroccos Mähne zu kämmen. Der Wallach schien noch immer etwas angespannt zu sein, aber ansonsten war er eigentlich ganz brav.

"Und warum?", antwortete ich. "Auf die drei Minuten würde es ja auch nicht mehr ankommen. Außerdem können ja sowieso nicht alle gleichzeitig das Büffet stürmen. Dann ist es doch besser, wenn das etwas verteilt ist." Ich schüttelte leicht den Kopf.

Ich gab mich damit nicht zufrieden. "Statt zu warten, kann ich meine Zeit auch sinnvoll nutzen", antwortete ich also, während ich mich schon mit Siroccos Schweif beschäftigte.