Heute war es also so weit. Frau Chevalier würde mir etwas von der Bodenarbeit zeigen und Sam würde mit seiner Gizella ausreiten. Ich hatte ja mit Julie draußen im Gelände schon ein wenig die Stimmkommandos geübt. Also, so ganz alleine hatte ich schon ein wenig Angst vor Frau Chevalier. Ich fühlte mich wie bei Hänsel und Gretel, die von der bösen Hexe ins Haus gelockt wurden. Um Frau Chevalier ja nicht zu verärgern, war ich mit Sam schon seit neun Uhr bei den Pferden und putzte Julie aufs gründlichste. Sam lachte mich ein bisschen aus deswegen, aber es war nicht böse gemeint. Kurz vor zehn, Sam hatte bereits gesattelt, ging ich noch zu ihm und umarmte meinen Freund noch fest. "Pass gut auf dich auf", meinte ich sanft. Er lachte nur und gab mir noch einen Kuss.

Jacqueline hatte mich kurz nach den Ferien angesprochen und wollte sich nun doch ein paar Elemente der Bodenarbeit zeigen lassen. Das freute mich sehr, sie schien sie wirklich etwas dafür zu interessieren. Ich war gespannt, wie das Ganze verlaufen würde. Ich hatte uns die obere Hälfte der Reithalle reserviert, damit wir ungestört Dinge aufbauen konnten. Heute sollte es hauptsächlich um Stangenarbeit gehen. Wenn der Schülerin die Arbeit vom Boden aus gefiel, würde ich ihr auch mal das Longieren zeigen. Gut gelaunt machte ich mich also auf dem Weg zum Putzplatz, wo wir uns treffen wollten. Samuel führte gerade seine Stute weg, er wollte wohl ausreiten gehen. Ich winkte ihm kurz zu, bevor ich Jacqueline begrüßte: "Hallo. Na, alles klar?"

"Guten Tag", grüßte ich schüchtern lächelnd, "ja, ich wäre fertig. Reicht ein Halfter mit Strick?" Ich stand neben Julie bereit.

"Klar, ich denke schon. Ich könnte höchstens noch schnell eine Gerte zur Unterstützung holen", entgegnete ich freundlich. "Wir wollen heute auch nur ein paar Führübungen und einfache Stangenarbeit machen. Nicht Freispringen, nur Geschicklichkeitssachen. Apropos Führübungen: Hast du in die Richtung schon etwas mit Julie gemacht, was wir vor Weihnachten besprochen haben? Also Stimmkommandos, usw.?"

"Im Gelände, ja. Da hatte ich aber nie eine Gerte dabei", meinte ich etwas unsicher, "da haben wir aber nur die Stimmkommandos 'Halt', 'Schritt' und 'Trab' geübt. Wir waren an den Wochenenden oft spazieren. In den Ferien war ich ja nicht hier." Ich band Julie los.

"Okay, wir probieren's einfach mal ohne Gerte. Julie ist ja auch brav, die muss nicht ständig zurecht geweisen werden", beschloss ich. "Und, wie haben die Kommandos funktioniert? Hat sie auf dich gehört?"

"Ja, total", meinte ich begeistert, "Es hat so gut wie immer funktioniert. Nur beim Antraben musste ich manchmal etwas nachhelfen."

"Das freut mich", antwortete ich mit einem Lächeln im Gesicht. Ich fand es gut, dass Jacqueline auch mal Erfolgserlebnisse hatte. Die hatte sie zwar auch beim Reiten, aber da sah sie es meistens nicht. "Dann können wir das gleich auf dem Weg zur Reithalle mit einbauen", schlug ich noch vor.

Etwas erschrocken sah ich Frau Chevalier an. "Jetzt schon?", erkundigte ich mich etwas unsicher.

"Ja klar, warum denn nicht?", erwiderte ich erstaunt. "Das kann man immer machen. Auf dem Weg von der Weide zum Putzplatz, vom Putzplatz zur Reithalle, beim Spazierengehen, ..."

"Okay", meinte ich etwas unsicher, riss mich dann aber zusammen. Das konnten wir doch eigentlich! Ich führte Julie aufmerksam los. Auf etwa der halben Strecke hielt ich Julie mit "Halt" an. Sofort setzte sie es um. Ich freute mich darüber.

"Und jetzt probier sie mal ein paar Schritte zurückzurichten", meinte ich. Jacqueline schien meinen Rat wirklich gefolgt zu sein und hatte die Übungen augenscheinlich schon getestet. Sonst wäre sie jetzt sicherlich nicht so souverän geween.

"Das habe ich noch nie probiert", meinte ich, war aber eifrig dabei, als ich fragte: "Wie mache ich das am besten?"

"Das Kommando dafür ist Zurück, aber ich weiß nicht, ob Julie alleine darauf hört. Zieh zur Unterstützung einfach am Strick nach hinten, dann klappt das bestimmt", meinte ich zuversichtlich. Jacqueline schien ja richtig Gefallen an der Arbeit vom Boden aus gefunden zu haben.

Ich zog am Strick und unterstützte das ganze mit einem etwas lang gezogenem "Zuurück". Julie wich schräg nach hinten von mir weg aus. Ich sah Frau Chevalier fragend an.

"Hat sie wohl noch nie gemacht, weil eigentlich soll sie gerade nach hinten gehen", kommentierte ich. "Gehen wir mal in die Reithalle. Dort kannst du es an der Bande noch einmal versuchen." Ich ging voraus und öffnete für Jacqueline und ihr Pony das Tor.

"Von oben aus funktioniert das auch nicht ganz gerade", meinte ich überflüssigerweise, schließlich wusste das Frau Chevalier ja. "Danke", sagte ich, als ich mit Julie durchs Tor trat.

Ich schloss hinter den beiden das Tor wieder. Es war gerade niemand in der Halle, obwohl ich ja nur die eine Hälfte der Reithalle gesperrt hatte. "Ja, wie gesagt, fleißig an der Bande trainieren, dann wird das mit der Zeit schon", meinte ich.

"Okay, soll ich gleich anfangen?", fragte ich.

"Ja klar", erwiderte ich kurz und bündig.

Ich stellte mich konzentriert bei E am Hufschlag auf und achtete schon vorm Kommando darauf, dass Julie gerade stand. Dann probierte ich es nochmal. "Zuurück", sagte ich und zog mit dem Strick kurz nach hinten. Dadurch drehte Julie zwar den Kopf in meine Richtung, ging aber trotzdem einen Schritt zurück. Ich ließ den Druck am Strick nach.

"Loben nicht vergessen, wenn sie etwas gut macht", warf ich noch schnell ein. "Aber sonst sah das schon ganz okay aus. Du kannst sie auch ruhig mehrere Schritte zurück gehen lassen."

Beim Thema Loben wurde ich schon wieder etwas unsicherer. Ich hatte das immer nur bei anderen gesehen, mir hat aber nie jemand wirklich erklärt, wie man das macht. Also strich ich Julie kurz unsicher über den Hals und wiederholte dann die Übung. Diesmal wesentlich vorsichtiger, was dazu führte, dass Julie unsicher nach hinten trippelte.

"Stimmt etwas nicht?", erkundigte ich mich. Ich merkte es Julie sofort an, dass sie sich nicht mehr sicher war, was sie machen sollte. "Du musst ihr schon ordentlich zeigen, was du von ihr willst. Ruhig, aber konsequent." Ich trat ein paar Schritte näher, um Jacquelines Handeln genauer beobachten zu können. Eigentlich wollte ich schon ein paar Stangen aufbauen, aber jetzt schien das Mädchen noch ein paar Probleme zu haben.

"Ich weiß auch nicht", meinte ich etwas unsicher, "eben hat es doch noch geklappt."