Eigentlich hatten Nina und ich die Springstunde für halb zehn festgelegt. Doch dann war die private Reitstunde für Michael dazwischen gekommen, sodass ich Ninas Unterricht kurzfristig auf Nachmittag verlegen musste. Mit einer Notiz am Schwarzen Brett hatte ich im Voraus dafür gesorgt, dass wir beide die Reithalle alleine hatten. Ich konnte mir gut vorstellen, dass Nina keine Zuschauer wollte. Auch andere Reiter würden wahrscheinlich zu ablenkend sein oder das Mädchen verunsichern. Als ich mich auf dem Weg zum Putzplatz machte, hoffte ich noch immer inständig, dass sich die Schülerin mir heute anvertrauen würde. Ich hatte wohl schon mitbekommen, dass sie Angst vorm Springen hat, doch Genaueres wusste ich leider nicht. Wenn ich einen konkreten Grund kennen würde, könnte ich ihr jedoch viel besser helfen. Hoffentlich war sie diesmal lockerer drauf, wenn Michael nicht anwesend ist. Zwischen den beiden scheint ja etwas ganz und gar nicht in Ordnung zu sein. Da musste etwas Gröberes vorgefallen sein. Vielleicht sollte ich John mal fragen, ob er etwas dazu weiß?

Ich hatte zwar Angst vor der Stunde, war aber trotzdem mittags in den Stall gegangen und hatte mir Golden fertig gemacht. Da Frau Chevallier mich am Putzplatz treffen wollte, wartete ich dort mit dem fertig gesattelten Pony auf sie. Ich war wieder sehr blass, hoffte aber, dass es ihr nicht so auffiel...

Als ich am Putzplatz ankam, war Nina zum Glück schon da. Eigentlich hatte ich auch nichts anderes erwartet, trotz allem, was passiert ist. "Hallo Nina!", begrüßte ich die Schülerin fröhlich. "Wie geht es dir heute?" Ich musterte sie genau.

"Geht so...", sagte ich leise, sah meine Lehrerin dabei aber an. Immer noch strich ich dem Pony durch die Mähne.

"Na dann komm", meinte ich freundlich. Ich ging neben ihr her zur Reithalle. "Willst du mir nicht doch sagen, warum du eigentlich vorm Springen Angst hast?", fragte ich sie direkt.

Ich ging neben ihr her. "Ich weiß gar nicht so genau wieso...es fing ganz plötzlich an...ich hab immer Angst, dass Golden das nicht kann...und ihm was passiert..."

"Das ist doch Quatsch, natürlich kann Golden das. Vertraue ihm doch einfach. Du musst schließlich am besten wissen, wie talentiert und einsatzfreudig er ist", erwiderte ich. Ich konnte ihre Befürchtungen nicht wirklich nachvollziehen. "Du fragst dich ja auch nicht vor jeder Dressurstunde, ob er eine Schlangenlinie schafft. Du weißt, gerade wenn du solche Zweifel hast, überträgt sich das sofort aufs Pferd."

"Aber er ist so klein...und natürlich weiß ich das...aber ich hab trotzdem Angst...", sagte ich leise und führte ihn in die Halle.

"Klein, aber oho", entgegnete ich daraufhin und schloss die Tür hinter uns. Wie erwartet war niemand in der Halle. "Du kennst dein Pony jetzt schon vier Jahre lang, oder? Du weißt, was er gerne mag oder eben nicht. Bist du mit ihm überhaupt schon mal gesprungen?" Für mich war es zwar unvorstellbar, dass dem so war, aber ich fragte sicherheitshalber nach.

"Ja...", sagte ich. "Das erste Jahr ging eigentlich ohne Probleme....im zweiten fing es an....und ab dem dritten ging es nicht mehr...." Ich sah sie an und ging mit Golden in die Mitte. Dort stellte ich mir die Bügel um. So wenn Herr Meier nicht da war, konnte ich mit ihr reden

"Was hat denn eure alte Reitlehrerin von euch verlangt, welche Höhen ihr springen sollt?", wollte ich wissen. "Ich meine, es ist doch klar, dass Golden keine M-Hindernisse schafft. Also ich würde dich dann schon auf ein anderes Pferd setzen, wenn es um höheres Niveau geht." Ich fragte nicht nach, wie Nina ihre Note in der 11. Klasse bekommen hatte, obwohl es mich doch sehr verwunderte. Allerdings ging es mir ja weniger darum, sondern sie sollte wirklich etwas lernen und mit ihrem Pony harmonieren. Das kann eine Note meiner Meinung nach sowieso nicht ausdrücken.

"Ich musste mit ihm nur E...und ab und zu mal einen niedrigen A Sprung...was er aber ja auch immer super gemacht hat...", sagte ich leise und stieg auf. Da ich wirklich lange nicht gesprungen war, war ich mir ziemlich unsicher ob die Bügellänge so ok war.

"Dann verstehe ich aber nicht, warum du nicht mehr springen wolltest, wo doch immer alles gut lief", meinte ich schulterzuckend.

"Weil ich Angst hab...", sagte ich leise und lies Golden im Schritt antreten. Das Pony lief sofort fleißig und mit gespitzen Ohren los

"Wovor? Es lief imer alles prima und dir ist nie etwas passiert. Oder gab's da mal ein konkretes Ereignis?", hakte ich nach. Während Nina warmritt, konnte ich ruhig noch ein bisschen mit ihr sprechen. Erst nach ein paar Minuten wollte ich erste Cavalettis aufbauen. Je nachdem, wie weit wir kamen, sollten es später auch einfache Hindernisse werden.

"Er ist ein paar mal stehen geblieben...und ich saß mehrmals auf dem Hals...und seit dem hab ich Angst...", murmelte ich und ritt das Pony war.

"Hm. Das sehen wir uns dann gleich mal an", meinte ich. "Wärme einfach mal weiter auf, ich hole erstmal ein paar Cavalettis." Ich verschwand in Richtung des Nebenraumes, wo die Stangen lagerten.

Ich nickte und ritt noch etwas Schritt. Golden lief munter durch die Halle und ließ sich auch immer wieder gut stellen und biegen. Als Frau Chevalier in den Nebenraum verschwnden war, gurtete ich nach und trabte an

Ich schleppte erstmal ein paar Cavalettis an und legte sie der Reihe nach auf der Mittellinie auf. Das sollte für den Anfang reichen, mit den Stangen konnte man ja auch einiges erreichen. Trotzdem wollte ich später zumindest noch einen Steilsprung holen, um zu sehen, ob Goldenland tatsächlich vor Hindernissen verweigerte.

Ich trabte und hielt möglichst viel Abstand von den Stangen. Golden trabte artig seine Runden

"Du kannst ruhig auch mal ein paar Bahnfiguren mit einbauen, sonst langweilt er sich nur", meinte ich zu Nina.

Ich nickte und ritt immer wieder Zirkel, Handwechsel und Schlangenlinien durch die Bahn

Ich beobachtete das Pferd-Reiter-Paar schweigend. Die beiden kamen gut miteinander zurecht, daran hatte der Zwischenfall letztens auch nichts geändert.

Ich machte immer wieder Handwechsel und sehr schnell wurde das kleine Pony locker und trat mir an den Zügel heran

"Okay, jetzt kannst du noch ein bisschen galoppieren, bevor ihr euch an den Cavalettis probieren könnt", kommentierte ich.