"Doch, schon", meinte ich unbestimmt, "für einen Spaziergang geht sich's immer aus. Lesen mag ich auch. Da sind wir hier aber auch bestens versorgt. Warst du schon mal in der Bibliothek?"

"Und reitest du denn auch außerhalb von den Reitstunden?", erkundigte ich mich. "In der Bibliothek war ich auch schon mal, ja."

"Ja, manchmal am Platz oder auch in der Halle, wenn keine Reitstunden sind", erklärte ich, "aber ich reite so eher am Wochenende." Ich konnte den Hufkratzer wieder in den Putzkasten legen und griff nun zum Schwamm für die Augen. "Bist du früher geritten?", lenkte ich nun wieder auf Felicitas.

Ich schnappte mir nun den Hufauskratzer und begann mit dem rechten, vorderen Huf. Wie immer reagierte Oda brav und machte keine Probleme. Wieder kam mir in den Sinn, welche Schwierigkeiten wohl Jacqueline mit der Stute gehabt hatte? Und warum wollte sie sich dazu nicht äußern? Bis jetzt kamen wir zwei jedenfalls gut zurecht, bis auf ein paar Kleinigkeiten eben. Aber nichts Gravierendes. Ich antwortete meiner Mitschülerin: "Ich reite erst seit 2,5 Jahren. Noch nicht so lange, ich weiß." Ich unterließ es vorerst lieber, näher auf meinen reiterlichen Stand einzugehen. Schließlich wollte ich mich ja auch nicht blamieren oder so.

"Dafür kannst du aber gut mit Oda umgehen", stellte ich fest, "ich reite seit eineinhalb Jahren." Ob es eine gute Idee war, das zu erwähnen?

"Findest du? Ich mag Pferde einfach voll gerne und da kommt das eben. In meiner alten Reitschule musste man sich eigentlich gar nicht um die Pferde kümmern, da brauchte man nur zur Reitstunde zu kommen und hatte sein fertig gesatteltes Pferd. Ich habe die Leute da dann irgendwann davon überzeugt bekommen, dass für mich zum Reiten mehr dazu gehört, als nur auf dem Pferd zu sitzen", erzählte ich, hielt dann aber inne. Normalerweise gehörte ich nicht zu denjenigen, die endlos redeten. Aber mit Jacqueline unterhielt es sich einfach sehr gut.

"Bei uns hier ist es so, dass man vor den Reitstunden nicht viel Zeit hat, da werden die Pferde auch schon mal von der Koppel geholt und geputzt", erklärte ich, "aber das hast du ja sicher schon mitbekommen."

"Ja, das ist auch verständlich", erwiderte ich. "Aber in einem normalen Schulbetrieb ist das sicher nicht nötig." Die waren sich einfach nur zu ein dafür gewesen und die teuren Markenreitsachen durfen unter keinen Umständen was abbekommen. Das sagte ich aber natürlich nicht laut. Wenn man meine Klamotten sah, musste man ja ähnlich über mich denken, wie ich über meine ehemaligen Mitreiter dachte. Lieber wechselte ich das Thema: "Du reitest erst seit 1,5 Jahren? Dann hast du ja erst hier mit dem Reiten angefangen, oder? Das stelle ich mir ziemlich heavy vor ..."

Verstand Felicitas etwa, wie es mir damals ging? Ich musste an Jaline denken, die war die einzige, die mich verstanden hatte. "Ja, das stimmt", entgegnete ich, "ich bin zuvor noch nie geritten." Ich legte nun auch den Schwamm weg. Den Schweif verlas ich auch noch eben.

"Wie hast du denn das alles geschafft? Bist du da gleich in der Abteilung mitgeritten? Und was war mit den Springstunden?", wollte ich interessiert wissen. Ich war nun fertig mit dem Putzen und packte alle Sachen zusammen.

Auch ich klappte den Putzkasten zu. "Nein, ich hatte erst Einzelstunden am Wochenende und musste in der Abteilung gar nicht mitreiten", erklärte ich, "irgendwann ritt ich dann die Dressurstunden mit, die Springstunden wurden wieder mit Einzelstunden ersetzt."

"Also ich hätte das nicht überlebt...", gestand ich bereitwillig. Wir brachten unsere Putzkästen in die Sattelkammer zurück.

Ich verließ die Sattelkammer wieder und band meine Pflegestute los. "Musste wohl", meinte ich etwas leiser und traurig.

"Du hast aber auch viel gelernt in der Zeit, wie man sieht", meinte ich ehrlich bewundert. Ich ging zu Oda hin und kraulte sie liebevoll.

"Findest du?", fragte ich rot werdend, "Danke. Können wir los?"

"Wer sonst kann sich nach 1,5 Jahren alleine um sein fast eigenes Pferd kümmern?", fragte ich einfach nur zurück und nickte dann. Ich band Oda los und ging neben Jacqueline her. "Wo soll's denn lang gehen?", erkundigte ich mich neugierig.

"Muss man hier wohl oder übel und so schwer ist es nun auch wieder nicht", stellte ich fest, "es sind ja auch immer Leute da, die einem helfen können, falls man nicht mehr weiter weiß. Ich würde vorschlagen, wir gehen Richtung See. Aber bis zum See werden wir es wohl kaum noch bis zum Abendbrot schaffen."

Wohl oder übel? Jacqueline sprach das irgendwie so seltsam aus. Freute sie sich gar nicht darüber, ein fast eigenes Pferd zu haben? Ich sagte dazu aber nichts. "Schade, dass wir es nicht mehr bis zum See schaffen werden", antwortete ich stattdessen. "Aber irgendwann schaffen wir das bestimmt auch noch." Oda lief locker und zufrieden neben mir her.

"Oh ja, wir könnten doch am Wochenende einen Ausflug machen?", schlug ich vor und ging zum Hoftor raus. Danach bog ich auf den Feldweg ein.

"Das fände ich super. Also wenn du Zeit hast?", meinte ich erfreut. Ich ging mit Oda neben Jacqueline und Julie her. Zum Glück vertrugen sich die beiden Stuten und zickten sich nicht an oder so.

"Klar habe ich Zeit. Die Wochenenden hier sind eigentlich immer sehr langweilig, wenn man keine Hausübungen hat", erzählte ich.

"Ich glaube nicht, dass mir mit Oda jemals langweilig werden könnte", wagte ich zaghaft einzuwenden.

"Man kann ja auch nicht den ganzen Tag reiten", warf ich ein und hätte mir sogleich am liebsten auf die Zunge gebissen.

"Würd ich ja auch nicht. Mir reicht's schon, wenn ich Oda auf der Weide beobachten könnte oder so", antwortete ich erschrocken. Ich wollte nichts Falsches sagen.

"Achso", stotterte ich beschämt. Dann schwieg ich ein Weilchen und meinte: "Tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe."