"Mit dem eigene Pferd kommt man ja immer am besten klar, auch wenn's nur ein Pflegepferd ist", meinte ich lächelnd. "Hoffentlich wachsen Oda und ich auch so gut zusammen." Ich nahm nun die Kardätsche aus dem Putzkasten und begann damit, Odas Fell zu bearbeiten.

Gut, Felicitas wollte keine Details wissen. Ich war noch beim Striegeln. "Und warum musstest du plötzlich auf ein Internat?", fragte ich nun.

Oh Gott, die Frage musste ja kommen. Mir war es einfach nur peinlich. Ich konnte ja schlecht das sagen, was meine Mutter wollte. Von wegen Mädchen aus gutem Hause und so. "Wegen meiner Eltern", sagte ich knapp und konzentrierte mich übertrieben aufs Putzen. Hoffentlich fragte Jacqueline nicht weiter nach.

"Ich auch", nickte ich, wollte aber auch nicht auf mich lenken. Deshalb fragte ich: "Wie war dein erstes Wochenende hier?"

Ob Jacqueline Ähnliches mit ihren Eltern erlebte wie ich? Jedenfalls schien sie auch nicht weiter darüber reden zu wollen und wechselte das Thema, worüber ich wiederum sehr erfreut war. "Die meiste Zeit ging mit Lernen drauf", antwortete ich ihr. "In meiner alten Schule hatten wir nicht so viel gemacht, deshalb muss ich einiges aufholen. Besonders in Physik und Chemie, was mir sowieso nicht so liegt. In welchen Fächern bist du denn am besten?"

"Ich mochte früher Englisch und Biologie am liebsten", erzählte ich, "allerdings mag ich es auf dem Internat nicht mehr. Ich finde Herrn Greifer ziemlich blöd. In Physik bin ich um einiges besser geworden. Herr Meier ist einfach ein super Lehrer. Also, in Physik kann ich dir auf jeden Fall helfen."

"Würde mich freuen, wenn du mir in Physik ein bisschen helfen könntest", meinte ich. "Ich versteh nicht wirklich, was wir gerade im Unterricht machen. Herrn Greifer find ich bisher übrigens gar nicht so schlimm. Du magst dann aber wohl Herrn Meier am liebsten?" Ich legte nun Kardätsche und Striegel zur Seite und griff nach der Wurzelbürste. Damit bürstete ich vorsichtig Odas Beine. Die Stute stand vollkommen entspannt da und ließ die Prozedur geduldig über sich ergehen.

"Oh ja", schwärmte ich, "er erklärt einfach so toll und so ruhig. Gut, er wird auch schon mal laut, aber man weiß immer, woran man bei ihm ist."

"Und wie ist die Reitlehrerin, Frau Chevalier, so?", erkundigte ich mich, da es mich mehr als der Rektor interessierte. Inzwischen reinigte ich weiter Odas Beine.

Ich konnte nun endlich zur Kardätsche greifen. Fieberhaft überlegte ich, was ich sagen sollte. "Die ist erst seit Ende Juni vorigen Jahres hier", fing ich an, allgemein zu berichten, "mit der anderen gab's wohl Stress. Keiner weiß genau was, aber die Gerüchte gehen von Unstimmigkeiten mit Herrn Meier bis hin zu Pferdequälerei."

Entsetzt sah ich Jacqueline an. Nur gut, dass die jetzt eine neue Reitlehrerin hatten. Ich fing mich wieder etwas und sagte: "Frau Chevalier schaut ja auch noch sehr jung aus, finde ich. Aber du hattest sie ja nun auch schon ein halbes Jahr im Unterricht. Wie ist sie denn da so?"

"Ach", meinte ich unbestimmt, "sie ist sehr beliebt und macht guten Unterricht." Was sollte ich sonst sagen? Die neue musste auch nicht alles wissen.

"Du magst sie also nicht so gerne?", folgerte ich daraus. Ich musste daran denken, wie sie vorhin von Herrn Meier geschwärmt hatte. Über Frau Cheevalier wollte sie am liebsten gar nicht sprechen.

"Naja." Ich wurde ein wenig rot. "Mir gefiel die alte Reitlehrerin Frau Heller besser. Die hat uns nicht so gedrillt." Ich sah mich um, wie als würde ich vermuten, dass Frau Chevalier irgendwo lauerte. Aber der Putzplatz war, abgesehen von uns, leer.

"Ja, das kann sein", meinte ich nur. Im Stillen dachte ich, wie die alte Reitlehrerin so nett sein konnte, wenn es über sie solche Gerüchte gab. "Und wie sind die anderen Lehrer so?", fragte ich schließlich noch. Mittlerweile waren Odas Beine sauber und ich ging an ihren Kopf ran.

"Ich weiß nicht, wieso so eine nette Reitlehrerin gehen konnte", meinte ich, "ja, so mehr oder weniger nett. Herrn Greifer mag ich nicht. Frau Ring schon gar nicht, vor der musst du dich echt in Acht nehmen. Die versucht dauernd, über deine persönlichen Fakten was rauszufinden und will dir irgendwelche Probleme andichten, die du gar nicht hast, nur, weil du mal nicht gut gelaunt bist."

"Okay, danke für die Tipps", sagte ich lächelnd. Ich dachte kurz darüber nach, dass Chantal und Leonie ganz andere Meinungen über die Lehrer hatten. Was denn nun stimmte? Ich musste das wohl selbst herausfinden. Vorsichtig putzte ich Oda am Kopf, bevor ich mich an der Mähne zu schaffen machte.

Ich putzte nun die Beine. Akls ich merkte, wie weit Felicitas schon war, schämte ich mich ein wenig. "Wollen wir dann noch spazieren gehen?", fragte ich.

"Ja, das fände ich super", meinte ich begeistert. "Dann lerne ich gleich mal die Gegend hier kennen. Mit den Pferden?"

"Klar", lächelte ich, "wenn wir sie schon mal da haben. Wir müssen aber Acht geben, dass wir nicht zu weit gehen und pünktlich zum Abendbrot zurück sind."

"Natürlich", nickte ich. Ich wollte mir schließlich keinen Ärger einhandeln. "Du kennst dich hier ja sicher bestens aus?"

"Ja", nickte ich, "ich gehe gerne spazieren." Ich griff nun endlich zum Hufkratzer.

"Bleibt einem überhaupt viel Zeit für andere Aktivitäten neben der Schule? Die Freizeit verbringt man dann ja meist eh mit seinem Pferd, oder?", wollte ich wissen. Mit Odas Mähne war ich bald auch fertig, sodass ich mich ihrem Schweif widmen konnte.

"Naja", erklärte ich, "man hat meistens lange Unterricht und immer auch nachmittags. Aber am Wochenende gehe ich gerne mal skaten, auch unter der Woche 1-2 mal. Was machst du so in deiner Freizeit?"

"Wenn du so oft skatest, hast du dann überhaupt noch Zeit, Julie jeden Tag zu beschäftigen?", antwortete ich. "Also ich weiß noch nicht, wie sich das alles zeitlich ausgehen soll. Sonst lese und tanze ich gerne."