Gerade setzte ich mich mit meinem Nachtisch wieder an den Tisch. Bei dem Gedanken, dass der heutige Tag allerdings noch soo lange dauert, verging mir der Appetit. Deswegen fragte ich schüchtern in die Runde: "Wollen wir heute Nachmittag etwas unternehmen?" Hoffentlich kam das jetzt nicht blöd rüber.

Auch ich verzehrte gerade genießerisch meinen Nachtisch, als die Frage von Jacqueline kam. Da ich heute Nachmittag sowieso noch nichts vorhatte, antwortete ich: "Wie wär's, wenn du mir das Gelände zeigst? Ich kenne mich ja überhaupt noch nicht aus. Und Wildrose freut sich bestimmt über etwas Bewegung." Ich wusste seit der ersten offiziellen Reitstunde, die wir am Dienstag hatten, dass Jacqueline erst seit Schulbeginn ritt und sicher noch nicht im Stande war, einen Ausritt zu überleben. Allerdings dachte ich sowieso vielmehr an einen Spaziergang, denn mit Wildrose wagte ich nach so kurzer Zeit einen Ausritt eh nicht. Gespannt sah ich mein Gegenüber an. Hoffentlich sagte sie zu.

"Äh... klar", antwortete ich und versuchte begeistert zu klingen. Wollte Mandy wirklich ausreiten? Ob das wohl schwer ist? Und wohin sollten sie da reiten? Ich kannte mich ja selber nirgends aus. Aber irgendwie werde ich das schon alles hinbekommen. Es versprach auf jeden Fall ein turbulenter Tag zu werden und das wollte ich schließlich.

"Cool, freut mich", erwiderte ich und sah Jacqueline an. Irgendwas stimmte nicht, aber ich kam nicht drauf, was es war. Schnell räumten wir unsere Tabletts weg und wir gingen nach oben. Ich zog mir bequeme Schuhe und eine Jacke an.

Als ich sah, was sich Mandy anzog, stutzte ich. "Keine Reitsachen?", fragte ich etwas verunsichert nach.

"Für einen Spaziergang?", fragte ich erstaunt zurück. Dann fiel mir wieder ein, dass sie ja noch nicht so lange ritt. Wahrscheinlich dachte sie vorhin auch an einen Ausritt, wer weiß. Ob ich ihr sagen sollte, dass sie so schnell noch nicht daran denken konnte? Ich beließ es aber und fuhr fort: "Dem Pferd ist es dabei ziemlich egal, was du anhast. Hauptsache, für dich ist es bequem." Ich lächelte leicht und wartete, bis Jacqueline fertig war.

"Kein Ausritt?", fragte ich, "Was dann?" Musste das peinlich gewesen sein.

Verwundert drehte ich mich um. Schließlich lächelte ich Jacqueline doch an und erklärte ruhig: "Ausreiten darfst du sicher noch nicht und am Beginn auch nur mit Reitlehrerin. Ich durte zum Beispiel nach einem Jahr das erste Mal ausreiten. Ich dachte vorhin eigentlich an einen Spaziergang mit unseren Pferden."

Ich wurde rot. "Ah, OK. Ich ziehe mich dann auch mal um." Ich zog mir Stallkleidung an und Sportschuhe.

"Hey, kein Problem", meinte ich lächelnd. Zusammen gingen wir dann nach unten in den Stall. Bevor ich mich Wildrose zuwandte, fragte ich Jacqueline: "Wenn du Hilfe brauchst, sag einfach Bescheid."

"Hilfe wobei?", fragte ich stirnrunzelnd. Ich war noch etwas durcheinander.

"Mit Julie. Führen, Putzen und so. Du kannst mich auch sonst gerne was fragen, wenn du wo nicht weiter weißt", bot ich mich hilfsbereit an. Ich nahm den Strick und das Halfter vom Haken an der Box und öffnete diese. "Hallo, Wildrose", sagte ich leise, um die Stute nicht zu erschrecken. Diese mümmelte weiter an ihrem Heu herum. Ich wartete kurz und überlegte.

Das Angebot klang verlockend. Sollte ich Mandy wegen dem Verhalten von Julie fragen? Später vielleicht. "Danke", sagte ich erst mal nur und ging mit Halfter und Strick in Julies Box. Ich halfterte die Stute auf, wartete aber erst, bis Mandy aus der Box kommen würde.

"Komm schon, Wildrose", sagte ich auffordernd. Endlich nahm die Stute ihren Kopf aus der Heuraufe. Schnell halfterte ich sie af und ließ den Strick einklinken. Während ich die Stallgasse entlangging, fragte ich in Richtung Julies Box: "Kommst du zurecht?"

"Klar." Ich folgte Mandy. Julie ließ sich etwas schwer ziehen heute.

"Irgendwie ist Wildrose nicht so begeistert von mir", plauderte ich drauflos, als wir den Stall verließen. "Aber das wird sicher noch, manche Pferde brauchen ein bisschen, bis sie sich an ihre Pfleger gewöhnen. Wie kommst du eigentlich mit Julie zurecht?" Am Putzplatz angekommen, band ich die Stute an einem Ring in der Mauer fest.

Daran, dass Reiter ihre Pferde zu vermenschlichen scheinen, habe ich mich schon gewöhnt. Ich band Julie ebenfalls an. "Gut", meinte ich nur. Was auch sonst?

Wie immer war Jacqueline nicht besonders gesprächig. "Dann holen wir mal unser Putzzeug", schlug ich vor und strich Wildrose kurz über den Hals. "Und du wartest hier brav", fügte ich zu ihr gewandt hinzu.

"Sie können doch nicht weglaufen", sagte ich schon fast fragend und kontrollierte nochmal den Anbindeknoten.

"Normalerweise nicht", sagte ich und grinste leicht. "Aber man kann ja nie wissen." Außerdem verstehen's die Pferde sowieso nicht, fügte ich im Gedanken noch hinzu. Ich machte mich auf dem Weg in die Sattelkammer, wo ich den Putzkasten holte.

"Gut." Ich nickte und folgte Mandy. Als sie den Putzkasten nahm, folgte ich ihrem Beispiel. Ich wusste nicht, dass man vorm Spazierengehen auch putzen musste. Dieser Putzwahn hier ging mir auf die Nerven.

Zurück am Putzplatz sah ich, dass wildrose noch geduldig dastand. Ein kleines Wunder. Ich stellte den Putzkasten neben ihr ab und holte Striegel und Kardätsche heraus. Schnell, aber gründlich begann ich, das Fel der Stute zu reinigen. Sie war nicht sonderlich dreckig, dshalb kam ich schnell voran.

Halbherzig fing ich an, Julie zu putzen, weshalb ich auch schnell fertig war. Dann fing ich an, die Hufe auszukratzen.

Ich beachtete JAcqueline gar nicht, sondern konzentrierte mich ganz auf Wildrose. Beim Hufeauskratzen zickte die Stute ein wenig herum. Sie wollte ihr linkes Hinterbein einfach nicht hergeben. "Hey, so geht das nicht", sagte ich streng und lehnte mich dagegen. Zum Glück gab sie dann doch auf und ich konnte mein Werk vollenden. Jetzt sah ich auf und fragte Jacqueline: "Wie kommst du voran?" Nebenbei räumte ich alles ordentlich in die Putzkasten zusammen.

"Bin fertig", sagte ich. Das Hufeauskratzen dauerte bei mir mittlerweilen auch nicht mehr so lange. Ich hatte gelernt, diesen Part möglichst schnell hinter mich zu bringen. "Soll ich kehren?", fragte ich. Ich dachte an Herrn Meier. Der und seine Ordnung!