"Danke." Ich nahm das hübsche Teil entgegen. Es war sogar in meiner Lieblingsfarbe rot. Das passte sicher gut auf dem weißen Fell von Wildrose. Ich nahm auch noch den Strick von der Wand und drehte mich zum Gehen um. Da entdeckte ich Jacqueline am Stalleingang. "Holst du dein Pferd auch rein?", fragte ich neugierig. Ich war gespannt, welches Pferd sie hatte.

In Jacqueline schien ich wohl eine Seelenverwandte gefunden zu haben. Die mochte Pferde sicher genauso gerne wie ich. Und sie war kein bisschen zickig oder eingebildet und sich auch nicht zu gut, ihr Pferd zu versorgen. Ich lächelte ein bisschen. Wir beide folgten Herrn Meier zur Weide. Dort angekommen, fragte ich routinehalber: "Darf ich das Gatter öffnen?" Man konnte ja nie wissen, was Neulinge durften und was nicht.

Ich öffnete also das Gatter und schlüpfte schnell hindurch. Von Jacqueline nahm ich einstweilen keine Notiz mehr, jetzt konzentrierte ich mich nur auf Wildrose. Eine andere Stute (Bersi :D) kam aber zuerst zu mir her und beschnupperte mich interessiert. "Hey, wegen dir bin ich nicht da", murmelte ich und schob sie snaft zur Seite. Weiter ging's in Richtung Wildrose, meinem zukünftigen Pflegepferd.. Mit einem leichten Kribbeln in der Magengegend benannte ich sie beim Namen: "Wildrose." Sie ignorierte mich komplett, weshalb ich noch näher ranging. Als ich vor schräg vor ihr stand, sagte ich noch einmal ihren Namen. Nun hob sie den Kopf und beäugte mich. "Mandy ist mein Name und in Zukunft musst du dich mit mir abfinden", redete ich leise weiter, während ich ihr meine Handfläche hinhielt. Ein bisschen schnupperte sie an mir herum, ich schien allerdings nicht sehr interessant zu sein.

Ich hatte alles rund um mich vergessen und war ausschließlich mit Wildrose beschäftigt. Als diese den Kopf desinteressiert wegdrehte, nahm ich das Halfter und zog es der Stute an. Sie blieb brav stehen, sodass ich gleich darauf den Strick befestigen konnte. "Brav", murmelte ich und strich ihr lobend über den glatten, warmen Hals. Etwas lauter und energischer fügte ich hinzu: "Komm, auf geht's in den Stall." Wildrose setzte sich recht widerwillig in Bewegung und auch erst, nachdem ich ein paar Mal mit dem Strick Druck gemacht habe. Als die Stute schließlich ordentlich neben mir herging, sah ich zu Herrn Meier rüber. Der hatte mich sicherlich die ganze Zeit über beobachtet, fiel mir ein. Doch was musste ich feststellen? Er schmuste mit der Stute, die mir vorher im Weg stand. Ob das seine war? Ich verkniff mir eine Bemerkung, ging stattdessen zügig weiter. Bald erreichte ich das Weidengatter.

"Danke", sagte ich zu Hern Meier und führte Wildrose aus der Wiese raus. Einen kurzen Moment überlegte ich. "Ich würde sie schon noch gerne putzen, aber habe ich dafür noch Zeit?" Blöderweise hatte ich keine Uhr dabei, was mir jetzt ein wenig unangenehm war. Mein Handy hatte ich auch im Zimmer liegen lassen bzw. befand es sich gut verstaut in meinem Rucksack. Hoffentlich kam jetzt kein Kommentar vom Direktor, darauf war ich ehrlich gesagt nicht erpicht.

"Äh... Bis später." Verwirrt blickte ich Jacqueline hinterher. Was war denn jetzt los? Ich hatte ihn doch extra gefragt, ob ich noch Zeit hatte. Da hätte er mir ruhig eine normale Antwort geben können. "Wie spät ist es?", fragte ich zur Verdeutlichung etwas eingeschüchtert nach. Warum musste ich gleich am ersten Tag etwas falsch machen? Obwohl, eigentlich wusste ich gar nicht, was ich verkehrt gemacht habe...

"Dann geht sich das vielleicht nicht mehr aus", sagte ich etwas enttäuscht und strich Wildrose über den Hals. "Darf ich sie nach dem Abendessen putzen?" Ich war noch immer etwas verwirrt von der ganzen Situation. Jetzt war anscheinend wieder alles okay. Aber eine erste negative Notiz hatte ich wohl in seinem Kopf hinterlassen. Darüber war ich nicht besonders glücklich, aber ich konnte es schließlich nicht mehr ändern.

"Ich möchte mir nämlich besonders beim ersten Mal sehr viel Zeit mit ihr nehmen", fügte ich erklärend hinzu, obwohl es ihm wahrscheinlich sowieso nicht interessierte. "Ich bringe Wildrose dann also in die Box." Es wrar mehr eine Frage als eine Feststellung. Langsam ging ich auf den Stall zu. Diesmal folgte mir die Stute brav und auf meiner Höhe. Blöd in der Gegnd rumstehen und Leuten beim Quatschen zuhören - darauf stand sie wohl nicht.

Na wenigstens etwas. Vielleicht hatte er den Vorfall von vorhin ja tatsächlich schon wieder vergessen. Vorstellen konnte ich es mir allerdings nicht. Als ich in den Stall kam, sah ich mich nach Jacqueline um. Ich konnte sie nirgends entdecken. Warum die bloß so schnell verschwunden war? Ich brachte Wildrose in die Box und strich ihr noch einmal über den Hals. Doch sie schien sich für mich nicht mehr zu interessieren, lieber schenkte sie ihre Aufmerksamkeit der Heuraufe. Ich verließ also die Box rasch und hängte den Strick draußen am Haken auf.

"Okay", sagte ich nur kurz und folgte ihm. Ich war ein bisschen müde, weshalb ich eigentlich nicht mehr so motivert war, den Rest zu sehen. Aber andererseits interessierte mich die Anlage trotzdem.

Das Internat war wirklich gut ausestattet. Sie hatten alles, was ein Reiterherz hören schlagen ließ. Die große Halle gefiel mir besonders gut. Ob ich da morgen schon reiten könnte? "Gibt es hier eigentlich so was wie ein Probereiten?", fragte ich Herrn Meier, weil es mir gerade in den Sinn kam. Das erste Mal musste man sicher unter Aufsicht reiten. Wie die Reitlehrerin wohl so war? Bestimmt gehörte sie zu den strengen Menschen, wie alle Reitlehrer, die ich kannte.

Ah, dachte ich es mir doch. Aber das gleich auch der Direktor zusehen musste? Hoffentlich blamierte ich mich nicht. Okay, ich hatte mein Stipendium sicher nicht umsonst für ein Reitinternat bekommen, allerdings bin ich etwas aus der Übung. Reitstunden sind nun mal nicht besonders günstig. "Ich denke, wenn ich Wildrose heute putze, ist das schon genug. Ich bin auch etwas müde von der langen Fahrt, dann kann ich mich sowieso nicht wirklich konzentrieren", antwortete ich. "Doch morgen würde ich liebend gerne auf ihr reiten."