"Sollen deinen Schüler zu dir kommen und sagen: Hallo, ich bin unsicher, bitte schreien Sie mich nicht an. Na genau das würde eine schüchterne Person machen", gab ich sofort zurück. Mittlerweile war ich schon etwas wütend über ihn. Er konnte einfach so stur sein. Als würde er jemanden auf die Nase binden, welche Schwächen er hatte. "Ich unterstelle dir im Übrigen nichts. Ich versuche lediglich, glaubwürdigen Informationen auf den Grund zu gehen. Du kannst mir glauben, irgendwelche Gerüchte würde ich nicht für bare Münze halten. Doch, um hier mal zu einem Abschluss zu kommen, wir können das Thema genauso gut sein lassen. Ich werde nie aus deinem Mund erfahren, warum Nina und du so gravierende Probleme miteinander habt und werde eben ohne diese Informationen versuchen, dir mit Rat und Tat bei einer Lösung mit Golden und ihr zur Seite zu stehen. Mehr wolltest du von mir ja auch gar nicht." Ich hätte es besser wissen müssen. Oder verstand er wirklich nicht, warum Nina vor ihm Angst hatte? Nun ja, er müsste es ja wenigstens nicht ignorieren.

"Wir wiederholen uns", stellte ich fest und wollte die Diskussion eigentlich beenden, da sie doch sowieso zu nichts führte. Immerhin konnte ich mir sicher sein, dass mir John und Heinz die Wahrheit gesagt hatten. Viel zu erzählen wussten sie ja auch nicht, aber so ein paar Gegebenheiten eben doch. "Lassen wir es gut sein", schlug ich also zur Güte vor. Ich liebte vielleicht Diskussionen, aber nicht solche, bei denen nichts bei rum kam.

Ich ging nicht weiter darauf ein. Michael würde ja sowieso nicht nachgeben, also musste ich den ersten Schritt machen. "Dann freut sie sich bestimmt, wenn sie Goldenland erstmal als Reitbeteiligung bekommen kann", erwiderte ich.

"Natürlich", bestätigte ich fast schon etwas spättisch. Für schnelle Entscheidungen war er ja noch nie zu haben. "Wie läuft es mit Bersi?", schnitt ich nun ein anderes Thema an, da die Sache mit Nina geklärt war.

Ich wusste doch, wie man Michael schnell umstimmen konnte. Auf den Vertrag ging ich nicht weiter ein. Den sollte er ruhig selbst machen, mit Papierkram hatte ich es ja nicht so, deshalb bot ich da erst gar nicht meine Hilfe an. "Das freut mich zu hören", meinte ich lächelnd. "Ich sag es dir, Bersi hat sicherlich Potenzial bis L, wenn sie denn mal motiviert ist. Funktioniert das Schenkelweichen mittlerweile besser?"

"Ich bin mir sicher, dass Bersi auch L schaffen würde. Gut, von A auf L ist noch mal ein großer Sprung mit vielen neuen Lektionen und die Kandare kommt ja auch dazu. Allerdings motiviert es sich bestimmt mehr, wenn sie immer wieder neue Aufgaben machen darf", erwiderte ich.

"Du musst ja nicht sofort auf Kandare umsteigen und von Turnieren spreche ich erst recht nicht", meinte ich. "Bei den Schülern und Pferden ist soweit alles in Ordnung. Die Zwölfte trainiert fleißig fürs Abi und in den anderen Klassen stehen jetzt dann ja auch Prüfungen an. Ich fürchte allerdings, dass Viktor die Neunte nicht schaffen wird. Seine Leistung im Theorieunterricht ist einfach nur unzureichend. Außerdem habe ich es auch schon von anderen Lehrern gehört, dass es in ihren Fächern ähnlich aussieht. Tja, Schönheit alleine reicht nicht aus ..."

"Ja, bei mir auch. Zumindest in Theorie. Auf mich macht er den Eindruck, als Interessiere er sich dafür auch überhaupt nicht", führte ich aus. "Vielleicht tut es ihm ganz gut, wenn er eine Klasse wiederholen muss."

"Das eine hat ja nicht unbedingt etwas mit dem anderen zu tun", meinte ich. "Er meint eben, sich auf anderem Wege Noten erschleichen zu können." Bei Alexandra schaffte er das wohl auch. Immerhin waren ihre Fächer die einzigen, in denen Viktor "gut" war. Außer Sport bei John vielleicht.

Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Michael hatte also auch seine Schwächen in der Schule. Ich war zwar ebenfalls nicht gerade eine große Leuchte gewesen, aber das hatte ich nie geschafft. "Ich glaube, hier hat Viktor keine großen Chancen, Noten zu bekommen, die er nicht verdient hat", sagte ich ernsthaft. "Und wie gesagt: Ich finde nicht, dass das Wiederholen einer Klasse jemanden schaden würde. Zumindest nicht in Viktors Fall."

Nun musste ich doch lachen, die Vorstellung war einfach zu genial. Er - Liebhaber der Büroarbeit - ging früher lieber raus, als Hausaufgaben zu machen. "Wie kam es dazu, dass du dich plötzlich doch für Physik zu interessieren begannst?", fragte ich schließlich nach. Das war ja eins der Fächer, die mich niemals interessiert hatten.

"Physik wäre das Letzte, womit ich mich mehr als nötig auseinandersetzen würde", gab ich ehrlich zu.