(Das war nicht Herr Meier? Da hat Mandy wohl was falsch verstanden :D)

"Ein bisschen ist gut", entgegnete ich kühl. "So wenig, dass du sogar im Krankenhaus gelandet bist ..." Diese Jacqueline sah es also wirklich nicht ein, welchen großen Fehler sie begangen hatte. Das machte mich innerlich irgendwie voll fertig.

(Nein, er hat's ihren Eltern erzählt und die sagten dann, sie müsste im Internat bleiben.)

"Mann, das eine Mal." Ich wurde jetzt ärgerlich. "Ich hab ja drauß gelernt."

(Jetzt fängt sie auch noch mit Lügen an :D)

"Schon einmal ist einmal zu viel", antwortete ich ernsthaft. "Bist du dir im Klaen darüber, was das alles für Konsequenzen haben kann? Das hast du doch gesehen, schließlich bist du im Krankenhaus gelanden." Wildrose war inzwischen trocken, weshalb ich sie zur Mitte lenkte und abstieg.

"Sagte ich doch eben", meinte ich genervt und ritt ebenfalls zur Mitte. Alleine in der Halle hatte ich ehrlich gesagt Angst.

"Hoffentlich, aber ganz glauben kann ich dir nicht", erklärte ich ihr ehrlich. So wie sich Jacqueline verhielt, würde es nicht bei diesem einen Ausrutscher bleiben. Dazu kannte ich solche Leute viel zu gut. Wie oft hatte mir meine Mutter versprochen, mit dem Alkohol aufzuhören. Zu einem Entzug war es allerdings bisher noch nie gekommen. Mit Wildrose am Zügel verließ ich die Halle. Wir hatten Glück und der Regen machte gerade eine Pause. Schnell wechselten wir zum Stall rüber.

"Warum denn das?", fauchte ich und schob noch die Steigbügel hoch. Dann folgte ich Mandy Richtung Stall.

"Weil du dich so verhältst", antwortete ich offen. "Warum hast du denn damals überhaupt getrunken?" Jetzt stellte ich endlich die Frage, die mich schon so lange beschäftigte. Auf die Antwort war ich sehr gespannt, obwohl ich mir nicht viel Hoffnungen machte. Im Stall band ich Wildrose vor ihra Box an und begann, ihr die Reitsachen abzunehmen.

"Wie verhalte ich mich denn?", meinte ich ärgerlich. Ich band mein Pflegepferd auf der Stallgasse an. Ich war wütend. Als wär ich die einzige auf der ganzen Welt, die mal trinkt.

Ich überlegte kurz, wie ich ihr Verhalten so beschreiben konnte, ohne sie noch mehr zu verletzen. "Also irgendwie klingst du uneinsichtig", begann ich schließlich ruhig. "Du tust zwar so, als hättest du alles verstanden, aber für mich kommt es nicht sehr glaubhaft rüber. Warum hast du denn nun getrunken?" Da die Frage schon ausgesprochen war, pochte ich hartnäckig auf eine Antwort.

"Ich sagte doch, dass ich daraus gelernt habe", meinte ich jetzt wieder schüchtern, "Es war ein Ausrutscher." Langsam wurde mir die Situation richtig unangenehm. Warum nur war ich nicht in der Halle geblieben? Ich sattelte und zäumte mein Pflegepferd ab.

"Ein Ausrutscher, ja?", wurde ich nun fast schon etwas lauter. Ich bemühte mich jedoch, Ruhe zu bewahren. "Du tust ja das eine Mal schon so ab, als wäre überhaupt nichts gewesen. Als wäre es nicht schlimm. Ist es aber, das kann ich dir sagen. Ich hoffe echt für dich, dass es nicht noch einmal vorkommt. Ich weiß ja nicht, warum du getrunken hast, du willst es mir schließlich nicht sagen. Aber wenn du Probleme hast, ich bin eine gute Zuhörerin. Probleme lassen sich nicht im Alkohol ertränken, die können nämlich schwimmen. Untergehen wirst nur du." Damit rauschte ich ab in die Sattelkammer, um Sattel- und Zaumzeug dort hinzubringen und den Putzkasten zu holen. Dabei atmete ich ein paar Mal tief durch, um mich wieder zu beruhigen.

"'ne besonders nachtragende Zuhörerin", zischte ich Mandy hinterher. Ich lehnte mich mit dem Sattelzeug am Arm an den Anbindebalken Ich hasste es, so runtergemacht zu werden.

Ich hatte gehört, was Jacqueline mir nachgezischt hatte. Das war wohl sowieso beabsichtigt von ihr gewesen. Als ich zurückkam, fuhr ich fort: "Ich würde das nicht nachtragend nennen. Ich hatte nur noch nie wirklich die Gelegenheit, mit dir darüber zu sprechen. Mir liegt dieses Thema sehr am Herzen. Ich verabscheue Alkohol nun einmal mehr als alles andere. Ich weiß aber auch, dass sich normalerweise niemand grundlos betrinkt. Deshalb frage ich dich die ganze Zeit, warum du es gemacht hast. Du musst es mir natürlich nicht sagen, aber so kann dir auch keiner helfen." Ich griff zur Kardätsche, um Wildrose überzuputzen.

"Ich brauche keine Hilfe", fuhr ich Mandy an, "Wie oft denn noch? Nur wegen diesem einen Mal machst du hier so einen Aufstand!" Ich ging mit dem Satelzeug in die Sattelkammer. Was wollte Mandy eigentlich von mir?

"Das war alles eigentlich nur gut gemeint", sagte ich schulterzuckend. "Aber gut, lassen wir da. Wenn du nicht mit mir reden willst ..." Ich wandte mich wieder voll Wildrose zu und putzte sie schnell fertig. Danach kamen noch die Hufe dran. Dabei machte ich mir Gedanken darüber, was mit Jacqueline los sein könnte und ob sie tatsächlich noch öfter zum Alkohol greifen würde. Oder hatte sie das sowieso schon getan?

"Ist OK." Ich lächelte versöhnlich, schließlich hasse ich Streit ja eigentlich. "Ich bin in der Zwischenzeit auch wirklich nicht mehr im Krankenhaus gelegen", erklärte ich nochmal.

Ich verkniff mir die Bemerkung, dass es zwischen nüchtern sein und im Krankenhaus landen noch ein paar Zwischenschritte gab. Ich ließ es jetzt einfach darauf beruhen, dass Jacqueline alles einfach so abtat. Es hatte eh keinen Sinn und ich wollte mich hier nicht als Moralapostel aufspielen. So war ich aber trotzdem wahrscheinlich gerade rübergekommen. "Was wirst du jetzt machen?", wechselte ich lieber das Thema, während ich den Hufauskratzer in der Putzbox verstaute.

"Keine Ahnung", meinte ich schulterzuckend, "hab noch keinen Plan. Du? Ich werd erst mal das Pferd fertig machen."

"Also erst mal muss ich dann meinen Koffer auspacken", entgegnete ich. "Und dann werde ich wohl ein bisschen chatten." Ich sagte nicht, dass ich das mit meinem "Cousin" machen würde.

"Hört sich gut an", meinte ich, "ich werd am Nachmittag wohl auch nur chillen."

"Immerhin muss ich mich auch von der langen Reise erholen", fügte ich noch hinzu und brachte dann den Putzkasten weg. Schlussendlich griff ich zum Stallbesen, um vor den Boxen ein wenig sauber zu machen.

"Oh, das glaube ich dir", meinte ich mitfühlend. Ich war insgeheim dankbar, dass Mandy fegte. Ich bin ja keine Stallmagd.

Als alles ordentlich aussah, stellte ich den Besen wieder weg und verabschiedete mich noch von Wildrose. Sie bekam ein Leckerli als Belohnung und ein paar nette Worte dazu.

Ich brachte meine Pflegestute in die Box und verließ sie dann.