Mein Pflegepferd ging langsam voran. Gott sei Dank! Ich hoffte, dass das kein Voranzeichen für durchgehen ist.

(HAHA :D)

Ich trabte eine Runde und machte dabei ein paar Übergänge. Dabei bemerkte ich, wie Jacqueline mit Julie dahinschlich. Ich überlegte schon, ob ich was sagen sollte, ließ es dann aber. Ich wollte mich hier nicht aufspielen. "Wie war eigentlich dein Zeugnis?", fragte ich interessiert nach, um wieder ins Gespräch zu kommen.

"Ganz OK, bei dir?", fragte ich und ließ nun die Zügel noch ein Stückchen länger, "in meiner alten Schule war's aber besser, mein Zeugnis." Mein Pferd machte den Hals lang und ging wieder etwas schneller. Ängstlich hielt ich mich in der Mähne fest.

"Bei mir war's auch gut. Hab ja Physik zum Glück noch geschafft", meinte ich, während ich auf den Zirkel ging und aussaß.

"Geschafft? Ich hatte nicht das Gefühl, dass du darin schlecht warst?", fragte ich erstaunt nach.

"Ich stand zwischen drei und vier, deswegen hatte ich die Prüfung. Danke übrigens, dass du und Monique mit mir immer gelernt habt", sagte ich erklärend. "Wie sah's notenmäßig eigentlich in Dressur aus? Springnote hattest du wohl keine?"

"Eine 2", meinte ich etwas demotiviert, "Springen keine, genau. Bei dir?"

"Darüber scheinst du dich aber nicht besonders zu freuen. Eine Zwei ist doch super", entgegnete ich. "Ich hatte in beiden Fächern eine Eins." Ich trieb Wildrose wieder in den Galopp, um die Sprungreihe noch einmal zu gehen. Wildrose war super motiviert und mit vollem Eifer dabei. Von Julie ließ sie sich überhaupt nicht ablenken.

"Nein, mir ist die Note egal", erklärte ich, "Was hab ich schon davon?"

"Wenn du später mal einen Beruf mit Pferden machen wilst, hast du auf jeden Fall mit einem Reitinternat viele Vorteile", antwortete ich, nachdem ich den Parcours hinter mich gelassen hatte. Wildrose ist wieder einmal fehlerfrei geblieben, weshalb sie von mir stark gelobt wurde. Jetzt ließ ich sie einfach am langen Zügel auslaufen.

Genau, dachte ich mir und schaute nur verbittert drein. Ich sah zu Mandy. Ich bekam einen Riesenschrecken. Ihr Pferd schien durchzugehen! Schnell versuchte ich Julie anzuhalten, was Gott sei Dank gelang.

Nach kurzer Zeit wurde Wildrose langsamer und fiel von selbst in den Schritt. Sie schnaubte zufrieden, als ich ihr die Zügel aus der Hand kauen ließ. Gemütlich bummelten wir um die ganze Bahn, damit sie trocken werden konnte. "Warum bleibst du stehen?", fragte ich verwundert nach, als Jacqueline Julie mitten in der Bahn anhielt.

Gerade ritt ich wieder an, als die Frage kam. Mandy hatte ihr Pferd wohl wieder unter Kontrolle. "Nur so", meinte ich unsicher lächelnd.

Vielleicht ein Schritt-Halt-Übergang, dachte ich mir, als sie wieder anritt. Beim Trockenreiten dachte ich wieder daran, was Jacqueline vor Weihnachten getan hatte. Abgesehen davon, dass ich es verabscheute, fragte ich mich, warum sie sich wohl sinnlos betrunken hatte. Eigentlich wollte ich das Gespräch jetzt jedoch nicht darauf lenken und schwieg deshalb vorerst.

"Und, wie ist's so in Afrika?", fragte ich plötzlich interessiert nach, um die Peinlichkeit von eben zu überspielen.

"Also mir hat es eigentlich ganz gut gefallen", fing ich vage an. "Außer die ganze Armut, die du da überall siehst, macht einen voll fertig." Ich dachte daran zurück, wie Luan, Sanjo, Tante Cat und ich durch die Stadt gebummelt waren und plötzlich von fünf kleinen, verdreckten Kindern, die uns anbettelten, umringt waren. Und das war nur eine von vielen solchen und ähnlichen Situationen.

"Hört sich schlimm an", meinte ich traurig. Ich versuchte mir die Armut vorzustellen. "Kann ich mir gar nicht vorstellen", meinte ich.

"Das kann man sich auch nicht vorstellen, wenn man noch nie da gewesen ist. Ich mein, ich kannte das Ganze ja schon aus Erzählungen meiner Tante und trotzdem war ich relativ unvorbereitet", meinte ich.

Zu gerne würde ich fragen, was diese Tante da unten macht, aber ich traute mich nicht. Deswegen schwieg ich und suchte krampfhaft nach etwas, was ich sagen konnte.

"Warum fährst du eigentlich nie nach Hause in den Ferien?", fragte ich plötzlich frei heraus. Ich musste daran denken, dass sich die meisten Jugendlichen nicht sinnlos betranken, sondern eher, weil sie familiäre Probleme hatten.

"Na, ich fahr schon manchmal nach Hause", meinte ich lächelnd, "Ich war nur jetzt wegen Jerome hier."

"Achso", meinte ich nur. Warum sie an Weihnachten nicht nach Hause gefahren war, wusste ich ja nur zu gut. Ob ich endlich mal was dazu sagen sollte? Also etwas Konkretes? "Weswegen du in den Weihnachtsferien im Internat bleiben musstest, weiß ich ja", sagte ich schließlich gerade heraus.

"Ja?", fragte ich erstaunt. Was glaubte die eigentlich? Hatte wahrscheinlich keine Ahnung von nichts.

"Weil du dich sinnlos betrunen hast, oder nicht?", gab ich herausfordernd zurück. Man musste dieser Jacqueline wirklich jedes Wort aus der Nase ziehen. Ich war der Meinung, dass sie aus der ganzen Sache kein Stück gelernt hatte. Die würde es wieder tun, schoss es mir durch den Kopf.

"So ein Blödsinn", entgegnete ich, "glaubst du wegen dem bisschen muss ich hier bleiben?" Mich kränkte es, dass Mandy wusste, dass meine Eltern das wollten, dass ich hier bleibe.