"Richard, beeil dich, wir kommen sonst zu spät", nörgelte meine Mutter an mir herum, als ich mich am Schulhof des Reitinternats umsah und gleich zu den Pferden auf der Weide laufen wollte. "Ist ja gut", murmelte ich meine Unlust deutlich anzeigend. Ich schulterte meinen Rucksack, indem alle Sachen für die nächste Woche verstaut waren. Am Wochenende würde ich ja wieder zu Hause sein, der einzige Trost für mich. Meine Mutter zerrte mich also fast schon ins Schulgebäude hinein und steuerte schnurstracks auf das Büro des Direktors zu. "5 nach 2", stellte sie vorwurfsvoll fest, bevor sie heftig an die Tür klopfte. "Wegen der paar Minuten werden die hier schon nicht ausflippen", entgegnete ich noch ungerührt, bevor wir Antwort erhielten.

Schon während wir eintraten, legte meine Mutter los: "Guten Tag, Herr Meier! Ich bin Frau Dupant und das ist mein Sohn Richard. Sie kennen uns bestimmt noch von der Besichtigung im Jänner. Uns hat die Schule damals gleich so gut gefallen, dass wir Richard sofort hier angemeldet haben. Mein Mann ist heute leider verhindert, sonst wäre er auch sehr gerne mitgekommen, um Richard abzuliefern." Bei diesem, für mich schon fast etwas peinlichen, Redeschwall meiner Mutter kam ich kaum zum Grüßen. "Vielen Dank!", ging es nämlich gleich weiter, als der Direktor uns Stühle anbot. Schweigend setzte ich mich also hin, meine Mutter hatte schließlich alles im Griff.

"Oh, wie freundlich von Ihnen!", war meine Mutter entzückt, bevor ich überhaupt etwas sagen konnte. "Gerne nehme ich einen Kaffee. Du doch auch, nicht wahr, Richard?" Während sie Luft holte, um weiterzusprechen, unterbrach ich sie rasch: "Nein, lieber Wasser, bitte." Ich betonte jedes Wort einzeln. Was dachte sie sich eigentlich dabei, mich wie ein kleines Kind zu behandeln? Das war doch voll peinlich. Ich warf meiner Mutter einen unmissverständlichen Blick zu.

"Danke", murmelte ich, als ich mein Wasser bekam. Und schon übernahm wieder meine Mutter: "Die Verspätung tut uns wirklich sehr leid, nicht wahr, Richard? Mein Sohn weiß, was Pünktlichkeit heißt, und es wird bestimmt nicht mehr vorkommen. Sie müssen verstehen, dass hier ist alles neu und ungewohnt für ihn. Bitte seien Sie nachsichtig. Wie gesagt, es wird mit Sicherheit die letzte Verspätung gewesen sein." Meine Mutter warf nun mir einen Blick zu, denn ich so interpretierte: "Siehst du, dass ist keine Kleinigkeit. Lass dir nie mehr so etwas zu schulden kommen." Ich nickte nur schweigend. Sie konnte es einfach nicht lassen. Hoffentlich würde diese Besprechung hier nicht ewig dauern und meine Mutter würde bald abreisen. Es konnte ja nur noch schlimmer werden. Vorsichtig trank ich einen Schluck aus meinem angebotenen Glas.

(Pünktlichkeit wird nicht geduldet? :D)

"Vielen Dank!", plapperte meine Mutter munter weiter. "Sowohl für den Kaffee als auch für das Erlassen einer Strafe." Obwohl Herr Meier mit mir sprach, kam ich nicht zu Wort. Als ich den Folder entgegennehmen wollte, riss ihn mir meine Mutter regelrecht aus der Hand. "Lass mich doch auch mal einen Blick hineinwerfen", sagte sie interessiert und fing an, in der Broschüre zu blättern. Nebenbei schaffte sie es noch, ihren Kaffee zu trinken und fortzufahren: "Oh, der Stundenplan sieht ja auf den ersten Blick sehr voll aus. Wie kommen die Schüler in der Regel mit den Anforderungen zurecht? Ich muss sagen, in Richards alter Schule waren bei weitem nicht so viele Stunden angesetzt. Dann kommt auch noch das Reiten hinzu, was auch Mehraufwand bedeutet. Wie schätzen Sie das ein?"

"Ich verstehe", meinte meine Mutter lächelnd und trank zufrieden von ihrem Kaffee. "Richard ist hier gut aufgehoben, denke ich." Nun holte ich mir aber die Broschüre zurück, denn etwas neugierig war ich doch. Ob da drin auch etwas über die Pferde stand?

(Muss jetzt weg.)