Ich ging nicht mehr näher darauf ein, immerhin wollte ich ihre Heimatstadt ja auch nicht schlecht machen. Der Themawechsel schien ganz gut zu sein, sodass ich sagte: "Schimmel eben, die machen's ihren Pflegern immer besonders schwer. Jetzt geht es ja noch, aber wenn es feucht und matschig wird, bekomme ich ihn nicht mehr so schön weiß. Vielleicht sollte ich ihn später, wenn wir zurückkommen, einfach noch mal duschen, das tut ihm bestimmt gut." Ich wechselte die Seite. Teilweise musste ich mich ganz schön strecken, um überall hinzukommen.

Ich lächelte: "Ich bin froh, dass Great Heart nur ein paar weiße Flecken hat. Da hält sich das etwas in Grenzen." Ich wechselte nun die Seite. Im Gegensatz zu Babette musste ich mich kaum strecken, ich war ja groß genug.

"Wenn man danach gehen würde, wäre Braune wohl die besten Pferde", scherzte ich. Dann konzentrierte ich mich wieder mehr aufs Putzen. Das Fell meines Wallach nahm immer mehr Glanz an, ich konnte zufrieden mit meinem Werk sein. "Und was treibst du sonst in deiner Freizeit, wenn du nicht reitest oder Kampfkunst betreibst?"

Wir arbeiteten eine Weile schweigend, bis Babette wieder sprach. Inzwischen war ich mit dem Fell fast fertig. "So viel Freizeit aht man hier gar nicht", meinte ich lächelnd, "Aber ich gehe auch ohne Pferd oft spazieren. Und ich lese viel. Und was machst du noch gerne?"

"Wenn ich dann erst Fritz stundenlang putzen muss, komme ich ja zu gar nichts mehr", erwiderte ich ebenfalls lächelnd. "Aber ich gehe auch gerne spazieren, lese viel oder schaue mir einen Film an." Ich fand Apple-May immer netter und wir schienen sogar die gleichen Hobbys zu haben. Ich hoffte, dass wir in nächster Zeit mehr zusammen unternehmen konnten. In meiner Klasse hatte ich ja noch nicht wirklich Anschluss gefunden. Mittlerweile befand ich, dass das Schimmelfell sauber genug war und wischte nur noch mal mit einem Lappen darüber.

Ich lächelte. Babette schien sehr ähnliche Hobbys zu haben, wie ich, was Unterhaltungen einfacher machte. "Was liest du normalerweise?", fragte ich neugierig. Vielleicht konnten wir ja auch mal Bücher tauschen. Ich legte nun Striegel und Kardätsche zurück und nahm mir den Hufkratzer heraus. Hufe auskratzen klappte inzwischen gut und schnell, worauf ich unglaublich stolz war.

Erfreut fing ich an zu erzählen, dass ich gerne Pferdebücher oder auch Krimis las. "Gerade lese ich 'Zu schön, um Tod zu sein'", schloss ich ab und war neugierig, ob Apple-May und ich da ebenfalls den gleichen Geschmack hatten. Hufeauskratzen bei Fritz war meistens etwas komplizierter, doch heute war er einfach zu träge, um Mätzchen zu treiben. Dafür wurde er liebevoll von mir getätschelt.

Als Babette von Pferdebüchern sprach, strahlte ich fast über das ganze Gesicht, denn das war so eigentlich das Hauptthema in meinen Büchern. Deswegen stimmte ich gleich begeistert ein: "Pferdebücher lese ich auch total gerne. Ich habe einige auf Englisch, ein paar habe ich jetzt auch schon auf Französisch gelesen." Ich legte nun alles wieder ordentlich in die Putzbox zurück und klappte diese zu. Dann sah ich nach, wie weit Babette war.

"Ich glaube, mein Englisch ist zu schlecht, um englische Pferdebücher verstehen zu können", meinte ich zögernd, doch dann hatte ich eine Idee. "Vielleicht kannst du mir ja etwas von deiner Lektüre zeigen und ich probiere mal ein englisches Buch aus? Meinen Sprachkenntnissen könnte es bestimmt nicht schaden. Ich leihe dir auch gerne etwas von meinen Sachen, falls bei meinen Sachen etwas Interessantes dabei ist." Vor lauter Eifer hatte ich fast vergessen, bei Fritz weiterzumachen. Jedoch brachte ich dann noch schnell Mähne und Schweif in Ordnung, bevor ich den Putzkasten schloss. "Fertig", meinte ich lächelnd und betrachtete mein Pferd, das trotz aller Mühe nicht reinweiß geworden war.

Ich nickte begeistert. "Natürlich leihe ich dir gerne meine Bücher. Ich habe mich anfangs auch sehr schwer getan, hier immerzu Französisch zu sprechen und zu lernen und wollte gar nicht erst auch noch in meiner Freizeit Französisch lesen. Fürchterliche Sprache", plapperte ich munter. Beim letzten Satz grinste ich. Als Babette fertig war, griff ich nach der Putzbox, um diese wieder zurück zu bringen. "Aber als ich mich dann überwunden hatte, hat es mir sehr geholfen. Also das Lesen französischer Bücher", fügte ich hinzu

"Ich mag Sprachen eigentlich total gerne, aber in Englisch hatte ich bisher immer schlechte Lehrer. Da macht es auch keinen Spaß, irgendwas dafür zu machen", erwiderte ich und hob den Putzkasten auf. "Und ich glaube, meinem Englisch würde es ganz gut tun, wenn ich mich in Form von solchen Büchern damit mehr auseinandersetze. Wie ist denn der Englischlehrer hier so?" Ich folgte Apple-May in die Sattelkammer, um ihn dort zu verstauen.

Ich überlegte nun, während ich den Putzkasten verräumte. Es war eine komplizierte Frage. Die wenigsten Schüler mochten Herrn Greifers Art. Er erwartete immer Konzentration und war sehr streng. Außerdem legte er sehr viel Wert auf Ordnung auch in unseren Hefteinträgen. "Ich persönlich mag Herrn Greifer sehr gerne", sagte ich dann schließlich, "Er hat mir oft geholfen, auch in Biologie, das unterrichtet er auch. Er spricht meine Sprache ziemlich gut. Aber ich weiß, dass er nicht von allen Schülern gemocht wird." Ich sprach vorsichtig, ich wollte Lehrer nicht schlecht machen.

"Das klingt doch ganz gut", meinte ich unsicher. Bisher konnte ich den Lehrer nicht so gut einschätzen, er wirkte ziemlich unnahbar. Ich konnte mir also auch gut vorstellen, warum er von den meisten nicht so gemocht wurde. Immerhin hatte er eine ziemlich strenge Art, was meiner Meinung nach nicht immer schlecht sein musste. "Er gehört jedenfalls zu den strengeren Lehrern", fügte ich hinzu, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, noch etwas sagen zu müssen. Daraufhin kehrten Apple-May und ich zum Putzplatz zurück.

"Bist du dann so weit?", fragte ich, bevor ich Great Heart losband. "Vor Frau Ring musst du dich übrigens in acht nehmen", sagte ich leise. Inzwischen hatte ich auch schon Bekanntschaft mit der Lehrerin gemacht. Also insbesondere mit ihrer Fürsorge

Ich nickte ihr zu und band Fritz ebenfalls los. "Wirklich?", fragte ich nach. Bisher war mir die Lehrerin sehr nett vorgekommen, außerdem unterrichtete sie mein Lieblingsfach Deutsch. "Wieso denn?" Ich war nun neugierig geworden. Fritz ging brav neben mir her.

Als wir beide unsere Pferde losgebunden hatten, führte ich Great Heart vom Putzplatz. In normalem Tempo gingen Great Heart und ich Richtung Feldweg. Der große Wallach ging artig, was mich freute. "Frau Ring ist ...", sagte ich leise und vorsichtig, "Sie fragt mich ständig, ob ich nicht über meine Probleme sprechen möchte. Obwohl ich schon mehrmals gesagt habe, dass ich ihr nichts erzählen will"

"Wahrscheinlich möchte sie nur helfen", meinte ich vorsichtig. Mir war das bei ihr bisher noch nicht aufgefallen, dass Frau Ring besonders aufdringlich wäre. Hoffentlich blieb das so, ich hatte nämlich auch keine Lust, mit anderen über meine Gefühle zu sprechen. Wir spazierten einen Feldweg entlang, der weg vom Internat führte. Noch knallte hier erbarmungslos die Sonne vom Himmel, ich hoffte heimlich darauf, dass wir bald einen schattigen Weg erreichen würden.

Ich wechselte nun das Thema. "Wenn man ausreitet, dann geht es auch diese Feldweg entlang. Dort vorne, wo sich die Feldwege kreuzen, steigen immer alle auf. Damit nicht munter auf dem Hof rumgeritten wird", erzählte ich. Man sah von hier aus auch schon den Wald, auch wenn es noch ein Stück zu Fuß hin war. Ich schwitzte etwas unter meinen Locken und strich diese mit der freien Hand aus dem Gesicht

Ich nickte nur. Das mit dem Ausreiten wollte ich fürs Erste sowieso lassen. Ich fühlte mich dazu noch nicht sicher genug, Fritz war mir einfach zu temperamentvoll dafür. "Ganz schön heiß heute, nicht war?", meinte ich und entdeckte mit Freuden den noch etwas entfernten Wald.

"Ja", stimmte ich zu, "Aber das ist hier normal, gerade im Sommer. Viel wärmer als in London. Kommst du eher aus dem Norden von Frankreich?" Ich passte Great Hearts Schritte denen von Fritz an. Der Weg war breit genug, um nebeneinander zu gehen.

"Eher aus dem Westen", überlegte ich, "aber der Sommer diesmal ist ja wirklich extrem." Fritz döste mittlerweile mehr neben mir, als das er wach war. Das glaubte ich zumindestens, denn eigentlich kannte ich ihn aktiver. "Selbst die Pferde scheinen es zu heiß zu finden", fügte ich noch hinzu.

"Früher haben wir die Sommer oft in Schottland verbracht", erzählte ich, "da ist es nochmal kühler als in England." Dennoch hoffte ich auf Abkkühlung im Wald. Aber bei dem warmen Wetter war Great Heart meist friedlicher, was mir eigentlich lieber war.

"Das kann ich mir gut vorstellen", meinte ich und dachte dabei an Bilder von Schottland, die ich aus Bücher kannte. Dort gewesen war ich noch nie. Wir liefen jetzt wieder eine Weile schweigsam nebeneinander her und jeder hing wohl seinen Gedanken nach. Wir näherten uns immer mehr dem Wald, der zumindest Schatten und ein leichtes Lüftchen versprach. "Bist du eigentlich gerne auf Dreamdancer?", fragte ich plötzlich in die Stille hinein. "So weit weg von deiner Familie und deiner gewohnten Umgebung."

Die Frage verunsicherte mich immer etwas. Es war schwer, die eine Wahrheit zu finden und zu erzählen. Ich schwieg also noch etwas, um nachzudenken. "Es ist nicht so einfach", meinte ich schließlich, "Natürlich vermisse ich England. Aber ich kann auch froh sein, dass meine Eltern mir dieses Internat ausgesucht haben und eine so gute Ausbildung für mich wollen. Immerhin werde ich am Ende perfekt Französisch sprechen. Und ich habe Freunde hier. Es gefällt mir auch. Nur zu heiß ist es manchmal" Ich lächelte vorsichtig. "Wie ist das bei dir?"

Was Apple-May da erzählte, klang für mich sehr schön. Nun war aber ich an der Reihe zu überlegen. "So lange bin ich ja noch nicht hier", erwiderte ich gedehnt. Ich brauchte meistens etwas Zeit, um mich irgendwo einzugewöhnen. "Durch meine Schwester habe ich natürlich einige Vorteile. Sie hilft mir immer weiter, wenn ich mich irgendwo nicht auskenne. Ich bin auch sehr froh, dass ich nicht auf irgendein Internat gekommen bin, sondern auf eines, wo man reiten kann."