Ich hatte noch im Büro zu tun gehabt und außerdem noch kurz mit Frieda telefoniert, so wurde es schon später, als ich Bersi von der Weide holte. Die gute wartete schon beim Tor, schließlich war sie alleine draußen. Zuvor hatte ich das Halfter für sie im Stall geholt, welches ich ihr nun überzog. Bersi hatte es sichtlich eilig in den Stall, ich sollte in Zukunft definitiv früher kommen, um sie reinzubringen. Telefonieren teht schließlich später immer noch. Ich schob die Stalltür auf und führte Bersi ins Innere.

Viktor wollte gerade ins Haus gehen, als er Apple-May in den Stall gehen sah. Er dachte kurz nach und folgte seiner Mitschülerin in einem gewissen Abstand. Ich führte Bersi inzwischen in die Box, wo ich, wie üblich, bei ihr verweilte.

Viktor schlich hinter Apple-May vorbei und stieg die Leiter zum Heuboden hoch. Er fühlte sich sicher, weil er keine Stimmen hörte. Ich stand dicht neben Bersi, die gnüsslich fraß.

Viktor beobachtete Apple-May von oben und hoffte, dass sie noch weiter in den Stall gehen würde. Während sich Apple die Hände gewaschen hatte, hatte Viktor Heu an die Luke getragen. Apple-May sollte was erleben, dass sie so schnell nicht vergessen würde.

Viktor freute sich. Als Apple-May genau unter der Luke vorbeiging, warf er einen Arm voll Heu hinunter. Er grinste in sich hinein.

Bersi ist nun wirklich kein schreckhaftes Pferd, aber der Schrei und die anderen Geräusche, die plötzlich zu hören waren, ließen sie vom Fressen hochfahren. Die Stute machte einen Satz in meine Richtung. Da ich dicht neben meiner braunen stand, wurde ich nun zwischen Tür und Pferd eingeklemmt. Ich hatte mich bei den Geräuschen selbst etwas erschreckt, riss mich aber zusammen und kraulte Bersi am Widerrist. Ich sprach ruhig auf Bersi ein, die mit erhobenem Kopf dastand. Die Pferde in unserer Nähe erschraken ebenso und man merkte, dass ein gewisser Tumult losging. Mein erster Gedanke war: 'Schüler, aber welche?' Ich musste ihnen nach, bevor sie flüchteten, andererseits konnte ich Bersi jetzt nicht alleine lassen. Gut, sobald ich die Stalltür hörte, konnte ich den Verursachern immer noch nachlaufen, falls es dann nicht zu spät war. Bersi war jetzt wichtiger. Diese hatte ihren Kopf immer noch erhoben, stand aber wieder ruhiger da. Weiterfressen wollte sie wohl noch nicht.

Viktor warf noch eine Ladung Heu nach unten, verfehlte Apple-May aber, da sich diese auf den Boden setzte.

Bersi drehte ihren Kopf und verzog sich dann in die hinterste Ecke ihrer Box. Ich ließ sie gewähren und blickte währenddessen auf die Stallgasse, wo ich aber nichts Außergewöhnliches entdecken konnte. Bersi kam von hinten wieder zu ihrem Trog und fuhr mit ihrer Mahlzeit fort. "Na?", fragte ich die Stute und streichelte sie am Rücken, "Wieder alles gut? Ich geh mal nachsehen, was da los ist und komme danach wieder." Viktor erschrak, als er mich auf die Stallgasse treten sah. Er blickte sich am Heuboden um, ob man von dort aus irgendwie aus dem Stall fliehen konnte.

Ich erblickte Apple-May am Boden und rund um sie und auf ihr einiges an Heu. Reflexartig richtete ich meinen Blick auf die Luke zum Heuboden. Von dort musste das Heu gekommen sein und zwar nicht von selbst, so viel stand fest. Apple-May zitterte. In einiger Entfernung von ihr blieb ich stehen und versuchte, mit der Schülerin Blickkontakt aufzunehmen. Die Pferde waren wieder ruhig geworden, streckten teilweise aber ihre Köpfe aus den Boxenfenstern. Ich stand neben Lisa, die ich am Hals streichelte, während ich Apple-May fragte: "Hallo Apple-May, was ist passiert?" Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben. Schließlich war ich im Stall.

Viktor hatte am Heuboden nur das Fenster gefunden, von dem aus es aber definitiv zu hoch war, um zu springen. Er könnte jemanden bitten, der ihm eine Leiter hinstellen würde. Aber wen? Außerdem wollte er keine Schwäche eingestehen. Er hoffte, dass ich denken würde, dass Heu sei von selbst heruntergefallen und verharrte.

"Soso, das Heu", meinte ich stirnrunzelnd und begann, das verstreute Heu unter der Luke zusammenzufegen, um Apple-May nicht direkt ansehen zu müssen. Mir tat das schluchzende Mädchen leid. "Weißt du, wieso das Heu heruntergefallen ist?", wollte ich wissen.

"Weit kann die betreffende Person ja nicht sein", stellte ich fest. Da dass Heu nun schon mal herunten war, verteilte ich es an die umliegenden Pferde, auch, damit sie sich leichter beruhigen konnten.

Mir war klar, dass der Übeltäter in der Falle saß, also stieg ich gemächlich die Leiter in den Heuboden hoch. "Das haben wir gleich", sagte ich noch zu Apple-May, als ich nach oben verschwand. Oben fand ich Viktor.

Ich fragte den Jungen, was das denn solle. Der Schüler entschuldigte sich bei mir und erklärte, dass es nur eine Rache gewesen sei. "Sämtliche Pferde haben sich erschreckt", erklärte ich wütend. "Das wollte ich nicht", entgegnete Viktor. "Geh erst mal hier runter", wies ich Viktor an. Der Schüler stieg vor mir die Treppen hinunter.

Viktor warf Apple einen bösen Blick zu, was ich nicht sehen konnte, da ich ja hinter ihm ging. Als wir alle unten waren, entschied ich streng: "Ich kontrolliere noch alles im Stall und in zehn Minuten sehen wir uns in meinem Büro. Alle beide."